Trotz niedriger Hardware-Margen gute Chancen für den Bürofachhandel:\ Kommerz-Mikros krempeln DV-Landschaft um

22.05.1981

MÜNCHEN - Der Mikrocomputer krempelt, darf man den Prognosen von Forschungsinstituten glauben, die traditionelle DV-Landschaft um. Freut sich allen voran Marktführer Commodore: "Der Mikrocomputer wird noch in einer derartigen Form seinen Weg machen, daß vielen die Ohren schlackern werden." Doch angesichts schrumpfender Hardware-Spannen müssen sich die Hersteller neue Vertriebsmethoden einfallen lassen, um das Ganze profitabel zu halten. Bislang, so Branchenkenner, werde der Anwender noch mit seinem Computer beratungs- und hilflos alleingelassen.

Rund 375 000 installierte Einheiten wird es Ende 1983 allein in der Bundesrepublik geben. Größtes Marktpotential räumt dabei die International Data Corporation (IDC), wie auf der European Computer Industry Briefing Session in München zu hören war, den Kommerz-Mikros oder Personal Computern ein.

Der ursprünglich als "gigantsch" gepriesene Markt der Home- und Hobby-Computer dagegen erwies sich bislang offenkundig als Flop. Dennoch hofft Commodore bis Ende des Jahres - im Hinblick auf das Weihnachtsgeschäft - zahlreich in bundesdeutschen Haushalten vertreten zu sein.

Vorsichtiger ist man dagegen bei Triumph-Adler: "Wir sehen im Augenblick noch keine Notwendigkeit diesen Markt anzugehen." In den "Heim- und Küchenbereich" wollen die Nürnberger Mikro-Hersteller also nicht, dafür aber um so mehr in den Schulungsbereich, in dem die Käufer von morgen sitzen. Der gleichen Meinung ist man bei Apple: "Der Home-Bereich ist doch längst gelaufen." Wer sich dagegen ganz besonders auf dem privaten Markt engagiert, ist Texas Instruments (TI). Mit Slogans wie "Beruflicher Nutzen zu Hause" versuchen sie ihr "zweites Gedächtnis" an den Mann zu bringen. Wie aus Anwenderkreisen zu hören ist, "funktioniert das Ding ja auch, aber mit der Unterstützung liegt's im argen". Und:" Man muß sich natürlich darüber im klaren sein, daß der Heimcomputer ein reines Spielzeug und auch nicht für ein noch so kleines Unternehmen einsetzbar ist." Grund: zu geringe Speicherkapazität und keine Software. Eine fundierte Finanzbuchhaltung oder eine Lohnabrechnung stelle eben doch andere Anforderungen als ein Kalkulation, eine Umsatzstatistik oder ein Adreßverwaltungsprogramm .

Aber das TI-System sei ganz einfach "was für's Auge" und mache Spaß.

Das Wachstum auf dem Heim- und Hobby-Markt indes muß als zögernd bezeichnet werden. Daher hat sich ein Schwenk in der Marketingpolitik von Personal Computer-Anbietern in Richtung "kommerzielle Märkte" vollzogen. Vorreiter dieser Entwicklung war, so Taylorix-Mitarbeiter Gerhard Pleil, Mikro-Spezialist Commodore, der mit erheblichem werblichen Aufwand neue Zielgruppen wie Bäcker, Metzger, Sanitär- und Handwerksbetriebe mit Branchenlösungen anspricht. Hier sieht die IDC praktisch unbegrenzte Möglichkeiten. Dadurch, daß ein Personal Computer durchschnittlich nur 6000 Dollar koste, sei er billiger als eine Bürokraft. So stieg der Umsatz des erst seit März 1978 in der Bundesrepublik aktiven Unternehmens immerhin innerhalb von nur 2 1/2 Jahren von null auf 40 Millionen Mark.

Nach eigenen Angaben beherrscht nun Commodore bereits mit knapp 60 Prozent Anteil den Mikro-Markt, gefolgt von Tandy und Apple. Und zu dieser Phalanx werden sich mittelfristig, so Pleil, auch Triumph-Adler und Philips gesellen, da sie über die entsprechenden Vertriebskanäle verfügten. Und da liegt auch schon der wunde Punkt: Tandy beispielsweise habe sich laut Wettbewerber-Aussagen selbst ins Hintertreffen manövriert, weil anfangs nur über Radio Shack verkauft wurde. Apple wiederum hat nur die Büromaschinenhändler bekommen, die, so Commodore, "übriggelassen" wurden.

Allerdings sei Apple im Aufholen: Ein Jahr Garantie wird geboten und ein 24-Stunden-Service, wenn das System zum örtlichen Händler gefahren wird.

Allgemein klagen die Anwender vor allem über den mit dem Vertrieb verbundenen Service. Es fehle an einer fundierten Beratung, an Bedienungshandbüchern, Kundenschulungen, Einweisungen vor Ort und technischem Service. Wie soll auch eine fachliche Beratung und Service in den großen Kaufhäusern stattfinden, wenn "die Dinger in der Schreibwarenabteilung vertrieben werden", beschwert sich ein Anwender. Aber auch den OEM-Partnern, so Pleil, fehle es häufig an der geeigneten Vertriebs- und Unterstützungsmannschaft. Ebenso verfüge der Radio-, Phono- und Fachhandel selten über EDV-erfahrene Fachkräfte. Der "Computerverkauf über den Ladentisch" stelle sich auch nicht als geeignet heraus, weil wiederum am Fachpersonal gespart werden müsse. Einzig dem Bürofach- beziehungsweise Büromaschinenhandel stellt schließlich Mikro-Markt-Spezialist Pleil ein gutes Zeugnis aus: "Für die Vermarktung von Personal Computern kann dem Bürofachhandel eine gute Chance eingeräumt werden, da er mehrheitlich über geschultes und qualifiziertes Personal verfügt." Daß dabei trotzdem Risiken anfallen, dürfe indes nicht übersehen werden. Denn: Die um 30 Prozent liegende Hardware-Erlösspanne könne nur über entsprechende Stückzahlen ausgeglichen werden. Interessant ist nach den Worten von Pleil nur, wie sich die traditionelle Computerindustrie mit ihren vorhandenen Vertriebsnetzen verhalten wird.

Hier sind Triumph-Adler, Philips und Siemens Vorreiter einer Entwicklung, der sich nach Meinung von Marktkennern in absehbarer Zeit auch Unternehmen wie Nixdorf, Kienzle, Taylorix und Olivetti anschließen werden. Fest steht indes, so Pleil, daß die beim Personal Computer-Verkauf realisierbaren Erträge relativ schmal sind und nur durch "Massengeschäft, gewinnorientierten Software-Verkauf, rationelle Vertriebsmethoden und selbsterklärende Syzugleichen sind.

Doch der Markt wird, so konnte man der Münchner Computer Industrie Briefing Session entnehmen, zweifellos "reif"; die Preise werden weiter sinken und das Image eines Anbieters werde immer entscheidender.