Reduktion von Schnittstellen als Prinzip, zentrale Datenbasis als integrales Element:

TÜV integriert Teletex in /370-Umgebung

27.01.1989

Traditionell werden in vielen Unternehmen immer noch die Verbindungen mit der Außenwelt getrennt vom DV-System über isolierte Fernschreib-Inseln Geführt. Der TÜV-Stuttgart hat jetzt eine voll Integrierte /370-Lösung auf Basis des Teletex-Dienstes realisiert. Über Konzeption, Erfahrungen und Perspektiven berichten Ulrich Wondra und Michael Kortner.

Bereits im Jahre 1982 wurde beim TÜV-Stuttgart mit der Realisierung eines neuen DV-Konzepts begonnen, das in seiner Zielsetzung den voraussichtlich zu erwartenden informationstechnologischen Bedarf des Unternehmens bis weit in die 90er Jahre zu umfassen versucht. Als wichtigste Strategie wird dabei die weitestgehende Integration aller Daten von der oparationalen Ebene bis zur individuellen Datenverarbeitung angestrebt.

Dieser Integrationsansatz setzt in erster Linie die Reduktion von Schnittstellen voraus. Denn jede Schnittstelle muß DV-technisch programmiert und gepflegt werden. Wir haben uns neben anderen Gesichtspunkten für ein Betriebssystem (VM/CMS) entschieden, das sowohl für die technisch-wissenschaftlichen als auch die kaufmännischen Anwendungen eingesetzt wird.

Da sich - bezogen auf den jeweiligen TÜV-Kunden - die Datenbestände für die technischen Sachverständigen und die Verwaltungsmitarbeiter deutlich überschneiden beziehungsweise ergänzen und die Gutachten wie auch die kaufmännische Bearbeitung im wesentlichen auf den gleichen technischen Ausgangsdaten aufsetzen, wurde eine zentrale Datenbasis (SQL/Data System) für alle Anwendungen als integrales Element vorgesehen.

Einheitliche Datenstruktur als erster Schritt

Die dritte Basisfunktionalität liefert die Textverarbeitung. Hier wiederum war eine wichtige Aufgabe, während der Bearbeitung den Rückgriff auf die vielfach bereits vorhandenen Daten zu ermöglichen. Die Festlegung einer einheitlichen Datenarchitektur für das Hostsystem und die PC-Ebene war der notwendige erste Schritt. Wir haben deshalb als zentrales Textsystem unter VM das Produkt IBM /370Text eingesetzt. Um eine einheitliche Architektur (DCA/DIA) auch für dezentrale Arbeitsplätze zu bekommen, wurden gleichzeitig die am Host angeschlossenen PCs mit IBM /PCText ausgestattet und unternehmensweit für die Textverarbeitung vorgegeben.

Darüber hinaus entwickelte der TÜV für seine spezielle Konfiguration eine aus der operationalen wie der individuellen Ebene gleichartige Benutzeroberfläche (ähnlich IBM PC Text 3 /IBM 6580). Die von uns VMText benannte Benutzeroberfläche für IBM /370Text wird inzwischen als Demonstrationsprodukt auch in den Vertriebszentren der IBM GmbH in Südwestdeutschland gezeigt und bietet den Anwendern einen einheitlichen Zugriff auf alle wichtigen DV-Funktionalitäten für die Nutzung des IBM /370Text-Produkts.

Damit unterstützt dieses DV-Basiskonzept sowohl die stark dezentral ausgerichteten Ablaufstrukturen der technisch-wissenschaftlichen Fachbereiche als auch die integrativ zu nutzenden zentralen Dienstleistungen. In der Praxis können so zum Beispiel die Fachbereiche in der relationalen Datenbank gespeicherte Vorgänge einer technischen Anlage über ein Terminverfolgungssystem für ihre täglichen Arbeiten aktivieren, diese Daten mit der Textverarbeitung und der operationellen Verarbeitung verknüpfen und damit ein Anschreiben oder ein Gutachten erzeugen.

Was zu einem sinnvollen Abschluß dieses Prozesses noch fehlte, war die Integration der Kommunikation. Da im wesentlichen die Fachbereiche selbst mit den Kunden kommunizieren, ergab sich die Notwendigkeit, ein Medium zur Verfügung zu stellen, das den direkten Kundenkontakt unterstützen konnte. Die Entscheidung fiel hier sehr frühzeitig - und vom Grundsatz her auf Teletex. Ausschlaggebend war dabei zunächst die höherwertige Form der Textdarstellung mit gleichzeitiger Verfügbarkeit des Teletex-Zugriffs. Darüber hinaus sahen wir in der höheren rechtlichen Verbindlichkeit einer Teletex-Mitteilung als (eingeschriebener) Handelsbrief beziehungsweise Auftragsbestätigung im Vergleich zur Telex-Nachricht ein wichtiges Kriterium. Hinzu kamen Kostenaspekte durch niedrigere Übertragungsgebühren sowie geringere Leitungs- beziehungsweise Anschlußkosten.

Host als Fileserver für Kommunikation

Die technische Aufgabenstellung bestand demnach darin, den Teletex-Dienst in die vorhandene Hard- und Softwarestruktur zu integrieren und eine dezentrale Nutzungsmöglichkeit zu schaffen. Faktisch bedeutet dies, das Hostsystem als File-Server für die Kommunikation einzusetzen, um die zentral an das Unternehmen herangetragenen Mitteilungen dezentral an die Fachbereiche weiterzuleiten.

Leider mußten wir bei unseren Marktanalysen feststellen, daß es eine Teletex-orientierte Lösung für das /370-System unter VM/CMS noch nicht gab. Allerdings fanden wir eine vergleichbare Teletex-Lösung für die /3x-Welt, bei der der Handshake zwischen der Post und dem DV-System über einen PC mit Hilfe des Universellen Teletex/Telex-Controllers von mbp vorgenommen wurde. Dieses Konzept auf die /370-Welt zu übertragen, schien uns ein akzeptabler Ausweg, weil unter VM eine PC-Unterstützung relativ leicht zu realisieren ist.

Da zudem die Teletex-/3x-Lösung sehr ausgereift war, entschieden wir uns zur Portierung dieses Produkts in die /370-Welt. Mit Unterstützung der ADS EDV-Marketing GmbH, Düsseldorf, die den PC-seitigen Handshake zum Host zur Verfügung stellte, entwickelten wir in der Folge diesen Ansatz weiter zu einem leistüngsfähigen /370-Teletex-Kommunikationssystem.

Spezieller Teletex-Editor angepaßt

Dabei war die wichtigste Aufgabe, eine Benutzeroberfläche zu schaffen, die den vom PC eingehenden Teletex-Datenstrom in der einen Richtung aufnimmt, verteilt und ausdruckt. In der anderen Richtung muß ebenfalls ein Datenstrom erzeugt werden, der dann vom PC aufgenommen und an die Post weitergegeben wird.

Diese Aufgabe wurde entsprechend der Grundkonzeption - Nutzungsmöglichkeit durch jeden Anwender aus der Textverarbeitung heraus und mit möglichst wenigen Schnittstellen - realisiert. Insbesondere konnten die TÜV-Mitarbeiter die eigene Benutzeroberfläche VM-Text nutzen beziehungsweise integrieren und die Anbindung an den Texteditor IBM /370Text und den Textformatierer IBM-DCF schaffen.

Zusätzlich ergab sich durch die einheitliche DCA/DIA-Architektur die Möglichkeit, auch die, mit IBM-PCText ausgestatteten Systeme in die Teletex-Lösung einzubinden. Die erstellten Dokumente können jetzt ohne den Verlust irgendwelcher Daten oder Formatierungen im Host abgelegt, dort mittels VMText weiterverarbeitet und per Teletex versandt werden.

Der Leistungsumfang der TÜV-Lösung orientiert sich weitestgehend an dem des /3x-Produktes der ADS. So ist neben dem IBM-XEdit-Editor ein spezieller Teletex-Editor angepaßt, der das Erstellen einfacher Dokumente unterstützt. Die Versandauswahl erfolgt dann aus einer zentral geführten CMS-Adreßdatei heraus per Matchcode-Suche oder durch manuelle Eingabe.

Der Anwender kann den Versendezeitpunkt frei bestimmen. Das Teletex-System legt ihm dazu die jeweiligen Gebühren für alle möglichen Tarife als Entscheidungshilfe vor. Ebenfalls unterstützt wird der Versand eines Texts an mehrere Empfänger (Rundsenden).

Auf der Empfangsseite haben wir als für uns entscheidendes Leistungsmerkmal die Möglichkeiten des Teletex-Dienstes zur Nachwahl ausgenutzt. Dadurch können wir jetzt direkt den einzelnen Arbeitsplatz er. reichen, ohne über manuelle Verteilfunktionen arbeiten zu müssen. Die Identifikation der entsprechenden Durchwahlnummern wird beim Teletex-Ausgang automatisch mit angegeben.

Der als Gateway-PC eingesetzte PC arbeitet ohne manuelle Eingriffe im "endlosen" Betrieb. Er kann unabhängig vom /370-System Aufträge abwickeln (senden, empfangen), beispielsweise bei Nacht. Gleichzeitig gewährleistet er die Aufrechterhaltung der Kommunikationsfähigkeit nach außen, beispielsweise bei Systemausfall des Hostrechners.

Das Teletex-System ist seit einiger Zeit im Einsatz und arbeitet ohne Probleme. Empfangsfähig sind alle am Host angeschlossenen Arbeitsplätze mit Terminals und PCs; versandfähig sind diejenigen Benutzer, die innerhalb der Fachbereiche für diese Funktion berechtigt wurden.

Vor allem die Berücksichtigung der vorhandenen DV-Infrastruktur hat, so die TÜV-Entwickler, die Einführung erleichtert. Da der Kommunikationsdienst mit der Textverarbeitung voll integriert ist, kann der Anwender seinen Erfassungsaufwand deutlich reduzieren. Das drückt sich einerseits aus in der Verwendung vorhandener Datenbestände für die Kommunikation, andererseits in der Übernahme gesendeter Daten (Bestelldaten, Lieferbedingungen, Vertragsbestimmungen) in die operationale oder individuelle Verarbeitung.

Überraschend schnell für die Entwickler ist das Teletex-System akzeptiert worden. Der Teletex/-Telex-Verkehr steigt rapide an, wobei allerdings derzeit ein Rückgang der Papierkommunikation noch nicht zu beobachten ist. Die Auswirkungen liegen vorerst vor allem im Bereich der Beschleunigung der Kommunikation. Als Folge aus der lokalen Verfügbarkeit und einfachen Bedienung - wurde das gesamte Unternehmen Zeit- und Kundennäher.

Wirtschaftlichkeitsbetrachtung positiv

Zu berücksichtigen ist insbesondere auch die höhere Erreichbarkeit des Sachbearbeiters am Arbeitsplatz. Insgesamt, so die TÜV-Experten, sei vor dem Hintergrund zeitkritischer Abstimmungsprozesse mit dem Kunden, ein wesentlich besserer Service möglich geworden zumal Telefon oder Brief auch für den Kunden häufig deutlich teurer sind. Die Möglichkeit, hier preisgünstiger, schneller und zuverlässiger zu kommunizieren, läßt auf jeden Fall die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung positiv ausfallen.

Die zukünftige Entwicklung des TÜV-Teletex-Systems zielt vor allem auf eine weitere funktionale Optimierung. Ein Beispiel dafür ist die Integration der bisher redundanten Teletex-Adreßdatei in die zentrale Datenhaltung. Statt auf einen CMS-File muß auf die relationale Datenbank (SQL/DS) zugegriffen werden. Nachdem IBM innerhalb von SAA Konzeption jetzt SQL/DS als Standard festgeschrieben hat, wird dieser Weg in Zukunft unterstützt.

Teletex auch ein Hintergrundsystem

Eine weitere Perspektive ist der Ausbau der Integration in die operationale DV. Von unserer Konzeption her ist Teletex sowohl eine Dialogschnittstelle für den Anwender als auch ein Hintergrundsystem, das vollautomatisch allein ablaufen kann. Damit lassen sich prinzipiell bedienerlos aus dem normalen Unternehmensfluß Daten gewinnen und an die Kunden schicken. Man kann Kunden anschreiben, um zum Beispiel Prüfungstermine anzukündigen, oder man kann Angebote per Rundsenden verteilen und das Ganze durch ein zyklisch arbeitendes Marketingsystem anstoßen. Die entsprechenden Planungen für die Integration des Teletex-Systems in das Terminverfolgungssystem sind beim TÜV-Stuttgart bereits aufgenommen worden.

Als interessant hat sich auch der Einsatz von Teletex für die reine DV-Kommunikation herausgestellt. Hier werden die Möglichkeiten zum Binärfile-Transfer bereits mit mehreren Partnern genutzt. Mit dem zuständigen technischen Außendienst der IBM werden PTFs (Programm Temporary Fix), die von der IBM bei Softwarefehlern ausgeliefert werden, in dringenden Fällen als Datenstrom per Teletex an den TÜV versandt.

Aufgrund der offenen Marktsituation und der positiven Perspektiven für die /370-Teletex-Lösung hat sich der TÜV-Stuttgart bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt entschieden, das gesamte Konzept als Produkt im Markt zu positionieren. Wesentlicher Anspruch war dabei die Reduktion der Hard- und Softwarevoraussetzungen auf möglichst wenige Komponenten im Sinne einer hohen Wirtschaftlichkeit.

Die Entwicklung erfolgte deshalb von Anfang an in Richtung auf eine /370-Teletex-Oberfläche, die keinerlei spezifische Formatierer oder Editoren verlangt. Das Teletex-System nutzt lediglich Funktionen des Betriebssystems, so daß prinzipiell nur VM/CMS erforderlich ist. Lediglich bei Einsatz der zentralen Drucker muß zusätzlich ein Spooling-System (zum Beispiel RSCS) vorhanden sein.

Auch in der Weiterentwicklung ist man dem Minimierungsprinzip gefolgt. Da ausschließlich auf sehr stabile Standardschnittstellen aufgesetzt wurde, sind die Produkte langfristig unabhängig von Releasewechseln auf IBM-Seite und können sich so leicht nicht auseinanderdividieren.

So wurde zum Beispiel auch die Teletex-Benutzeroberfläche in der Standard-Interpretersprache Rexx erstellt, und ist somit vom Anwender leicht an die jeweiligen kundenspezifischen Anforderungen anzupassen. Sie enthält zudem ein zentrales CMS-Message-File, in dem sämtliche Menüs und Fehlermeldungen für den Endbenutzer direkt zugänglich abgebildet sind.

Der TÜV-Stuttgart stellt dem Markt in Zusammenarbeit mit seinem Vertriebspartner, der ADS EDV-Marketing GmbH, Düsseldorf, die Teletex-Lösung mit Schnittstellen zur Dokumentenherstellung und -versand zur Verfügung. Darüber hinaus bietet er Anbindungen für /370Text, Büroumgebung VMText sowie das IBM-Bürokommunikationssysteme Profs.