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TV-Sender treten Digital-Zeitalter mutig entgegen

27.09.2007
Von pte pte
Die voranschreitende Digitalisierung fordert neue Strategien und Geschäftsmodelle von den TV-Sendern. Aufgrund einer zunehmenden Fragmentierung des Marktes sorgen sich viele Branchenvertreter mitunter um ihr Geschäft. Anders der Tenor beim ersten TV-Gipfel der 14. österreichischen Medientage in Wien. Die hochkarätig besetzte Expertenrunde von RTL Group-Chef Gerhard Zeiler bis hin zu ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz war sich einig darüber, dass das digitale Zeitalter für die Fernsehwelt mehr Chancen als Risiken mit sich bringt. "Die TV-Industrie hat die besten Möglichkeiten, einer der größten Nutznießer dieser Entwicklung zu werden", meint Zeiler zu Beginn seines Vortrages. Es werde künftig Kern des TV-Geschäfts sein, sich auf die neuen Freiheiten der Konsumenten einzustellen und insbesondere darauf zu achten, guten Content und starke Formate anzubieten.

Bei RTL folgt man hinsichtlich der Digitalisierung vier Grundsätzen: Zunächst sei es besser, sich selbst zu fragmentieren als von anderen fragmentiert zu werden, zweitens gebe es nicht den geringsten Grund sich vor der DIgitalisierung zu fürchten - letztlich werden laut Zeiler in Zukunft über alle veschiedenen Plattformen zusammen mehr Zuschauer erreicht werden als in der analogen Fernsehwelt. Drittens brauche ein Sender Mut zur Nische, was bedeutet, vermehrt spezifische Programme anzubieten und auf Spartenkanäle zu setzen und letztlich müsse der Erlös quantifiziert werden. "Wir können uns in Zukunft nicht mehr nur auf eine Kundengruppe verlassen - eine ausgewogenere Umsatzstruktur, mehrere Erlösquellen werden nötig sein", meint Zeiler. In jedem Fall bringe das digitale Zeitalter immense Chancen mit sich, solange ein TV-Sender auf starke Inhalte und Marken setze und der Fragmentierung pro-aktiv entgegenwirke.

Diesen Standpunkt stützt auch ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz, der sich jedoch als Vertreter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit andern Herausforderungen auseinandersetzen muss als die privaten TV-Konzerne. "Natürlich glaube ich, dass auch der ORF große Chancen durch die Digitalisierung hat. Wenn das Medium Fernsehen richtig eingesetzt wird, dann kann es auch in der fragmentierten Medienwelt seine Aufgabe erfüllen." Dennoch werde es auch schwieriger, gerade die große Sender würden durch die Digitalisierung etwas an Zuschauern verlieren, während die kleinen, regionalen und spezialisierten TV-Kanäle die Gewinner der Entwicklung seien, so Wrabetz. Die Bedeutung der großen Sender gehe hingegen keinesfalls verloren. Wrabetz appelliert daher auch, dass die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten ebenfalls die Möglichkeit brauchen, sich auf neuen Plattformen - sprich online - zu präsentieren. In der Vergangenheit hat es dazu sowohl in Österreich als auch in Deutschland immer wieder Diskussionen mit Print- und Hörfunkmedien gegeben (pressetext berichtete: http://pte.at/pte.mc?pte=070501003 ).

Insgesamt scheint die Stimmung gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk derzeit eher aufgeladen zu sein. So tritt etwa Markus Breitenecker, Geschäftsführer von ProSiebenSat.1 Österreich, eine Gebührendiskussion los und fordert eine öffentliche Ausschreibung, an der sich jeder Sender beteiligen kann. "Ich sehe keinen Grund dafür, dass der öffentlich-rechtliche Sendungsauftrag automatisch nur einem Anbieter vorbehalten sein soll. Wir würden das gleiche Programm bieten wie der ORF, allerdings zur Hälfte der Gebühren", zeigt sich Breitenecker selbstbewusst. Darüber hinaus will ProSiebenSat.1 in den nächsten Monaten mit "Puls4" ein viertes Vollprogramm auf den österreichischen Markt bringen. "Wir haben zwar eigentlich zu wenig Geld zur Verfügung, hoffen aber, dies über geringe Produktionskosten und die starke Senderfamilie ausgleichen zu können." Das Gebührenthema greift auch Jürgen Doetz, Präsident des Verbandes Privater Rundfunk und Telekommunikation (VPRT) in Deutschland, auf. "Wenn Brüssel bei dem Standpunkt bleibt, dass Gebühren als Beihilfen gelten, wird der ORF sicherlich unter den Beschränkungen der EU leiden, wie dies bereits ARD und ZDF zu spüren bekommen haben." Es könne nicht sein, dass ein gebührenfinanzierter Sender völlig uneingeschränkt Angebote in den neuen Medien platzieren dürfe. "Sie werden sich also warm anziehen müssen, denn für den ORF wird es stürmisch", so Doetz in Richtung Wrabetz.

Neben den Sendern selbst sind natürlich auch die Distributoren, also Kabelanbieter und Satellitenbetreiber, von der Digitalisierung betroffen. Glaubt man UPC-Austria-Chef Thomas Hintze und Wilfried Urner, Chef der Astra-Plattform entavio, wollen sich diese aber auch in Zukunft auf ihr Kerngeschäft konzentrieren und keinen eigenen Content anbieten. "Wir sehen uns als logischer Partner der Content-Anbieter", sagt Hintze. Und Urner will sich verstärkt darum bemühen, dass die Vorteile der Digitalisierung bzw. die Diskussion darum sich nicht nur im DSL-Bereich finden, sondern die Sender die technischen Möglichkeiten der Satellitenbetreiber stärker wahrnehmen. Etwas zwischen den Stühlen scheinen derzeit die bestehenden Pay-TV-Sender wie Premiere zu sitzen. Mit der Digitalisierung dringen sowohl öffentlich-rechtliche als auch private Sender immer stärker in ihren Bereich ein und greifen das Geschäftsmodell der Bezahlsender an. Carsten Schmidt, Vorstand Sport und New Business bei Premiere, sucht deshalb nach Zweckgemeinschaften wie etwa mit dem ORF bzw. pocht darauf, den "eigenen Job möglichst gut" zu machen. "Den Angriff der öffentlich-rechtlichen und privaten Sender haben wir schon seit Jahren. Für uns wird es in Zukunft noch wichtiger werden, auf Exklusivität zu achten", sagt Schmidt. (pte)