Platzprobleme durch zehn künstliche Himmelskörper in gleicher Position (Teil 2):

TV-SAT nach zwei Jahren Verzögerung im All

27.11.1987

Schon seit zwei Jahren könnte der direktsendende Fernseh- und Rundfunksatellit TV-SAT Programme aus dem All übertragen - hätte sich nicht Ariane launisch gezeigt und den Start verhindert. Jetzt aber ist es soweit: TV-SAT befindet sich auf seiner vorausberechneten geostationären Umlaufbahn und wird im nächsten Jahr senden.

Die Verbindung zur 15-Meter-Antenne halten vier MicroPDP-11/73, die den Empfang von Telemetriedaten und Daten zu Bahnvermessung, das Steuern der Antenne und das Senden von Steuerkommandos zum Satelliten übernehmen. Die Telemetriedaten kommen als "Frames" mit einer Länge von 512 Bit herein. Nach dem Empfang von 32 solcher Frames hat das System alle füp den Betrieb des Satelliten benötigten Meßwerte - beispielsweise Temperatur, Zustand der Sonnensensoren oder Batteriezustand je Zelle und so weiter - einmal gespeichert und der Meßzyklus kann von neuem beginnen.

Wichtige Systeme dreifach

Im Kontrollzentrum in Oberpfaffenhofen sind alle wichtigen Systeme sogar dreifach vorhanden. Zwei Computer VAX- 11/780 fungieren als Kommunikations- und Kontrollrechner, das heißt sie sind für den operationellen Betrieb zuständig. Eine dritte 11/780 erzeugt Simulationsdaten, kann aber bei Ausfall eines operationellen Rechners dessen Aufgaben übernehmen. Im Kontrollzentrum sind die peripheren Systeme über Ethernet/DECnet mit den drei Zentralrechnern verbunden.

Die beiden operationellen Rechner überwachen das Datennetz, übernehmen die Kurzzeitspeicherung von Satelliten- und Systemdaten und generieren Kommandodaten. Zwei weitere VAX-8650 werden zur Berechnung der Satellitenbahn herangezogen.

Wie bei der NASA: Das Mission Control Center

Was sich den Zuschauern bei vom Fernsehen übertragenen Raumflugereignissen wohl am deutlichsten eingeprägt hat, waren die großen "Mission Control Center" mit ihrer kaum mehr zu überblickenden Anzahl von Monitoren. Auch die DFVLR verfügt über derartige Kontrollräume, die je nach Bedarf beim Start eines Satelliten, bei Sonderaktivitäten wie dem deutschen Spacelab-Experiment und selbstverständlich im Routinebetrieb zur Überwachung individuell genutzt werden. Rund 100 Arbeitsplätze VAXstation II/ GPX sind hierzu an sieben Supermikros MicroVAX II angeschlossen, die über Ethernet/DEC mit dem Zentralsystem verbunden sind.

Auswahlkriterien für die VAXstation II/GPX waren die leistungsfähige Farbgrafik, die durchgängige Kompatibilität innerhalb der VAXFamilie und die Netzwerkfähigkeit. Auf diesen Terminals lassen sich sämtliche Telemetriedaten über den Zustand des Satelliten, Lage- und Bahnanzeigen, in der Startphase die Manöver zur Positionierung und viele andere für den Betrieb des Raumflugkörpers wichtige Daten und Ereignisse grafisch aufbereitet oder alphanumerisch anzeigen.

Nach ihren guten Erfahrungen mit den VAX-Rechnern hat die DFVLR auch für das Kontrollzentrum der Deutschen Bundespost in Usingen Computer des gleichen Herstellers vorgeschlagen. Den zentralen Komplex bilden in Usingen drei Abteilungrechner VAX-8200, die über den CI-Hochgeschwindigkeitsbus als Cluster zusammengeschaltet sind. Der CI ist ein Zweikanalbus mit jeweils 70 MBit/s. Die Ausführung als Doppelkanal bietet einen zweiten Datenweg, wenn einer der Kanäle ausfallen sollte. Mit der VAXcluster-Lösung können die drei Zentralrechner entweder jeder für sich autonom arbeiten, bei Ausfall eines Rechners dessen Aufgaben übernehmen oder bei hohen Anforderungen im Cluster eine wesentlich höhere Leistung erbringen.

Wie in Raisting/Weilheim stellen MicroPDP-11/73 die Verbindung zur Antennenanlage her. Einziger Unterschied: Usingen benötigt keine Einrichtungen zur Antennensteuerung, da diese nur in der Startphase erforderlich ist. Und in einem weiteren Detail unterscheidet sich Usingen von der DFVLR-Installation: Auf Wunsch der Post wurde der Ethernet/DECnet-Bus aus Sicherheitsgründen doppelt ausgelegt.

Wenn Ariane den ersten TV-SAT in die erforderliche Höhe geschossen hat, hilft bei der ersten Positionierung ein weltweites Netz von Bodenstationen in verschiedenen Ländern. Aktiv sind beispielsweise Frankreichs Stationen in Pretoria und Kourou, die Station der DFVLR in Raisting/Weilheim, die Station der ESA in Malindi/Kenia sowie die NASA-Stationen Canberra in Australien und Goldstone in Kalifornien.

Bei der Positionierung helfen alle mit

Diese Partnerstationen werden jedoch nur für die ersten zwei bis drei Tage zur Positionierung benötigt, dann schafft es die DFVLR alleine. Nach spätestens 14 Tagen, wenn der schrittweise Übergang vor der elliptischen Umlaufbahn in eine geostationäre Bahn erfolgt ist, gilt die Positionierung als abgeschlossen. Dann wird TV-SAT mit einer Genauigkeit von 0,1° in Länge und Breite gehalten.

Nach drei Monaten erfolgt die Übergabe an das Boden- und Kontrollzentrum der Deutschen Bundespost in Usingen; die empfangenen Daten werden jedoch weiterhin nach Oberpfaffenhofen zur Auswertung übertragen. Erst nach etwa einem Jahr, wenn auch das Personal der Post ausgebildet ist, übernimmt Usingen voll.

Nach all diesen minutiösen Vorbereitungen, die großenteils auf der jahrelangen Erfahrung der DFVLR basieren, besteht kaum ein Zweifel daran, daß unser neuer Fernseh- und Rundfunksatellit TV-SAT zufriedenstellend arbeiten wird. Bleibt zu hoffen, daß auch die von ihm übertragenen Programme unseren Erwartungen entsprechen.

* Kristin Mierzowski ist freie Fachjournalistin in Leonberg