Handy-TV

Trübe Aussichten: Die Zukunft des Handy-TV

12.02.2008
Von Handelsblatt 
Das Handy-TV-Konsortium Mobile 3.0 will bis zum Start der Fußball-Europameisterschaft den Sendebetrieb in mehreren Ballungszentren aufnehmen, doch das Unternehmen kämpft mit zahlreichen Problemen. Ohne Anschubhilfen wie Großereignisse dürfte Handy-TV in Deutschland künftig ein Nischendasein führen.

DÜSSELDORF. Wenn die deutschen Nationalspieler im Juni bei der Europameisterschaft in Österreich gegen den Ball treten, dann werden Millionen Deutsche vor den Bildschirmen hängen. In Kneipen, öffentlichen Plätzen - oder vor dem Handy. Das ist zumindest das Ziel, das sich das Handy-TV-Konsortium Mobile 3.0 gesetzt hat. Noch steht aber keineswegs fest, dass Fußballfans die EM-Spiele tatsächlich auf ihrem Mobiltelefon anschauen können. Das Konsortium will bis Anfang Juni in mehreren Ballungszentren den Sendebetrieb aufnehmen - doch bis dahin müssen noch viele offene Fragen geklärt werden. "Der Zeitplan ist sehr eng", sagte Mobile-3.0-Chef Rudi Gröger dem Handelsblatt.

Ohne die Anschubhilfe durch Großereignisse wie die Europameisterschaft dürfte Handy-TV in Deutschland auf absehbare Zeit ein Nischendasein fristen. Dass das Angebot die Kunden schnell in Massen anlocken wird, erwartet ohnehin heute kaum noch jemand. Auch Gröger gibt sich zurückhaltend: "Das wird ganz langsam anlaufen", erwartet er. Einige Hunderttausend Nutzer sollen es im ersten Jahr werden.

Das Beratungshaus Goldmedia prognostizierte vor einem Jahr noch einen Umsatz mit Handy-TV in Höhe von 655 Millionen Euro im Jahr 2012. Heute hält Goldmedia-Berater Michael Schmid 160 Millionen Euro für wahrscheinlicher. Nach seinen Berechnungen muss das Unternehmen mindestens drei Millionen Kunden gewinnen, um Geld zu verdienen. Dabei geben Studien dem mobilen Fernsehen durchaus gute Chancen auf dem Markt. In Untersuchungen geben etwa acht Prozent der Befragten an, für Handy-TV bezahlen zu wollen. Besonders groß ist die Bereitschaft bei Männern unter 30 Jahren, sich Wartezeiten unterwegs mit TV-Programm zu verkürzen.

Doch Mobile 3.0 kämpft mit Problemen: Der Aufbau der Übertragungsnetze verzögert sich, weil sich die Verhandlungen mit der ehemaligen Telekom-Tochter Media & Broadcast hin ziehen. Zudem scheint die Motivation der großen Mobilfunkanbieter gering, das Angebot zu vermarkten. Gröger, früher selbst Deutschland-Chef von O2, braucht die Telekom -Konzerne aber als Vertriebspartner.

"Wir werden uns schwer tun, ein Spiel zu pushen, bei dem wir nicht dabei sind", sagte O2 -Manager Thomas Lukowsky auf den Münchener Medientagen im November. Die beiden größten Anbieter, T-Mobile und Vodafone, halten sich mit öffentlichen Äußerungen zurück, da die Verhandlungen noch laufen. "Wir warten ab, was Mobile 3.0 uns vorschlägt", sagt eine Vodafone -Sprecherin. Die drei Konzerne hatten sich selbst um die Lizenz für den Handy-TV-Standard DVB-H (Digital Video Broadcasting-Handheld) beworben. Die Landesmedienanstalten entschieden sich aber für Mobile 3.0, hinter dem der südafrikanische Medienkonzern Naspers und die Verlagsgruppen Burda ("Focus") und Holtzbrinck ("Handelsblatt") stehen. Das Konsortium hält jetzt die Fäden in der Hand - und kassiert den größten Teil der Gebühren, die voraussichtlich bei fünf Euro pro Monat liegen. Die Telekom-Konzerne müssen in der zweiten Reihe Platz nehmen, zumindest vorerst.

Seit ihrer Niederlage sehen sich Vodafone und T-Mobile nach alternativen Techniken um, mit denen sie ihren Kunden direkt mobiles Fernsehen anbieten können. So kündigte Vodafone an, auf der Computermesse Cebit Handy-TV mit dem Standard DVB-T vorzustellen, der bereits für viele Fernsehern und Laptops genutzt wird. Zudem rüsten die Konzerne ihre UMTS-Netze auf, um die bescheidene Übertragungsqualität zu verbessern.

Das Rennen ist also noch nicht entschieden. Für Mobile 3.0 spricht, dass das Unternehmen bereits Verträge mit den großen Fernsehsendern abgeschlossen hat. Neben ARD und ZDF werden auch die privaten Sendergruppen RTL und Pro-Sieben-Sat-1 Inhalte liefern. In der Anfangszeit werden sie aber nur das Programm ausstrahlen, dass auch im normalen Fernsehen zu sehen sind.

Um Kunden in großer Zahl zu locken, wird das nicht ausreichen, schätzt Nikolaus Mohr von der Unternehmensberatung Accenture: "Entscheidend für den Erfolg wird sein, dass die Anbieter fürs Handy geeignete Formate entwickeln." Angesichts recht kleiner Bildschirme und meist kurzer Nutzungszeiten sei etwa die Ausstrahlung von Spielfilmen wenig sinnvoll.