IBM-Kurs nur die Spitze des Eisbergs in den USA:

Trotz Zinsrückgang keine Konjunkturbelebung

08.08.1986

Die Kurse der DV-Aktien in den USA leiden in der Mehrzahl unter rückläufigen Gewinnen. Hauptursache hierfür ist die weiterhin enttäuschende Entwicklung des konjunkturellen Wachstums. Die Kapazitätsauslastung in der Industrie sank auf ein neues Tief von nur noch 78 Prozent. Die Wachstumsprognosen für 1987 sind teilweise negativ.

Droht eine Rezession in den USA trotz sinkender Zinssätze? Während sich das Tempo des Wachstums immer mehr verlangsamt, erreichte die Staats-Neuverschuldung die Rekordsumme von 220 Milliarden Dollar im laufenden Jahr. Die fehlenden Impulse dieses "Deficit-spending" auf die Konjunktur irritieren zusehends die Beobachter. Hinzu kommt, daß durch den starken Zinsrückgang ebenfalls eine Konjunkturbelebung hätte erfolgen müssen.

Neues Fünf-Jahres-Tief

Der US-Dollar erreichte ein neues Fünf-Jahres-Tief, trotzdem konnte sich die US-Handelsbilanz aber nicht verbessern. Die fundamentalen Belastungsfaktoren für den US-Dollar (extrem hohe Verschuldung, hohes Handelsbilanzdefizit) werden weiter auf die Bonität drücken. Auch wenn es im laufenden Abwärtstrend immer wieder zu technischen Erholungen kommen wird, scheint der Dollarrückgang noch nicht beendet zu sein.

Dies dürfte mittelfristig dem US-Export nützen. Von dieser Seite wird die einzige positive Einflußgröße für die Konjunktur in den Staaten entstehen können. Diese Belebung wird - aufgrund der für US-Unternehmen verbesserten Währungsrelationen - zu einer wachsenden Wettbewerbsfähigkeit von US-Unternehmen im Datenverarbeitungsbereich führen.

Vor dem Hintergrund der relativ hohen Indexstände, der damit gewachsenen Gefahr einer Marktkorrektur sowie dem noch immer vorhandenen Dollarrisiko fällt es schwer, Einzelempfehlungen für US-Aktien auszusprechen.

Problematische Ertragsentwicklung

Die Abhängigkeit der Kursentwicklung bei den wichtigsten Technologiewerten von der allgemeinen konjunkturellen Lage zeigt sich im scharfen Rückschlag von IBM. Der Titel fiel binnen weniger Tage von knapp 150 auf gut 130 Dollar. Der gleichzeitig veröffentlichte Gewinnrückgang von 3,2 Prozent im ersten Halbjahr enttäuschte die Wall Street zusätzlich. Analysten wie Chairman John F. Akers gehen davon aus, daß nur bei anziehender Konjunktur die positive Gewinnentwicklung der letzten Jahre fortgesetzt werden kann. Wegen der starren, auf hohem Niveau liegenden Kostenstruktur und des massiven Preiswettbewerbs wird IBM ohnedies kaum in der Lage sein, die Gewinnmargen zu verbessern. Berücksichtigt man die für IBM per Saldo positiven Wechselkurseffekte von über 300 Millionen Dollar so wird deutlich, daß das Betriebsergebnis noch schlechter war, als in den Zahlen zum Ausdruck kommt Langfristig orientierte Anleger, die einen Teil ihrer Vermögensdisposition im US-Dollar treffen (Währungsdiversifikation), sollten auf eine Erholung der US-Konjunktur in 1987 setzen und an IBM festhalten.

Wie problematisch die Ertragsentwicklung im amerikanischen DV-Faktor weiterhin ist, zeigen die jüngsten Verlustabschlüsse von Computerversion (3,4 Millionen Dollar Verlust im zweiten Quartal nach minus 19,5 Millionen Dollar), sowie Data General (zwei Millionen Dollar Verlust nach minus 8,3 Millionen Dollar). Vergleichsweise gut gehalten während der laufenden Korrektur hat sich Intergraph Corporation (25,8 Dollar). An dem Titel kann festgehalten werden. Der Baisse entzogen haben sich bisher NCR und Digital Equipment. Vorsichtshalber Bestände auch in diesen stabilen Werten abbauen.

US-Halbleiterwerk weiter unter Druck

Wie angekündigt, befinden sich die US-Halbleiterwerte weiter unter Druck. Eine erneute Verschlechterung der Book-to-bill-ratio führte zusammen mit der allgemeinen Marktkorrektur zu scharfen Kursrückständen. Advanced Mikro Devices (14À? Dollar ) notieren auf einem 3-Jahres-Tief. Texas Instruments fiel von knapp 150 auf 110 US-Dollar, National Semiconductor stürzte von 15 auf neun Dollar, Motorola verlor 15 Dollar (35 nach 40 Dollar). Trotz der scharfen Kursrückgänge in diesem Bereich wegen der immer noch vorhandenen Überkapazitäten US-Halbleiteraktien weiterhin meiden.

Allied Signal weist für das zweite Quartal einen Gewinnrückgang auf 0,99 Dollar nach 1,62 Dollar je Aktie aus - dies trotz eines Umsatzanstiegs auf 2,94 Milliarden Dollar (2,41 Milliarden). Das Ergebnis des zweiten Quartals 1986 enthält die seit 1. Oktober konsolidierte Signal Company sowie einen außerordentlichen Ertrag von 43 Millionen US-Dollar aus Pensionsrückstellungen. Im Vorjahresergebnis war ein außerordentlicher Ertrag von 19 Millionen Dollar aus der Veräußerung der 50prozentigen Beteiligung an Union Texas Petroleum enthalten.

Ebenfalls Gewinnrückgang vermeldet Northern Telecom. 64,9 Millionen Dollar wurden nach 82,4 Millionen Dollar im zweiten Quartal '86 im Vergleich zum Vorjahresquartal verdient. Dies entspricht 50 Cents (nach 66 Cents) je Aktie. Wang Laboratories Inc. konnte im vierten Quartal des Geschäftsjahres (gesplittetes Geschäftsjahr zum 30. Juni) einen Gewinn von 900 000 US-Dollar oder 1 Cent je Aktie vermelden. Im Vorjahr wurde ein Verlust von 109 Millionen Dollar erwirtschaftet. Der Umsatz stieg von 635,2 Millionen Dollar auf 716,8 Millionen Dollar. Einerseits konnten die Aufwendungen im Personalbereich stark reduziert werden. Andererseits entstanden zusätzliche Aufwendungen durch strategische Investitionen im Kommunikations- und Dienstleistungsbereich. Das Unternehmen erwartet für das laufende Geschäftsjahr 30 bis 40 Cents Gewinn pro Aktie.

ITT: Starker Kurssprung

Nachdem die Empfehlung ITT in kürzester Zeit von 45 auf beinahe 60 Dollar gesprungen war, konsolidiert die Aktie jetzt bereits im Bereich um 53 Dollar. Für das zurückliegende zweite Quartal wurde eine Ertragssteigerung gegenüber der gleichen Vorjahresperiode um mehr als 35 Prozent, das entspricht 159,5 Millionen Dollar oder 1,09 Dollar je Aktie, bekanntgegeben. Hierin sind Sondergewinne aus Verkäufen von Aktiva, etwa der Restbeteiligung an der britischen Abbey Life Insurance enthalten. Der operative Gewinn ging (um diese außerordentlichen Beträge bereinigt) leicht zurück. Der starke Kurssprung der Aktie erklärt sich nicht zuletzt durch die Hoffnung, die europäischen Telekommunikationsinteressen (unter anderem auch SEL )an französische Partner abzustoßen. Während sich in diesem Bereich in den USA vor allem AT&T, Northern Telecom und GTE tummeln, sieht die Konkurrenzsituation in Europa viel gedrängter aus. Im Bereich der Telekommunikationssysteme muß sich ITT den europäischen Markt mit Plessey, Italtel, GEC, Alcatel, Ericsson und Siemens teilen.

AT&T drängt zusätzlich in den Markt. Fazit: Die Abkehr vom europäischen Telekommunikationsmarkt sollte ITT guttun. Der jüngste Kurssprung rechtfertigt dennoch Gewinnmitnahmen. Wer dies bisher nicht getan hat, sollte - nicht zuletzt wegen des Dollarrisikos für die Position verkaufen. Erfahrungsgemäß dauert es Monate, bis eine Aktie nach einem 30-Prozent-Kurssprung genügend konsolidiert hat, um weiter steigen zu können.

Der deutsche Aktienmarkt hat seine Korrekturphase noch nicht abgeschlossen. Die Leser . der COMPUTERWOCHE waren auf diese Entwicklung aufmerksam gemacht worden und sollten sich jetzt nicht beirren lassen: Je pessimistischer die Kommentare der Marktbeobachter, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, daß nach monatelanger Konsolidierung ein weiterer Kursaufschwung vor der Tür steht.

Die wichtigsten Börsenbeeinflussungsfaktoren sind positiv. Ausreichend Liquidität ist vorhanden; es herrscht moderates konjunkturelles Wachstum. Die Wahrscheinlichkeit für eine Fortsetzung des Börsenaufschwungs im vierten Quartal an den wichtigen europäischen Märkten ist groß. Selbst wenn der deutsche Markt wegen politischer Irritationen vor der Bundestagswahl nicht nachhaltig steigen kann, bieten die Märkte wie Zürich und Amsterdam gute Chancen.

Siemens veröffentlichte - wie angekündigt - die Erwartung eines Erlösrückgangs um zehn Prozent für das laufende Geschäftsjahr. Dennoch kann an der Siemens-Aktie festgehalten werden. Die Börse hat den Gewinnrückgang schon Ende 1985 geahnt. Siemens war der erste Standardwert, der Kursrückgänge verzeichnen mußte.

Mittel- bis langfristig sucht die Computer 2000 GmbH, München, den Weg an die Börse. Der Hersteller von Peripherie rund um den Personal Computer wird zum 1. Oktober 1986 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden. Die deutsche Gesellschaft für Wagniskapital in Frankfurt hält 25 Prozent des GmbH-Kapitals. Den Rest besitzen drei Gesellschafter. Wir werden rechtzeitig über eine etwaige Neu-Emission berichten.

Nixdorf erhält den angekündigten Auftrag für Cashier- und Fakturiersysteme gegen die direkte Konkurrenz von IBM. Auftraggeber ist eine US-Kaufhauskette .

Obwohl es sich um ein relativ geringes Auftragsvolumen von rund 50 Millionen US-Dollar handelt, bleibt bemerkenswert, daß Nixdorf sich gegen die Konkurrenz von Big Blue durchsetzen konnte. Wichtig für das Unternehmen scheint hierbei vor allem der Zugang zum amerikanischen Markt.