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Turbolinux und Linuxcare planen Hochzeit

15.01.2001
Die lang erwartete Konsolidierung im Linux-Markt scheint zu beginnen: Turbolinux und Linuxcare bestätigten Verhandlungen über eine Fusion der beiden Unternehmen.

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Die beiden amerikanischen Linux-Firmen Turbolinux und Linuxcare verhandeln derzeit über eine Fusion. Noch ist der Deal nicht perfekt, allerdings bestätigten beide Firmen die Unterzeichnung einer entsprechenden Absichtserklärung (Letter of Intent). Finanzielle Details wurden nicht bekannt. Mit der Übernahme von Linuxcare würde Turbolinux seine Aktivitäten auf den Servicebereich ausweiten.

Turbolinux mit Sitz im kalifornischen Brisbane definiert sich als Lösungsanbieter im Linux-Umfeld. Das Unternehmen unterstützt unter anderen die "E-Server"-Reihe von IBM mit Anwendungen rund um das offene Betriebssystem und optimiert Linux für Server-Anwendungen wie Big Blues Datenbank DB2 oder "Oracle 8i". Mit dem "Turbolinux Cluster Server" und "Enfuzion" hat die Company ferner Cluster-Lösungen im Angebot. Zu den Investoren der Firma gehört neben Hewlett-Packard (HP) und Intel auch IBM. Erst vor kurzem erweiterte letzteres Unternehmen seinen Kooperationsvertrag mit dem Linux-Anbieter, der neben der IBMs "DB2" nun auch das gesamte Software-Angebot von Big Blue im Bündel mit seinem Linux-Derivat an seine Kunden vertreiben kann (Computerwoche online berichtete).

Turbolinux, das neben Red Hat, Suse und Caldera zu den großen vier Distributoren im Linux-Markt gehört, würde mit der Akquisition des Service-Providers aus San Franzisko geschäftliches Neuland betreten und eine Lücke in seinem Portfolio schließen. Linuxcare bietet keine eigene Software, dafür jedoch Dienstleistungen wie technischen Support und Training für mehr als 30 im Markt erhältliche Varianten des offenen Betriebssystems. Ein Sprecher des Unternehmens hält einen Zusammenschluss mit Turbolinux für plausibel: "Wir haben Services, sie haben Produkte." Ein weiteres Bonbon für Turbolinux sei die "große Sammlung von Gurus und Open-Source-Experten" bei Linuxcare.

Bei einer Zusammenlegung der beiden Firmen soll der Support von Linuxcare für die Konkurrenzprodukte des Käufers keineswegs auf Eis gelegt werden. Paul Thomas, Chief Executive Officer von Turbolinux, begründete diese Entscheidung damit, dass Anwender selten nur eine Linux-Version im Einsatz hätten. Er sicherte künftig Neutralität zu: "Wir wollen, dass Linuxcare weiterhin als Schweiz des Linux-Markts fungiert."

Ob es im Falle einer Fusion zu Entlassungen kommen werde, wollte der Linuxcare-Sprecher nicht sagen. Eingeweihte Kreise wollen jedoch von möglichen Stellenkürzungen auf allen Ebenen, vor allem aber in den Finanz- und Personalabteilungen erfahren haben. Die Kombination der beiden Firmen wäre laut Linuxcare jedoch kein Versuch, die Bargeld-Pools der beiden Unternehmen zusammenzulegen. Der Dienstleister hatte im vergangenen August in einer dritten Finanzierungsrunde eine Summe von 30 Millionen Dollar unter anderem von den Branchenschwergewichten Sun, Compaq, Dell sowie Motorola ergattert. Auch Turbolinux konnte im Oktober 2000 weitere 30 Millionen Dollar Risikokapital gewinnen.

Dan Kusnetzky, Analyst beim Marktforschungsunternehmen International Data Corp. (IDC), hält eine Fusion der Linux-Spezialisten für sinnvoll. Gerade für Turbolinux würde sich der Eintritt in den Dienstleistungssektor wegen der Erschließung neuer Einnahmequellen lohnen. "Der reine Verkauf von Linux-Software ist ein Verlustgeschäft," erklärte Kusnetzky gegenüber dem Brancheninformationsdienst "Computerwire". "Geld macht man mit Services, Training und Support. Die Gewinner in jeder Konsolidierung sind diejenigen, die in möglichst vielen Bereichen mitspielen."

Ob Turbolinux an seinem für Oktober 2001 geplanten Börsengang festhält, ist unklar. Die Company hat sich im Vorfeld durch Entlassungen und die jüngste Finanzierungsrunde für sein Going Public fit gemacht und hofft, im Falle eines IPO (Initial Public Offering) rund 60 Millionen Dollar einzunehmen. Linuxcare wollte ursprünglich im vergangenen April an die Börse gehen, blies das Going Public aber nach dem Rücktritt von Chief Executive Officer Fernand Sarrat ab. Im Mai 2000 entließ der Linux-Dienstleister dann auch noch ein Viertel seiner Belegschaft. Linuxcare musste im Oktober zudem seine Aktivitäten in Europa einstellen und in der alten Welt rund 20 Prozent seiner Mitarbeiter entlassen.