Der Handelsvertreter im Zeichen der neuen Medien:

Übereilte Systemauswahl blockiert Vertriebschancen

21.09.1984

Von Volker Heiner*

Die Marketing-Funktionen des Außendienstes, insbesondere der Handelsvertreter, sind heutzutage erheblich gewachsen. Angesichts eines enger werdenden Marktes in fast allen Wirtschaftsbereichen hat sich der Wettbewerb in den Absatzkanälen erhöht. Mehr denn je ist bei der Flut von Kommunikationsmitteln die Qualität gefragt. Die reine Warenverteilung und -vermittlung zwischen Industrie und Handel hat in ihrer unternehmerischen Funktionsbewertung gegenüber den Vorjahren an Bedeutung verloren und wird - prognostiziert auf das Jahr 2000 - in ihrer Bewertung noch abnehmen. Hingegen wird die beratende Dienstleistungsfunktion im Absatzkanal weiter an Bedeutung gewinnen.

Eine Marktanalyse der vergangenen drei Jahre in den Sektoren Bekleidung und Schuhe, Textil, Kosmetik/Parfümerie, Spielwaren, Möbel, Sportartikel, Spirituosen, Elektroartikel sowie Versicherungen, die nach den effizientesten Kommunikationsmitteln zwischen anbietender Industrie und nachfragendem Handel suchte, stellte deutlich heraus, daß trotz sehr unterschiedlicher Produkte die persönliche Kommunikation heute mehr denn je im Mittelpunkt des Interesses steht.

Die persönliche Kommunikation ist zwar der effizienteste, aber auch der teuerste Medieneinsatz. Andererseits bietet die Industrie heute eine Fülle von neuen Informations- und Kommunikationstechniken an, die es praktikabel zu bewältigen gilt, um sie letztlich zur Unterstützung der persönlichen Kommunikation zu nutzen. Dabei hängt die Verbesserung der Kommunikation nicht so sehr von der Technologievielfalt - also der Hardware ab, als vielmehr von einer problemlösenden, zielbezogenen Software.

In mehreren Studien, die die HFU, Hermann Fuchslocher Unternehmensberatung, Düsseldorf, teils in Eigenregie, teils in enger Zusammenarbeit mit Universitäten und Fachhochschulen durchgeführt hat, bleibt festzuhalten:

1. Die Vertriebskosten seitens der Industrie sind in den letzten fünf Jahren weiter gestiegen;

2. Die Kommunikationskosten, insbesondere bei gegenseitiger Information sowie in der Werbung und Verkaufsförderung haben deutlich zugenommen;

3. In allen Branchen (Industrie, Großhandel, Facheinzelhandel) werden verstärkt Überlegungen angestellt, das Vertriebs- und Einkaufskonzept neu zu überdenken, und zwar unter dem Gesichtspunkt.

- des direkten Marktzugriffs,

- der stärkeren Bindung des persönlichen Vertriebs beziehungsweise Einkaufs an das eigene Unternehmen,

- der Neuorientierung der Einkaufsverbände,

- einer zunehmenden, permanenten Marktbearbeitung über das ganze Jahr mit gezielten, bedarfsgerechten Angeboten,

- der Zunahme des Zeitbudgets für das persönliche Verkaufen.

Marktnähe ist Trumpf

Hierdurch steht der Außendienst und insbesondere der Handelsvertreter in fast allen Absatzbereichen im Brennpunkt der Überlegungen. Dabei werden primär Effizienzkriterien in bezug auf die Marktnahe als eigentliche Kostenfaktoren in den Entscheidungsansatz gebracht.

Mehr Marktnähe, das heißt mehr Informationsgewinnung, -verarbeitung und konstruktive Übermittlung. Einerseits für den Entscheidenden, dessen Angebot man vertritt, und andererseits für den Entscheider, der nachfragt.

Der Handelsvertreter der Zukunft wird mehr und mehr zum Angebotsberater, der auf eine verbesserte Kommunikation im eigenen Unternehmen gegenüber seiner Angebotsvertretung sowie seinen Abnehmer angewiesen ist. Dabei gibt es noch nicht einmal branchenspezifisch ein Patentrezept, sondern je nach regionaler Situation, Zielgruppe und Vertretungsobjekt sind hinsichtlich der neuen Kommunikationstechniken und -medien intern und extern maßgeschneiderte Konzepte zu entwickeln. Daher gilt es prinzipiell, die Kommunikationssituation bei den eigenen Kunden, dem vertretenen Angebot und der eigenen Konkurrenz zu beobachten.

Qual der Medienwahl

Der Handelsvertreter muß sich bezüglich der Bürotechnik und Kommunikation mit den vertretenen Firmen und seinen Kunden immer überlegen, welche neue Kommunikationstechnik und welches neue Medium für ihn und seine ziel- und zukunftsorientierte Unternehmensplanung von Bedeutung ist. Hierzu ist es wichtig, daß er einen Überblick über das je nach Zielsetzung unterschiedliche Angebot hat und gleichzeitig die raschen Veränderungen im Markt fiir die eigenen Belange analysiert. Das setzt jedoch einen Überblick über die neuen Techniken und Medien voraus und bedingt die Einstellung, diese auch unternehmerisch für die eigene Zielsetzung zu nutzen.

Die nachfolgende Systematisierung bildet einen Überblick für den selbständigen Handelsvertreter. Die Beeinflussungs- und Anwendungsmöglichkeiten der neuen Medien für seine tägliche Arbeit wurden im Auftrag der Centralvereinigung Deutscher Handelsvertreter und Handelsmakler-Verbände (CDH), Köln von der HFU untersucht.

Der Telefonservice 130 erlaubt es den Kunden in der gesamten Bundesrepublik seit dem 1. Juli 1983, zum Ortstarif mit dem Handelsvertreter zu kommunizieren, um etwa Bestellungen auszuführen oder Meinungen auszutauschen. Unter Benutzung der Vorwahl 010 und einer vierstelligen Code-Nummer kann so ein beliebig langes Ferngespräch geführt werden, dessen Kosten der Angerufene trägt. Unabhängig von der Entfernung ist hier alle sechs Sekunden eine Einheit zu bezahlen.

Als Kosten fallen 2000 Mark Grundgebühr monatlich an (jährlich im voraus zu zahlen, 1150 Mark Telefonmindestgebühren werden zusätzlich im Monat abgerechnet). Dieses Servicesystem hat sich in den USA (z.B. bei den Hotelunternehmen) bereits durchgesetzt, hängt aber im wesentlichen von der Permanenz der telefonischen Ansprechbarkeit für Kunden ab.

Eine Erweiterung des Service 130 stellt das System "Gedan" dar - das System der sogenannten Anrufweiterschaltung. Dieses noch nicht ganz ausgereifte System hat den Vorteil, daß der Anrufende im Regelfall 0,23 Mark bezahlt und an die Zentrale des Anbieters per Ferngespräch weitergeleitet wird. Die Kosten werden bislang mit 133 Mark bis 163 Mark im Monat und einer Zeiteinheit von 12 Sekunden entschieden geringer eingeschätzt als beim Service 130. Im Zusammenhang mit den vertretenen Firmen könnten sich hier interessante Aspekte für die Zukunft entwickeln.

EDV/Mikrocomputer

Nach den Spiel- und Lernphasen vergangener Jahre stehen heute der mittelständischen Industrie, dem Handel und dem Handelsvertreter eine Fülle Professioneller und kommerzieller Systeme zur Verfügung. Bei der Entscheidung für einen solchen Computer gilt es heute, sich angesichts der weiter anhaltenden rasanten Entwicklung deutlich über den Ziel- und Problembezug des Einsatzes im klaren zu sein.

Das Hauptproblem im Bereich der Mikrocomputertechnik ist heute das Fehlen qualitativer Software und effizienter Servicenetze. Produkt- und branchenbezogen muß ein Angebot maßgeschneidert werden. Generalisierende Programme verlieren leicht an Aussagefähigkeit, und es werden Zahlenfriedhöfe produziert.

Branchen- und Produktbezogen muß beachtet werden, daß die Erhöhung der Marktnähe und damit die Marktveränderungen eine permanente Aktualisierung der Dateneingabe notwendig machen. Veraltete Stammsätze sollten dabei mit einem minimalen Aufwand und wenig Umrüstzeiten korrigierbar sein. Dateneingabe, Aktualisierung und Datenabfrage können bei Unkenntnis des Systems, der Konfiguration der Soft- und Hardware allgemein zu einem erheblich negativen Zeitfaktor werden. Für das Entscheidungskriterium des eigenen Mikrocomputers muß in diesem Zusammenhang beachtet werden, daß der Zeitbezug zum Markt und der Rationalisierungseffekt tatsächlich gewährleistet werden. Ist man nicht bereit, für die Eingabe, Aufbereitung und Weiterleitung der Computerdaten bis hin zum eigenen Verständnis Zeit zu investieren, kann sich auch später keine Zeitersparnis ergeben.

Angesichts der unterschiedlichen Zielsetzungen für den Einsatz der Mikrocomputer und der Unternehmensgröße hinsichtlich exakter Kostendefinitionen bestehen deutliche Probleme. Die Bandbreite muß im Hard- wie auch im Softwarebereich für Mikrocomputer von ca. 20 000 Mark bis 150 000 Mark eingesetzt werden.

Eine Wirtschaftlichkeitsanalyse darf jedoch nicht nur auf den Hard- und Softwarebereich begrenzt werden, sondern muß die Datenaufbereitung, Schulung, die Serviceleistungen und Ausbaufähigkeit mit beachten und dem Rationalisierungseffekt gegenübergestellt werden.

Je nach Problemstellung beziehungsweise noch zu erwartenden Problemkreisen muß dabei als Alternative die Großrechenanlage oder das Terminal zur Großrechenanlage sowie die Serviceleistung Dritter ins Kalkül gezogen werden.

Schließlich darf die technische Entwicklung im Bereich der Großrechner und Mikrocomputer nicht unbeachtet bleiben. Durch eine übereilte Entscheidung für ein bestehendes System kann man sich heute leicht den Einstieg in neuere Techniken blockieren. wird fortgesetzt

*Volker Heiner ist freier Fachjournalist in Krefeld.