Kolumne

"Überfällige Entscheidung"

19.04.2002
Christoph Witte Chefredakteur CW

Wenn sie nicht so immense Auswirkungen hätte auf die Kunden, die Mitarbeiter, die Aktionäre und den weltweiten IT-Markt, könnte die Groteske um die Übernahme von Compaq durch HP Vorlage für ein abendfüllendes Kabarettprogramm sein: "Wissen Sie, wie Sie als gescheiterter Manager Ihren Job retten können? Brechen Sie einfach eine Fusion vom Zaun, dass allen Beteiligten Hören und Sehen vergeht. Über der heraufziehenden Katastrophe vergisst garantiert jeder Ihre schlechten Leistungen." Und wenn sie nicht genug Stoff für intellektuelle Querulanten bietet, dann reicht die Story bestimmt als Plot für eine Soap Opera - mit Carleton Fiorina als wiedergeborenem JR Ewing und Walter Hewlett als ewig betrogenem Bobby.

Natürlich ist die Sache viel zu ernst für solche banalen Scherze. Aber was bleibt denn Aktionären und Mitarbeitern nach monatelanger Unklarheit und Querelen zwischen den offiziellen HP-Vertretern und dem Erben Walter Hewlett als die Flucht in den Zynismus?

Zunächst versuchte jede Partei, mit Anzeigenkampagnen und wechselseitigen Verunglimpfungen möglichst viele Aktionäre für sich zu gewinnen. Dann wurde abgestimmt: pro oder contra Fusion. Vier Wochen später ist zwar völlig unverständlicherweise immer noch nicht klar, wer gewonnen hat, aber der vermeintliche Verlierer Walter Hewlett hat vorsorglich schon einmal Klage eingereicht. Das Votum der Aktionäre für die Fusion sei durch unrechtmäßigen Druck zustande gekommen, den HP auf einzelne Großaktionäre ausgeübt habe. Die Klage ist angenommen und wird zum Glück schon in der nächsten Woche verhandelt. Doch mit dem wie auch immer gearteten Urteil wird sich der Verlierer höchstwahrscheinlich nicht abfinden. Er wird in Revision gehen. Im ungünstigsten Fall kann das Gezerre also noch Monate dauern.

Das erinnert an die amerikanische Präsidentenwahl, die George Bush erst nach diversen Auszählungen von Wählerstimmen in Florida für sich entscheiden konnte. Mit einem Unterschied: Obwohl das Ergebnis anfechtbar gewesen wäre, verzichtete der unterlegene Kandidat Al Gore darauf, das amerikanische Volk noch auf Monate hin führungslos zu lassen, und gratulierte seinem Widersacher zum Sieg.

Etwas in dieser Art müssen jetzt auch die Widersacher in der HP-Compaq-Fusion zustande bringen. Je länger das Verfahren dauert, desto unwichtiger wird, ob Befürworter oder Gegner des Mergers Recht haben. Die verunsicherten Kunden werden schon bald in Scharen davonlaufen und die Schnäppchen der listigen Konkurrenz annehmen. Noch mehr Mitarbeiter werden ihre Jobs verlieren, und die Aktien beider Unternehmen werden weiter drastisch an Wert einbüßen. Bleibt zu hoffen, dass die Verantwortlichen schnell zur Besinnung kommen und endlich zum Wohle der Unternehmen handeln. Sonst werden Compaq und HP schon bald mit Enron zu vergleichen sein - mit dem Unterschied, dass nicht die Habgier, sondern die Eitelkeit der Kontrahenten zwei Unternehmen in den Abgrund reißt.