DV in Frankreich - ein nationales Trauerspiel?

Turbulente Sicob-Eröffnung

26.09.1975

PARIS- Frankreich "Grande Nation" mit dem derzeit europaweit wohl ehrgeizigsten nationalen DV-Plänen, präsentiertet sich zur 26. Sicob, dem Pariser Gegenstück zum Cebit-Teil der Hannover-Messe, zerstritten wie nie zuvor. Dieses Jahr gibt es staatlicherseits in Frankreich mehr Geld als je zuvor, um die nationalen EDV-Ambitionen zu finanzieren - und der Streit um dessen Verteilung wird immer größer.

Konfusion über Subventionen

"Massive Subventionen - aber größte Konfusion", stellte das französische Fachblatt "electronique actualites" zur Situation der DV-Industrie in Frankreich anläßlich der Sicob-Eröffnung fest. Der "Salon Informatique", der nach französischer Meinung wegen des Übergewichtes der Peripheriegeräte und des Fehlens großer Rechner besser "Salon periinformatique" heißen müßte, hat zur Klärung der Situation nicht beigetragen.

Wer etwa auf der messe fragte, wie sich die angekündigte Zusammenarbeit des bisherigen CII-Aktionärs Thomson mit Telemecanique Electrique - sie planen eine gemeinsame Holding für die Bereiche Minicomputer, Bildschirme und andere Peripheriegeräte - auswirken wird, hörte am Messestand, daß die Betroffenen ihre Informationen der französischen Tagespresse entnehmen.

7740 ohne Unidata-Schriftzug

Bei Cll - der Stand war nur durch einen schmalen Gang von Honeywell Bull getrennt - kündigte man eine Zusamennarbeit mit HB an. Am Stand einer anderen CGE-Tochter war CII/HB bereits Bestandteil des ausgestellten Organisationsschemas. Auf Frage nach CII/HB hieß es am Cll-Stand: "Es gibt nur eine grundsätzliche Erklärung - über die Einzelheiten wird immer noch verhandelt. Wir zeigen eine Bilanz unserer bisherigen Arbeit." Dazu gehörte die erstmals ausgestellte Zentraleinheit 7740 aus der Cll-Fabrik Toulouse - ohne Unidata-Schriftzug, auch war keine Rede davon, daß es sich um eines der Unidata-Modelle handelt. Den Namen "Siemens" gab es nicht auf dem Stand des französischen Siemens-Vertreters Cll (Serie Cll 4004).

Streit um Safari

Außer der freudigen Nachricht, daß die Regierung 1975/76 zur Konjunkturbelebung fast eine Milliarde Mark In die französische DV-Industrie fließen lassen will, bestimmten Proteste der Cll-Mitarbeiter und Krach um das Projekt Safari die Diskussionen der DV-Franzosen.

Das Projekt Safari, dessen unkontrollierte Weiterentwicklung im März 74 gestoppt worden war, sah die Einführung eines Personenkennzeichens in Frankreich und die Verknüpfung der verschiedenen öffentlich-rechtlichen Datenbanken vor. Die im Vorjahr gegründete Kommission "Informatique et Libertes" hat jetzt einen Bericht vorgelegt, wonach "darauf geachtet werden muß, daß die Datenverarbeitung nicht das von der Verfassung, gewollte Gleichgewicht durcheinanderbringt." Die Kommission sollte Vorschläge für Datenschutz-Richtlinien machen und dabei vor allem berücksichtigen, daß die Rechte des einzelnen nicht durch den technischen Fortschritt geschmälert werden Bisheriges Ergebnis: der Vorschlag, aus der Ad-hoc-Kommission eine ständige Einrichtung mit weitgehenden Kontrollbefugnissen zu machen und die bisher nur im Stillen gediehenen Projekte öffentlich zu diskutieren.

Demonstration für Verstaatlichung

Am Eröffnungstat demonstrierten vor der Ausstellungshalle mehrere hundert Cll-Mitarbeiter: Sie forderten auf zahlreichen Spruchbändern "lnformatique Nationale" und "Nationalisation CII/HB" - also die Verstaatlichung der DV-Industrie. Ihr Ärger hat mehrere Ursachen: sie fürchten um die bei Cll bisher im Oktober übliche Lohnerhöhung ebenso wie um ihre Arbeitsplätze, nachdem Honeywell unmißverständlich erklärt hatte, bei Cll seien mindestens 1000 der 5000 Beschäftigten überflüssig. Außerdem ist den betroffenen Arbeitnehmern und ihren Vertretern seit der Absichtserklärung der Regierung im Mai nichts Genaues über die CII/HB-Fusion und ihre Folgen bekannt geworden - außer Gerüchten. Besondere Mißstimmung gegen die "Multinationalisation" kam auf, nachdem der Eindruck entstand, es gehe CGE, Thomson und Honeywell nur darum, ein Maximum an öffentlichen Subventionen herauszuholen. Im Plan Calcul sehen die Gewerkschaftler von CFDT, CGC und CGT inzwischen einen "Plan Honeywell".