Two-Way Tools synchronisieren Code und Visual Designer Borlands Dbase for Windows soll im August endlich verfuegbar sein

08.07.1994

FRANKFURT/M. (qua) - In knapp zwei Monaten ist es soweit: Zusammen mit "Dbase 5.0" fuer DOS will die Borland Inc., Scotts Valley, Kalifornien, das langerwartete "Dbase for Windows" auf den Markt bringen. Auch wenn das Produkt einen guten Eindruck macht - die Frage ist, wie viele Anwender die Wartezeit durchgestanden haben.

Als Rahmen fuer ihre Produktpraesentation hatte die Borland GmbH, Langen, das feine "Gravenbruch Kempinski" vor den Toren Frankfurts gewaehlt, Firmengruender Philippe Kahn gab sich persoenlich die Ehre, und die Borland-Mitarbeiter strahlten mit der Junisonne um die Wette.

Sie hatten eine gute Nachricht zu ueberbringen: Nachdem die Windows-Ausfuehrung des von Ashton-Tate uebernommenen Datenbank- Entwicklungssystems Dbase bereits seit drei Jahren als Vapourware existiert, wird sie Ende kommenden Monats wohl tatsaechlich in den Regalen der Verkaeufer stehen.

Wie die aktuelle DOS-Ausfuehrung traegt auch das erste Windows-Dbase die Release-Nummer 5.0. Der Anbieter verspricht "volle" Kompatibilitaet zu den vorhergehenden Produktversionen - sowohl zu Dbase III Plus als auch zu Dbase IV.

Einige der nach Kahns Angaben rund 6,7 Millionen Dbase-Anwender duerften jedoch zwischenzeitlich auf andere Datenbanksysteme umgestiegen sein. Wie Leo Merkel, Geschaeftsfuehrer der deutschen Borland-Zentrale, einraeumt, hat der Anbieter die Geduld der Dbase- Gemeinde auf eine harte Probe gestellt. "Es war ein Fehler, das Produkt so frueh anzukuendigen," gibt der ehemalige Ashton-Tate- Mitarbeiter zu. Zur Produktvorstellung habe er aber auch solche Anwender geladen, die "von Dbase nichts mehr wissen wollen".

Als Alternative bietet sich seit etwa einem Jahr die Microsoft Corp. mit der Windows-Ausfuehrung von "Foxpro" an. Zwar bezeichnet der Borland-Chef das Konkurrenzprodukt als einen "billigen Dbase- Clone", doch mag er potentiellen Umsteigern dennoch keine Kompatibilitaet zwischen Foxpro und Dbase garantieren.

Offenbar will sich Borland den Foxbase-Anwendern auch nicht mit Umtausch- oder Einfuehrungsangeboten andienen. Eine Vollversion von Dbase for Windows wird im Fachhandel voraussichtlich um die 1000 Mark kosten. Fuer Grossabnehmer gibt es eine Preisstaffel, die fuer 50 Anwender beispielsweise 70 Prozent des regulaeren Preises vorsieht. Ein zusaetzliches Handbuch schlaegt mit 200 Mark zu Buche.

Objektorientierte und ereignisgesteuerte Befehle

Wer bereits eine aeltere Dbase-Ausfuehrung besitzt, bekommt eine Update-Lizenz - Kostenpunkt: 320 bis 400 Mark. Dasselbe gilt fuer die Anwender des Borland-eigenen Datenbanksystems "Paradox" sowie der ehemaligen Ashton-Tate-Produkte "Framework" und "Rapidfile".

Wenn das Produkt erfuellt, was die Ankuendigung verspricht, zeigt Dbase 5.0 dem Mitbewerb zunaechst einmal die Fersen. Im Funktionsumfang enthalten sind objektorientierte und ereignisgesteuerte Befehle, die sowohl Einkapselung als auch Vererbung und Polymorphie unterstuetzten. Neben der Moeglichkeit, eigene Objektklassen zu definieren, bietet das Produkt dem Anwender 20 vordefinierte Objektklassen an - darunter GUI- Komponenten, Browse-Windows und -Masken, OLE-Objekte sowie DDE- Verbindungen.

Besonders stolz sind die Borlaender auf eine Funktion, die sie "Two-Way Tools" getauft haben. Laut Anbieter kann der Entwickler damit nach Lust und Laune zwischen dem "Visual Designer" und dem Sourcecode wechseln: Waehrend er im Designer-Modus arbeite, werde der Code automatisch generiert. Umgekehrt liessen sich alle Aenderungen im Listing direkt in den Designer uebernehmen.

Leider kann die Synchronisation von Code und grafischem Design nicht in Echtzeit auf dem Bildschirm verfolgt werden. Das wuerde, so begruendet Kahn, im Multiuser-Betrieb zu Konsistenzproblemen fuehren.

Dbase 5.0 ist mit den anderen Borland-Datenbanken - "Paradox" und "Interbase" - ueber die "Borland Database Engine" verbunden. Nach Borland-Angaben wird es dadurch moeglich, SQL-Datenbanken wie Dbase-Dateien zu handhaben. Die Engine uebersetze die Dbase- Kommandos in SQL-Syntax und umgekehrt.

Nach Ansicht von Marktbeobachtern haengt fuer Borland vieles davon ab, dass "Dbase for Windows" ein Erfolg wird. Aufgrund seines miserablen Jahresabschlusses hatte das kalifornische Software- Unternehmen in den vergangenen Wochen nur negative Schlagzeilen geliefert. Auch fuer das erste Quartal des neuen Geschaeftsjahres muss Kahn rote Zahlen melden. Er hofft allerdings, in die Profitzone zurueckzukehren, sobald das neue Produkt lieferbar ist (vgl. das Interview mit Philippe Kahn auf Seite 9).