Überbrückungsstrategien

08.09.1978

Für die Zeit vor der System /80 Ära konzentriert sich IBM vor allem auf die Bereiche: Datenkommunikation, Netzwerksysteme (siehe neue Produkte wie SNA, SDLC, 3790,

3600,3650, 3767,3770 Vtam und NCP) und schließlich Datenmanagement (in diese Bereiche gehören Produkte wie 8500 JMS/VS und VSAM). Mit anderen Worten: IBM entwickelt derzeit schwerpunktmäßig sogenannte "bridging devices", also Peripherie-Software- und Terminalprodukte, die gleichsam Brücken schlagen in Richtung auf das neue System. Die Funktion dieser Komponenten ist klar: Sie sollen Weichen stellen und das Terrain für das neue System /80 vorbereiten.

Für diese Strategie des Machtführers gibt es mehrere Gründe:

1. Neue Produkte sollen die sinkenden Mainframe-Verkaufszahlen ausgleichen helfen. (Obwohl eigentlich zu erwarten wäre, daß die neuen Prozessorsysteme 3032 beziehungsweise 3033 diese Verluste mehr als wettmachen.)

2. Ohne leistungsfähige "bridging devices" könnten Endbenutzer die neuen System /80 Kapazitäten gar nicht verkraften. Diese Produkte müssen also unbedingt noch vor dem Marktantritt des Supersystems an den Mann gebracht werden. Wenn das nicht gelingt, darf sich IBM auf stagnierende Absätze und eventuelle Verluste gefaßt machen. (Eine Erfahrung, die der Marktführer bereits 1970/71 mit dem System 370 gemacht hat. )

3. IBM muß ihren System 370 Anwendern den Übergang auf das neue System möglichst einfach machen. Das bedeutet, daß die Vorbereitungsphase auf die eigentliche Systemumstellung bereits heute anlaufen muß.

Hier spielen Firm- und Softwarekomponenten wie SNA, SDLC, VTAM NCP und VSAM als sogenannte "bridging-devices" eine wichtige Rolle.

Wenn IBM mit dieser Strategie Erfolg hat, ist der Markteintritt des neuen Systems optimal vorbereitet Kompatible remote-Terminals, Kommunikationsnetzwerke und Datenmanagementfunktion brauchen dann nur noch auf den System /80 "Dynama" angeschlossen zu werden.

Mit der Auslieferung des Prozessorsystems 3033 ist dagegen nicht vor Ende 1978 zu rechnen Damit durften die meisten IBM-Kunden dieses System erst 1979 installieren.

Die Extrapolation der derzeitigen Auftragsentwicklung beim System /80 ergibt beeindruckende Zahlen: Die Anwender werden diesen Berechnungen zufolge in fünf Jahren rund acht Milliarden Dollar für das neue System ausgeben - dieser Kalkulation liegt eine weltweite Produktion von jährlich maximal 400 Einheiten zugrunde, mit einem geschätzten Stückpreis von vier Millionen Dollar pro System. Dazu ein Vergleich: Auf dem Höhepunkt des System 370/168-Erfolgs im Jahre 1976 wurden 275 Einheiten verkauft.

Angesichts dieser expansiven Entwicklung beim System /80 stellt sich die Frage nach der Lebensdauer des Prozessorsystems 3033.

Zwischenlösungen

Nach Meinung von Branchenkennern wie R.T.Fertig handelt es sich beim IBM Prozessor 3033 um eine Übergangslösung mit relativ kurzer Lebensdauer - das gleiche gilt für die anderen Mitglieder dieser Prozessorfamilie: den 3032, 3031 und das Multiprozessorsytstem 3033.

Diese eher pessimistische Beurteilung stützt sich auf eine ganze Reihe negativer Eigenschaften der IBM 3033 Prozessorfamilie:

1. Zuwenig Verbesserungen in der Systemarchitektur:

A: Die 3033 bietet eine maximale Adressenlänge von 24 Bits, die Speicherkapazität liegt bei 16 MB. Geht man davon aus, daß bei Systemen der 80er Jahre die durchschnittliche Hauptspeicherkapazität etwa 100 MB beträgt, dann schneidet die 3033 vergleichsweise schlecht ab.

B: Ähnlich wie die Rechner der 370 Familie ist auch der 033-Prozessor kein absolut "sicheres" Computersystem - er kann das aufgrund bestimmter Hard- und Softwaremängel auch gar nicht sein.

C: Die Kommunikationsleistung des 3033 läßt auch weiterhin zu wünschen übrig Datenbus und E/A-Kanäle können maximal 1,5 bis 3 MB/sec übertragen - immer noch zuwenig für eine effektive Nutzung schneller, hierarchischer MOS- oder Blasenspeicher.

D: In puncto Zuverlässigkeit Einsatzbereitschaft und Servicefreundlichkeit wird die 3033 CPU den Standards der 70er Jahre ohne weiteres gerecht. Wie sieht das aber in den 80er Jahren aus, bei komplizierten Anwendungen wie Datenbanken/Datenkommunikationen. Dann nämlich, wenn gerade an diese drei Systemeigenschaften höchste Anspruche gestellt werden?

2. Wenig technologische Verbesserungen:

A: Der Integrationsgrad der elektronischen Schalterungen liegt beim 3033-Prozessor gerade um den Faktor 2 höher als beim älteren Modell 168 und entspricht damit nicht dem neuesten Stand der Halbleitertechnologie. Zum Vergleich: Bereits die drei Jahre alten Modelle 470/V6 von Amdahl oder M-190 von Fujitsu bieten eine höhere Packungsdichte.

B: Aufgrund der starken Wärmeentwicklung braucht der 3033 eine aufwendige Wasserkühlung.

C: Der Hauptspeicher besteht immer noch aus 2 KB Chips - obwohl die standardmäßige Chipleistung inzwischen bei 10 KB liegt.

3. Der 3033 ist keine wirkliche Neuentwicklung:

Die IBM 3033 Produktpolitik kommt in den Worten eines Firmensprechers deutlich zum Ausdruck. "Wir haben das Beste der 168 genommen und weiterentwickelt." Das Ergebnis: Höherer Befehlsdurchsatz durch Puffererweiterungen und zusätzliche Register, höhere Eingabekapazitäten, mehr Interleaving - aber kein ganz neues System.