Recht im Internet/Große Probleme bei der Einführung von Internet-Steuern

Überall in der Welt will der Fiskus am Internet-Geschäft mitverdienen

10.11.2000
MÜNCHEN - Weltweit sind sich Regierungen und Wirtschaft einig, dass das Internet schon aus Gründen der Gleichbehandlung mit den Offlline-Akteuren besteuert werden muss. Bislang scheiterten jedoch fast alle Ansätze. Selbst auf nationaler Ebene werden derzeit Steuern eher abgeschafft als eingeführt. CW-Bericht, Hermann Gfaller

Zu den jüngsten Beispielen einer missglückten Steuerinitiative gehört der Vorstoß des Bundesfinanzministeriums, privates Surfen am Arbeitsplatz als geldwerten Vorteil der Besteuerung zu unterwerfen. Damit sollte eine ähnliche Regelung geschaffen werden, wie sie schon seit langem für Privattelefonate im Wert von mehr als 50 Mark gilt. In der Tat gibt es nach wie vor viele Unternehmen, in denen kontrolliert wird, welche Gespräche privat und welche dienstlicher Natur sind. Doch inzwischen ist das Internet zu einem derart weit verbreiteten Arbeitsmittel geworden, dass sich die für die Steuer nötige Unterscheidung zwischen privater und geschäftlicher Internet-Nutzung als ausgesprochen kompliziert erscheint. Die Proteste der Wirtschafts-Lobbyisten waren lautstark und ungewöhnlich erfolgreich. Finanzminister Eichel will jetzt nicht nur die Pläne zur Besteuerung des privaten Surfens am Arbeitsplatz fallen lassen, sondern darüber hinaus auch das private Telefonieren von der Steuer befreien.

Statt Geldhunger Prinzip der GleichbehandlungBereits Anfang der 90er Jahre ist auch die US-Regierung bei dem Versuch gescheitert, den Handel via Internet zu besteuern. Das Problem lag darin, dass die Verbrauchssteuern dort von den Bundesstaaten erhoben werden, und daher ein Wirrwarr unterschiedlicher Regelungen entstand. Die Entwirrung gelang der Zentralregierung in Washington nur durch ein Moratorium, das jegliche Besteuerung vorerst aussetzte. Wenn diese Regelung 1998 um weitere fünf Jahre verlängert wurde, lag das nur zum Teil daran, dass sich die Bundesländer wieder nicht einig wurden. Wichtiger war hingegen das Argument, der aufblühende Internet-Handel wirke sich für die gesamte Wirtschaft in den USA ausgesprochen positiv aus. In der Folge wurde diesseits wie jenseits des großen Teiches diskutiert, ob man nicht gänzlich auf die Besteuerung dieser Wachstumsbranchen verzichten sollte.

Doch inzwischen haben gerade in Amerika zahlreiche Unternehmen und Bürger den US-Senat bestürmt, der Ungerechtigkeit Einhalt zu gebieten, dass Online-Händler von der Steuer befreit sind, alle anderen Händler aber nicht. Laut "Wall Street Journal" diskutieren die Senatoren inzwischen ähnlich wie die EU eine einheitliche Steuergesetzgebung, die Dotcoms und Brick-and-Mortars gleichermaßen trifft. Selbst in Kalifornien, wo die Regierung solchen Ansinnen bislang skeptisch gegenüberstand, weil man dort am meisten vom ungehinderten Erfolg der Dotcoms profitierte, hat der Senat eine Gesetzesvorlage verabschiedet, die alle in Kalifornien ansässigen Internet-Firmen zwingen würde, Steuern für ihre Online-Verkäufe zu entrichten. Damit soll klargestellt werden, dass ein Händler Steuern zahlen muss, gleichgültig über welches Medium er seine Waren verkauft.

Angesichts der Tatsache, dass der Online-Handel bislang nicht viel mehr als ein Prozent des Geschäfts über konventionelle Bestellwege ausmacht, ist das wichtigste Argument für die Besteuerung weniger der Geldhunger des Fiskus als das Prinzip der Gleichbehandlung der Bürger und Unternehmen. So ist nicht einzusehen, dass für die gleiche Software im Laden Mehrwertsteuer fällig wird, während sie im Internet entfällt. Ähnlich ungerecht ist, dass Online-Händler, die Waren zum Anfassen wie CD-ROMs oder Bücher anbieten, ihren Anteil an den Fiskus abführen, während dieselben Inhalte für E-Books oder als MP3-File am Finanzamt vorbei verkauft werden.

Diesen Missstand sollte ein Vorschlag beenden, den das Europäische Parlament und der EU-Rat im Juni dieses Jahres vorlegten. Danach sollten grundsätzlich alle im elektronischen Handel vertriebenen Waren gemäß einem Vorschlag der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) als Dienstleistungen eingestuft werden. EU-interne Umsätze würden dann den geltenden Vorschriften für den Binnenmarkt unterliegen.

Für Zündstoff sorgte allerdings die Regelung, dass sich Händler aus Nicht-EU-Ländern einen Steuerstandort in Europa suchen sollten, um sich so - quasi als lokaler Anbieter - den geltenden Landesregeln zu unterwerfen. Ausgenommen sind allerdings Anbieter, die sich ausschließlich auf Geschäftskunden konzentrieren, und solche, die mit Privatkunden weniger als 100 000 Euro Jahresumsatz mit digitalen Waren machen. In Europa wird daran kritisiert, dass damit Länder mit niedrigen Steuersätzen wie Luxemburg begünstigt würden. Laut "Spiegel" befürchten die Steuerspezialisten der Bundesregierung sogar, dass es zu "Steueroasen mit schlüsselfertigen Hinterziehungslösungen" komme. Die nötige Zustimmung durch die nationalen Regierungen dürfte daher von einer Änderung dieser Passage abhängen.

Als problematisch wird zudem gesehen, dass der Händler zwischen Privat- und Geschäftskunden unterscheiden muss. Bei der Lieferung digitaler Produkte an Firmenkunden gilt, dass der Empfänger die an seinem Standort geltenden Steuern zu entrichten hat. Bei Lieferungen an Privatkunden ist es umgekehrt. Hier zahlt der Lieferant die an seinem europäischen Standort geltenden Steuern. Während sich die Anbieter außerstande wähnen, zwischen Privat- und Geschäftskunden zu unterscheiden, argumentiert die EU, dass diese Information von der Steuerverwaltung zur Verfügung gestellt werden könne.

Moniert wird auch, dass die Regelung außerhalb der EU nicht umsetzbar sei. Wie, so die Frage, will man ausländische Unternehmen zwingen, sich an die Regeln zu halten? Die Autoren des Vorschlags räumen ein, dass bislang keine Handhabe existiere, Steuerhinterziehung ausländischer Firmen zu ahnden. Das sei eine Aufgabe für internationale Regelungen, etwa durch die OECD. Bis dahin geht die EU davon aus, dass international ambitionierte Auslandsunternehmen durchaus Interesse daran haben, ihren steuerlichen Verpflichtungen auch in Europa nachzukommen. Häufen sie nämlich Steuerschulden an, bekommen sie rechtliche Probleme, sobald sie für ihre Expansion eine europäische Niederlassung brauchen.

Insbesondere bei den US-Anbietern ist die Aufregung groß. Sie befürchten einen Wettbewerbsnachteil, weil ihre Dienstleistungen und Produkte in Europa teurer werden, während die Europäer, anders als bisher, beim Export digitaler Produkte in die USA keine Steuern mehr abführen müssen. Dadurch werden Ausfuhrhürden der hiesigen Anbieter abgebaut, während der Import aus den USA verteuert wird.

Auch die US-Regierung reagierte gereizt. So wirft der amerikanische Finanzminister den Europäern vor, einen nicht abgestimmten Alleingang zu versuchen, obwohl man doch im Rahmen der OECD über eine globale Regelung verhandle. Die EU-Kommission kontert, dass ihr Vorschlag OECD-konform sei und man nicht warten wolle, nur weil die Amerikaner nicht in der Lage seien, ihre innenpolitischen Steuerinteressen zu klären.

EU-STEUERPLÄNE-Die Mehrwertsteuer auf Dienstleistungen an gewerbliche Kunden wird vom Kunden geschuldet. Eine Registrierung von Unternehmen, die in EU-Staaten exportieren, ist daher nur bei Dienstleistungen an private Kunden erforderlich.

-Unternehmen mit Sitz außerhalb der Europäischen Union, deren Geschäftsvolumen mit digitalen Produkten in der EU unter 100 000 Euro liegt, müssen sich nicht registrieren lassen.

-Künftig reicht die Registrierung an einem Ort aus, so dass das Unternehmen sämtliche Mehrwertsteuern an eine Behörde abführen kann. Dadurch werden weltweit alle Unternehmer beim Verkauf im EU-Raum gleichgestellt.

-Registrierung und Steuererklärung erfolgen elektronisch.

-Die Steuerverwaltungen stellen den Unternehmen die nötigen Informationen über den Steuerstatus zur Verfügung, um zu erkennen, ob und inwieweit ein Umsatz mit Steuern zu belasten ist.

KRITIK AN DER INTERNET-STEUER-Die Finanzminister wollen die noch junge Internet-Branche melken.

EU: Die hier zu erwartenden Steuerausfälle werden im Vergleich zum klassischen Handel von allen Fachleuten als sehr gering eingeschätzt - zumal es nur um den rein digitalen Teil des Online-Handels geht. Vielmehr strebt die EU mehr Steuergerechtigkeit im grenzüberschreitenden Handel an.

-Ein neu entstehender Markt wird durch bürokratische Regeln abgewürgt statt gefördert.

EU: Gerade die Wirtschaft hat nach klaren steuerlichen Rahmenbedingungen verlangt. Nur dadurch, so die gemeinsame Erkenntnis, lässt sich das Vertrauen der Kunden in dieses Geschäftsmodell gewinnen und dessen Potenzial entfalten.

-Statt Steuern zu senken, wird wieder einmal eine neue Steuer eingeführt.

EU: Es wird keine neue Steuer eingeführt, sondern lediglich das Steuerrecht für Dienstleistungen an den Internet-Handel angepasst. Außerdem entfallen künftig die Steuern für die europäischen Anbieter beim Export digitaler Waren.

-Unternehmen sind nicht in der Lage, wie verlangt, zwischen Privat- und Firmenkunden zu unterscheiden.

EU: Die Information, wer Firmenkunde ist, liefern die Steuerbehörden.

-Man kann Ausländer nicht zwingen, EU-Recht einzuhalten.

EU: International agierende Unternehmen haben ein natürliches Interesse, Strafen und Steuerschulden in einer Region zu vermeiden, in der sie möglicherweise bald nicht nur über Internet präsent sind. Außerdem fallen beim grenzüberschreitenden Handel schon jetzt Steuern an. Diese Regeln werden lediglich um den Handel mit digitalen Produkten erweitert. Im Rahmen der OECD wird bereits an internationalen Handelsabkommen für digitale Produkte gearbeitet.

-US-Firmen werden benachteiligt.

EU: Bislang mussten europäische Online-Anbieter an ihrem Standort Mehrwertsteuern für den Handel mit dem Ausland abführen, die US-Unternehmen dagegen sind zu Hause von der Steuer befreit. Es wird also für mehr Steuergerechtigkeit gesorgt, die zugegebenerweise erst dann in vollem Umfang greift, wenn die USA - wie längst geplant - ihre Steuerbefreiung aufheben.

Abb: Bei Privatkunden führt der Händler die Mehrwertsteuer ab, bei Firmenkunden der Empfänger. Quelle: CW