TUI steuert Buchung per Boni

07.02.2005
Gemeinsam mit der Commerzbank hat der Tourismuskonzern ein Bonusprogramm aufgesetzt, mit dessen Hilfe er die Konsumgewohnheiten seiner Kunden zu beinflussen hofft.

Bonussysteme sind der sprichwörtliche letzte Schrei im Bemühen um Kundenbindung. Mit Beginn der Wintersaison 2004/05 hat sich auch der in Hannover ansässige Touristikkonzern TUI diesem Trend angeschlossen. Gemeinsam mit der Commerzbank und dem Kreditkartenunternehmen Visa gibt er eine Kundenkarte heraus, die bei jedem Einkauf das Sammeln von Punkten ermöglicht. Diese "Bonitos" lassen sich später in Prämien umwandeln.

Handelsunternehmen wie Karstadt - im "Happy-Digits"-Verbund - oder DM Drogeriemarkt - bei der Konkurrenzveranstaltung "Payback" - wollen mit Hilfe der Kundenkarten vor allem die anonyme Masse der Käuferinnen und Käufer identifizieren, segmentieren und gezielt ansprechen. Das steht für die TUI nicht im Vordergrund. "Wir kennen unseren Kunden bereits", erläutert Carsten Cossmann, Leiter Gruppenreisen & Kundenkarten bei der Konzernmutter sowie Prokurist der Betreibergesellschaft Bonitos GmbH & Co. KG. Schließlich habe sich jeder Reisende mit Namen und Adresse angemeldet. Außerdem konnte die TUI zu Marktforschungszwecken bereits auf ihre 1989 eingeführte "World of TUI Card" zurückgreifen.

Das Bonusprogramm zielt also weniger auf die Analyse des Kundenverhaltens als auf dessen Beeinflussung - oder wie Cossmann es formuliert: "Der Mehrwert für uns besteht nicht im Sammeln von Daten, sondern in der Konsumsteuerung." Wie das funktioniert? "Der Kunde wird für ein bestimmtes Verhalten belohnt", ergänzt Wolfgang Schneider, Abteilungsdirektor bei der Commerzbank, die das Bonitos-Programm als Finanzdienstleister begleitet und 50 Prozent an der Abwicklungsgesellschaft hält. So vergibt TUI für die Buchung bestimmter Hotels die drei- oder sogar fünffache Anzahl von Bonitos. Dadurch macht der Reiseveranstalter Häuser, denen er ein großes Zimmerkontingent abnimmt, attraktiver, ohne den Übernachtungspreis zu senken. Auch die Auslastung der Flug- und Zimmerkontingente ("Yield Management") lässt sich auf diese Weise verbessern - durch Incentivierung der von "Feiertags-Arithmetikern" oder Eltern schulpflichtiger Kinder weniger begehrten Termine.

Vier Komponenten ergeben das Gesamtsystem

Das Gesamtsystem setzt sich aus vier Hauptkomponenten zusammen. Die von Atos Origin stammende "Worldline"-Applikation des Partners Visa stellt die führende Kundenbestands-Datenbank dar. Sie wird regelmäßig mit der Kundendatenbank der TUI abgeglichen. Für die Finanztransaktionen steht die Commerzbank mit ihren Verarbeitungsfunktionen gerade. Das eigentliche Bonusprogramm läuft jedoch auf der Anwendung "Premium", die in der spanischen Softwareschmiede Globalia Sistemas entwickelt wurde. Die Standardsoftware musste allerdings erst an die Anforderungen eines Pauschalreisenanbieters angepasst werden.

Premium läuft als Web-Applikation auf einem zentralen Sun-Solaris-Server. So können alle im Berechtigungssystem erfassten TUI- und Commerzbank-Mitarbeiter darauf zugreifen, ohne die Konsistenz der redundanzfrei gespeicherten Daten zu gefährden. Aus Sicherheitsgründen ist das System komplett gespiegelt.

Die Applikation basiert auf dem Datenbank-Management-System Oracle 9i Application Server (AS). Sie verarbeitet die für das Bonusprogramm notwendigen Prozesse, stellt Schnittstellen zu den verschiedenen Kommunikationskanälen (Internet, Fax und SMS) bereit, ermöglicht die Abfrage des jeweiligen Punktekontos und präsentiert den Prämienkatalog. Prämienbestellungen an die Adresse von Partnerunternehmen werden für den Kunden transparent weitergeleitet. Und selbstverständlich gibt es auch eine Schnittstelle zum Data-Warehouse-System, das mit Cognos-Software arbeitet.

Aufbauend auf den Informationen über die Reisegewohnheiten bestimmter Kundengruppen ließe sich das System auch für ein wirkungsvolles Kampagnen-Management nutzen. Über diese Möglichkeit werde bereits nachgedacht, versichert Leon Karspeck, der für die Touristik- und Transportindustrie zuständige Manager der MSG Systems AG mit Hauptsitz in München. Das 1800 Mitarbeiter starke IT-Serviceunternehmen, dessen Touristikspezialisten in unmittelbarer Nähe zur TUI-Zentrale residieren, ist der deutsche Vertriebspartner von Globalia Sistemas und verantwortete als Generalunternehmer die Anpassung und Einführung des Systems.

Dienstleister übernimmt auch das Hosting

Zusätzlich übernahm MSG Systems das Hosting und die Anwenderunterstützung via Call-Center, obwohl der TUI-Konzern mit der TUI Infotec und der TUI Interactive gleich zwei eigene IT-Dienstleister im Haus hat. Doch im Touristikgeschäft gibt es nur zweimal im Jahr die Chance, etwas Neues einzuführen - jeweils zum Start der Sommer- und der Wintersaison. Deshalb favorisierte die Bonitos GmbH & Co. KG als Auftraggeberin eine "Lösung aus einer Hand": Sie bedeute geringere Komplexität und damit einen Geschwindigkeitsvorteil - zumal die MSG aufgrund der engen Beziehung zum spanischen Entwicklungspartner die sprachlichen und kulturellen Hindernisse leichter habe überwinden können.

Als "besondere Herausforderung" des im Spätsommer 2004 abgeschlossenen Projekts bezeichnen TUI und Commerzbank die Umstellung der 460 000 "Bestandkunden", also der Inhaber einer World of TUI Card. Um nicht gegen Bestimmungen des Datenschutzes zu verstoßen, durfte die Betreibergesellschaft keinesfalls einfach auf die von der TUI angelegten Datensätze zugreifen. Vielmehr mussten die Informationen bis zur erneuten Anmeldung anonymisiert werden.

Rund 50 000 Inhaber der World of TUI Card haben sich in den ersten sechs Wochen nach der Bonitos-Einführung registrieren lassen, so die offizielle TUI-Mitteilung. Der Veranstalter hat das Buchungsverhalten dieser Kunden auch schon einer ersten Auswertung unterzogen. Demnach wurden die besonders incentivierten Hotels auffallend häufig von Inhabern der neuen Bonuskarte gebucht.

Das Bonitos-Team denkt bereits darüber nach, das Programm zu erweitern - beispielsweise in Richtung auf eine Statusvergabe. Damit wäre es der TUI möglich, besonders lukrative Kunden offen zu bevorzugen - ohne dabei den Rest der Klientel vor den Kopf zu stoßen.