Ex-Infomatec-Tochter sucht Neuanfang

Tuxia konzentriert sich auf Internet-Appliances

04.05.2001
Rein in die Infomatec, raus aus der Infomatec - so ließen sich bei der ehemaligen Igel GmbH die Kapitel in der Firmengeschichte von 1999 bis 2000 überschreiben. Heute streckt das in Tuxia umfirmierte und auf Embedded-Linux-Software spezialisierte Unternehmen weltweit seine Fühler nach Märkten für Internet-Appliances aus. Von Andrea Goder*

Für den CEO von Tuxia und ehemaligen Igel-Geschäftsführer Hannes Eisele war es im Dezember 1998 zunächst ein Glücksfall, als sich der einstige Börsen-Highflyer Infomatec - ein Wert, für den viele Analysten schwärmten - zu 51 Prozent an seinem Augsburger Zehn-Mann-Betrieb beteiligte. Das bereits seit 1989 bestehende Softwareunternehmen mit dem Schwerpunkt auf Linux-basierten Thin Clients sei damals ohnehin auf Partnersuche gewesen, um schneller international wachsen zu können.

Mit der Übernahme durch Infomatec wurde die Software in "JNT" umbenannt und sollte fortan die wichtigste Grundlage bilden, um Settop-Boxen in großem Stil zu vermarkten. Schließlich verleibten sich die Augsburger im Dezember 1999 die restlichen 49 Prozent an Igel ein. Die für Infomatec wichtigste Unternehmenstochter, die innerhalb von weniger als zwei Jahren auf 100 Mitarbeiter angewachsen war, ging im Frühjahr 2000 in der Infomatec IAS GmbH auf - mit Eisele als Geschäftsführer. "In dieser kurzen Zeit hätten wir aus eigener Kraft niemals so stark zulegen können", erklärt der Ex-Igel-Chef im Rückblick.

Das Infomatec-IntermezzoAber das Infomatec-Intermezzo hatte bei weitem nicht nur gute Seiten. Von Mai 1999 bis zum Jahresende feierte Infomatec in mehreren Ad-hoc-Meldungen den Abschluss von JNT-Großaufträgen, mit denen es dann, wie sich später herausstellte, allerdings nicht weit her war. Eisele zufolge haben die beiden Ex-Infomatec-Vorstände Alexander Häfele und Gerhard Harlos seine "Message" nie richtig verstanden: "Infomatec hat unser Produkt missbraucht, um eigene Boxen zu schieben. Wir dagegen wollten die Hersteller von Surfstations mit unserer Software beliefern", beschreibt Eisele den Zielkonflikt. Infomatec habe sich so zum Wettbewerber potenzieller Igel-Kunden gemacht und sich damit einen Teil des Geschäfts selbst abgegraben.

Auch die offenbar strafrechtlich relevanten Aktivitäten der beiden ehemaligen Infomatec-Chefs treiben Eisele um. Fakt scheint heute zu sein, dass die schwäbische Softwareschmiede sowohl auf der CeBIT 1999 als auch auf der Hauptversammlung wenige Monate später Settop-Boxen präsentierte, die nicht aus dem Hause Infomatec stammten - jedoch mit dem Infomatec-Logo überklebt waren. Diese Geräte wurden von den Schneider Rundfunkwerken hergestellt und liefen mit der Software des einstigen Landsberger Mitbewerbers Computime GmbH. Dass von den beiden Ex-Infomatec-Vorständen Produkte vorgetäuscht wurden, die es zum damaligen Zeitpunkt noch gar nicht gab, ist einer der Hauptvorwürfe der Augsburger Staatsanwaltschaft gegen die ehemaligen Manager, die sich seit November 2000 in Untersuchungshaft befinden.

Im Visier des Staatsanwalts"Nichts dran" ist nach Eiseles Worten allerdings an der Behauptung, dass 1999 über dunkle Kanäle Software von Computime zu Infomatec geflossen sei - ein Vorwurf, der ebenfalls Gegenstand der Ermittlungen der Augsburger Staatsanwaltschaft gegen Infomatec ist. "Nicht eine Entwicklerzeile hat den Weg zu Igel gefunden", gibt Eisele zu Protokoll. JNT sei eine Linux-basierte Entwicklung, die von Computime konzipierte Anwendung laufe dagegen auf der Windows-Plattform.

Als sicher gilt heute, dass die Infomatec-Box - von einer einmaligen Lieferung von 14000 Surfstations an Mobilcom abgesehen - nie in größeren Stückzahlen gefertigt wurde. Die gelieferten Geräte wiesen allerdings in puncto Strahlenbelastung technische Mängel auf. Mobilcom wurde deshalb von der Bonner Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (Reg TP) der Vertrieb der Surfstations untersagt.

Auf zu neuen UfernAls sich die Situation um die im August letzten Jahres in heftige Turbulenzen geratene Augsburger Skandal-Company immer mehr zuspitzte, stand auch für Eisele fest, Infomatec zu verlassen. Mit ihm entschlossen sich fast alle Mitarbeiter der Infomatec IAS, einen Neuanfang zu wagen. Im Dezember 2000 kam es dann zur Einigung mit Infomatec: Tuxia übernahm im Zuge eines Management-Buyouts die Software JNT.

Die Firma entwickelte das Programm weiter und brachte es Anfang dieses Jahres unter dem Namen "Taste" neu auf den Markt. Alte JNT-Kunden - die Software lief nicht nur auf den Fernseh-Surfstations, sondern auch auf Thin Clients und anderen Gerätetypen - sollen weiterhin Support für ihre Tools bekommen. Mittelfristig ist geplant, sich nur noch auf das neue Produkt zu konzentrieren.

Sein Hauptgeschäft macht Tuxia dabei im asiatischen Raum aus, wo laut Eisele die eigentlichen "Vordenker" in der Fertigung von Internet-Appliances, also PDAs, Webpads, Settop-Boxen oder Thin Clients, zu finden sind. Neben der reinen Softwareentwicklung einschließlich eines nach eigenen Angaben schlanken und dennoch "Feature-reichen" Browsers gehören auch Service- und Supportleistungen für Hardwarehersteller ins Portfolio der Augsburger. Gleichzeitig will man den Quellcode der Softwareentwicklung freigeben: "Innerhalb der starken internationalen Linux-Entwicklergemeinde sehen wir uns als Teil der Open-Source-Bewegung", bemerkt Eisele.

Den Großteil des Umsatzes, über den der Tuxia-Chef noch keine Angaben macht, erzielt die Company bereits heute in Taiwan. Daneben sind die Schwaben, die ihre internationalen Aktivitäten von der Holding in Augsburg aus steuern, mit Niederlassungen in Paris, Hongkong, Tokio, Sydney und New York präsent.

Insgesamt scheint sich der Markt für Internet-Appliances positiv zu entwickeln. Nach Angaben von IDC soll es bereits im Jahre 2004 rund 90 Millionen Geräte in den USA und Europa geben. Die Marktforscher gehen zudem davon aus, dass die Nachfrage nach Internet-Applicances schon in diesem Jahr höher liegen werde als nach PCs. Dass gegenwärtig Europa, vor allem aber Deutschland, dieser Entwicklung insgesamt hinterherhinkt, bestreitet auch Eisele nicht: "Europa ist nicht unbedingt der stärkste Markt", erklärt er.

Doch auch in den USA muss sich die Company, die ihren Namen vom Linux-Pinguin Tux ableitet, sputen, wenn sie ihr ehrgeiziges Ziel erreichen will. Immerhin sieht sich Tuxia bereits heute als Marktführer für Embedded-Linux-Software im Bereich Internet-Appliances. Mit Microsoft treffen die Schwaben jedoch auf einen mächtigen Wettbewerber, der mit dem Betriebssystem Windows CE bereits heute reüssiert. Und auch eine Reihe von Unternehmen aus dem Embedded-Umfeld haben Linux entdeckt und springen ebenso wie etablierte Open-Source-Companies derzeit auf den Zug auf.

In der Startup-PhaseDie neu gegründete Tuxia befindet sich dagegen trotz ihrer über zehnjährigen Firmenhistorie noch immer in der Startup-Phase. Im Dezember 2000 konnte Eisele die Venture-Capital-Gesellschaft Apax Partners von seinem Business-Plan überzeugen. 20 Millionen Euro investierten die weltweit tätigen Risikofinanciers in Tuxia. Ein Börsengang, um das globale Wachstum zu finanzieren, ist für Eisele derzeit noch kein Thema. Nach einer zweiten Finanzierungsrunde könnte das anders aussehen. Wo ein IPO stattfinden soll, steht allerdings noch nicht fest. Eisele hält sich alle Optionen - USA, Asien und Deutschland - offen.

*Andrea Goder ist freie Journalistin in München.