Technologien im LAN/Höherer Durchsatz und automatische Fehlertoleranz

Trunking merzt die verbleibenden Schwächen des Ethernet aus

01.10.1999
Einige Nachteile hat Ethernet im Lauf der Entwicklung ausgebügelt: Kollisionen verschwanden mit dem Full-Duplex-Betrieb, und seit dem Gigabit-Standard ist hohe Übertragungskapazität verfügbar. Eine Schwäche bleibt jedoch der Einsatz von Spanning Tree für redundante Verbindungen. Volker Herten* sieht in der Bündelung von Leitungen (Trunking) eine Lösung, die sowohl Investitionsschutz bietet als auch den steigenden Anforderungen genügt.

Spanning Tree hat zwei wesentliche Nachteile: Erstens werden alle redundanten Verbindungen deaktiviert. Lediglich im Fehlerfall schaltet es auf einen redundanten Weg um, teure Switchports und Lichtwellenleiter-Verbindungen bleiben im Normalbetrieb ungenutzt. Zweitens laufen für die Umschaltung Softwareprozeduren ab, die je nach Störfall 30 Sekunden bis zwei Minuten dauern können. In der Zwischenzeit findet bei den beteiligten Switches kein Datentransport statt; somit können Session-Abbrüche entstehen. Beides ist mit den Anforderungen an einen modernen LAN-Betrieb nicht mehr vereinbar.

Zur Abhilfe entwickelten Spezialisten sogenannte Trunking-Konzepte. Mehrere physikalische Interfaces und die angeschlossenen Leitungen werden zu einem sogenannten Trunk gebündelt. Er arbeitet im Normalbetrieb lastverteilt über alle Verbindungen und schaltet im Fehlerfall den Datentransport im Millisekunden- bis Sekundenbereich auf die verbleibenden Leitungen um. Dies gilt allerdings nur für pa- rallele Verbindungen gleicher Geschwindigkeit im Full-Duplex-Betrieb.

Herstellereigene Trunking-Verfahren hat als erster Anbieter Cisco vermarktet (Ether Channel), gefolgt von Cabletron (Smart Trunk) und Nortel/Bay (Multilink Trunking). 3Coms Link Aggregation kam mit Verspätung hinterher. Trunking läßt sich für Switch-Switch- oder Switch-Server-Kopplungen einsetzen. Die maximale Anzahl paralleler Verbindungen liegt je nach Lösung zwischen vier und acht Leitungen bei Switches beziehungsweise zwei und 32 bei Server-Interfaces.

Damit erhöht sich die Kapazität einer Backbone-Kopplung zum Beispiel von 1 Gbit/s Ethernet auf 4 Gbit/s oder 8 Gbit/s Ethernet. Ist kein Gigabit-Ethernet möglich, weil die Entfernungen 550 Meter überschreiten und keine Single-Mode-Glasfaser im Backbone zur Verfügung steht, läßt sich mit parallelen 100-Mbit/s-Verbindungen der Backbone immerhin auf bis zu 800 Mbit/s zwischen jeweils zwei Geräten aufrüsten.

Für 1999 hat 3Com mit Multipoint Link Aggregation (MPLA) eine Lösung angekündigt, die über zwei zentrale Switches nicht-parallele Trunks betreibt. Das zugehörige Protokoll heißt Trunk Control Message Protocol (TCMP). Das Konzept ist jedoch aktuell noch nicht erprobt und daher als Papierlösung einzustufen. Der angekündigte Auslieferungstermin wurde wie so oft nicht eingehalten.

Ein Standard ist unter dem Namen Link Aggregation seit Mitte 1998 bei der IEEE 803.2ad Arbeitsgruppe in Arbeit. Alle technischen Fragen sind soweit gelöst, daß die Arbeitsgruppe darüber abstimmen kann. Bei positivem Ergebnis erwarten die Mitglieder keine inhaltlichen Änderungen mehr, und der für das erste Quartal 2000 angekündigte Termin der Verabschiedung kann vermutlich eingehalten werden.

Um alle Frames einer Session über dieselbe physikalische Verbindung zu transportieren und so ein Vertauschen der Reihenfolge zu vermeiden, regelt der Standard die Verteilung von Frames über die MAC-Adressen, im Detail ist sie aber der jeweiligen Implementierung freigestellt. Für verschiedene Konfigurationen eignen sich unterschiedliche Verfahren am besten: Bedient ein einzelner Server viele Clients, macht die Aufteilung nach MAC-Zieladressen von den Clients zum Server keinen Sinn, die Aufteilung nach Quell-Adressen jedoch schon. Vom Server zu den Clients ist umgekehrt nur die Aufteilung nach MAC-Zieladressen sinnvoll.

Anders als bei den Herstellerlösungen muß die Link Aggregation nicht manuell konfiguriert werden, sondern die beiden beteiligten Geräte können diese via Link Aggregation Control Protocol (LACP) automatisch aushandeln. Unterstützen zwei benachbarte Switches Link Aggregation, wird diese automatisch aktiv und nutzt mehrere vorhandene Leitungen parallel lastverteilt.

Alle Ports in einem Switch oder Server, die zu einem Trunk konfiguriert sind, benutzen dieselbe MAC-Adresse. Welche das ist, ergibt sich automatisch: Alle Ports eines Switches oder Servers erhalten eine Kennung, eine als Trunk gebündelte Portgruppe erhält die MAC-Adresse des Ports mit der niedrigsten Kennung. Da ein Trunk mit einer einzigen MAC-Adresse arbeitet, ergibt sich natürlich ein Analyse-Problem: Im Fehlerfall läßt sich nicht mehr an der MAC-Adresse erkennen, welche Leitung den Fehler aufweist. Hierfür muß die Abfrage zusätzlicher Management-Parameter in entsprechende Analyse-Tools implementiert werden.

Für größere Netze reicht nach wie vor eine reine MAC-Kopplung nicht aus, sondern es ist der Betrieb mehrerer Subnetze mit gerouteter Verbindung erforderlich. In diesem Fall lassen sich beim Einsatz von Layer-3-Switches subnetzinternes Trunking und subnetzübergreifende Lastverteilung mit modernen Routing-Verfahren wie Open Shortest Path First (OSPF) gut kombinieren, da diese Geräte beide Techniken unterstützen.

Trunking anstelle von oder in Kombination mit Spanning Tree entwickelt sich zunehmend zur etablierten Technik, um hohe Durchsatzkapazität und schnelle Fehlerumschaltung im Backbone oder zwischen Switch und Server zu erreichen. Die Kombination mit Backbone-übergreifenden virtuellen LANs (VLANs) ist möglich, aber nicht sehr erstrebenswert, da sie zu komplexen und wenig übersichtlichen Strukturen führt. Falls ein Betrieb mehrerer Subnetze erforderlich ist, sollte dies eher mit Layer-3-Switches und subnetzinternen Trunks realisiert werden als durch virtuelle LANs.

Vorteile

Der Einsatz von Trunking in einer kombinierten Netzwerkstruktur mit Layer-2/3-Switching bringt eine Reihe von Vorteilen:

- Redundanz bei gleichzeitiger Lastverteilung,

- gute Skalierbarkeit der Kapazität innerhalb eines Subnetzes, zum Beispiel Etagen- oder Backbone-Anbindung,

- schnelle Umschaltung im Fehlerfall,

- Schaffung von Broadcast-Domänen angemessener Größe,

- flexible Subnetzkonfigurierung innerhalb der Gebäude,

- gute Skalierbarkeit für Server-Anbindung,

- Herstellerkompatibilität bei Nutzung des Standards, insbesondere zwischen Server und Switch,

- Option auf die zukünftige Implementierung von Dienstgüte-Funktionen durch Klassifizierung und Priorisierung.

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Spanning Tree bleibt eine Schwäche von Ethernet: Erstens werden redundante Verbindungen im normalen Betrieb nicht genutzt, sondern nur eingeschaltet, wenn auf der einen Leitung ein Fehler aufgetreten ist. Zweitens laufen für die Umschaltung Software-Prozeduren ab, die bis zu zwei Minuten dauern und Session-Abbrüche verursachen können. Bei beiden Problemen bietet die Bündelung von Leitungen und Interfaces ("Trunking") Abhilfe. Zwischen allen parallelen Verbindungen herrscht Lastverteilung, auch die Umschaltzeiten liegen niedriger. Das erhöht den maximalen Durchsatz und die automatische Fehlertoleranz. Seit Mitte 1998 ist ein Standard namens Link Aggregation in Arbeit. Voraussichtlich wird er im ersten Quartal 2000 verabschiedet.

*Volker Herten ist Mitarbeiter der UBN Unternehmensberatung Netzwerke in Aachen.