DV und Umwelt/Verkehrstelematik

Überhaupt nicht grün sind sich die Umweltschützer

15.08.1997

Viele namhafte Unternehmen engagieren sich heute freiwillig in einer Umweltorganisation. Allen voran BMW, Daimler-Benz, Siemens und die Deutsche Bahn AG. Die Konzerne haben sich mit anderen Unternehmen in einem Verein mit dem verheißungsvollen Titel "Wirtschaftsforum Verkehr" zusammengetan. Als Vorsitzender lenkt der prominente Umweltschützer Matthias Wissmann, seines Zeichens Bundesverkehrsminister, die Geschicke der Organisation.

Was das Wirtschaftsforum zu bieten hat, übertrifft bei weitem jene lächerlichen symbolischen Aktionen der traditionellen Umweltschützer, die nur Aufmerksamkeit erregen wollen. Das Forum verzichtet vollständig auf altbekannte, wenig wirksame Mittel des Umweltschutzes, also Jammern, Klagen, Protestieren und Fordern. Unbeirrt betreibt Wissmanns Club die Einführung einer effizienten Umwelttechnik, genannt "Verkehrstelematik". Damit läßt sich laut Wissmann "die vom Verkehr ausgehende Umweltbelastung reduzieren".

In der Tat, die moderne Leit- und Kommunikationstechnik ist in der Lage, Emissionen und Energieverbrauch des Güterverkehrs drastisch zu senken. Fracht- und Flotten-Management verhindern unnötige Leerfahrten und Umwege der Brummis. Wie Wissmann auf seiner Homepage verkündet, kann man mit Telematik auch "umweltfreundliche Transportketten" bilden, von der Straße auf die Schiene und die Wasserwege.

Im Personenverkehr fördert die Telematik die umweltfreundlichen öffentlichen Verkehrsmittel. Beschleunigungsprogramme und Vorrangschaltungen erhöhen die Attraktivität von Bussen und Straßenbahnen. Rechnergesteuerte Betriebsleitsysteme stellen im Schienennetz der Bahn die Weichen für mehr Züge.

Trotz bestechender Technik finden die um Wissmann gescharten Umweltschützer nur wenig Gegenliebe bei ihrer Konkurrenz. An vorderster Front wehrt sich ein weiterer Umweltverband gegen die Verkehrstelematik, der Deutsche Städtetag. Diese Organisation hat sich dem Schutz der Biotope für Fußgänger und Radfahrer in den Städten verschrieben. Sie befürchtet, daß sich die Kunden der Umweltschützer BMW und Mercedes bei Staus von Navigationsgeräten führen lassen, durch Wohngebiete lärmen und schutzwürdigen Biotopen der menschlichen Kreatur den Garaus machen.

Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) hat in der Telematik-Suppe ein Haar ausfindig gemacht. Verkehrsexperte Werner Reh lehnt Wissmanns Idee ab, weitere Wechselschaltanlagen auf Autobahnen einzurichten. Reh befürchtet, daß damit die Kapazität des Straßenverkehrs ausgeweitet wird. Anstelle von Verkehrstelematik fordert der BUND Tempolimits und eine saftige Erhöhung der Mineralölsteuer. Lediglich für den Schwerverkehr befürwortet Reh den Einsatz der Telematik in Form von Road Pricing nach gefahrenen Kilometern. Doch genau mit dieser Forderung beißt der Fachmann bei Wissmann auf Granit. Nach Feldversuchen im Jahr 1995 hat der Verkehrsminister die Einführung des Road Pricing - vorerst jedenfalls - abgelehnt. Umweltschützer sind sich überhaupt nicht grün.

*Johannes Kelch ist freier Journalist in München.