Stagnation im Produktgeschäft

Trotz guter Gewinne: Oracle zeigt Schwäche

02.01.1998

"Wenn Sie gestern wie ich eine Menge Geld verloren haben, dann denken Sie immer daran: Wenn Sie Netzwerk-Computer einsetzen, können Sie das Vermögen wieder hereinholen", scherzte Oracle-Boß Larry Ellison in seiner Keynote-Rede auf der Internet World in New York. In der Tat, Ellison hatte am Vortag Geld verloren, und zwar ungefähr 2,16 Milliarden Dollar. Bei einem geschätzten Privatvermögen von über sieben Milliarden Dollar wird ihn dieser Verlust jedoch nicht aus der Bahn werfen. Dennoch dürften den Unternehmensgründer die heftigen Reaktionen der Finanzmärkte auf das für Oracle-Verhältnisse schwache zweite Quartal 1997/98 irritieren. Sie zeigen, daß die Börse das Vertrauen in den Datenbankgiganten verloren hat. Am 9. Dezember 1997 sackte der Oracle-Kurs um fast ein Drittel auf knapp 23 Dollar ab, der Börsenwert fiel um insgesamt neun Milliarden Dollar. An diesem Tag wurden 171 Millionen Oracle-Aktien umgesetzt - so viele Anteile eines Unternehmens waren an der Nasdaq noch niemals zuvor binnen eines Tages gehandelt worden. Eine Reihe von Investment-Gesllschaften stuften die Aktie herunter.

Dabei sah das Quartalsergebnis auf den ersten Blick gar nicht schlecht aus. Oracle legte beim Umsatz um 23 Prozent gegenüber dem vergleichbaren Vorjahreszeitraum zu und verbuchte Einnahmen von 1,6 Milliarden Dollar (zweites Quartal 1996: 1,3 Milliarden). Allerdings steigerten die Datenbankspezialisten den Profit nur um vier Prozent - von 179 auf 184 Millionen Dollar. Das entspricht einem Gewinn von 19 Cent je Aktie (zweites Quartal 1996: 18 Prozent) - die Analysten hatten jedoch im Schnitt einen Profit von rund 23 Cent erwartet. Oracle entschuldigte das laut Finanzchef Jeffrey Henley "enttäuschende Ergebnis" mit einer temporären Schwäche in Südostasien.

Außerdem habe der Höhenflug des Dollars im internationalen Business zu Einbußen geführt. Beobachter mögen dieser Darstellung nur zum Teil folgen. Oracle habe seit langem von den Turbulenzen in Asien gewußt und sei trotzdem von einem höheren Umsatz und Gewinn ausgegangen. Zudem hätten große Wettbewerber wie SAP in dieser Region auch ihre Probleme und verzeichneten dennoch bessere Zahlen.

In der Finanzwelt wird die Ertragsflaute eher als Symptom eines gravierenden Strukturproblems interpretiert. Zum Schaden von Oracle habe eine interne Umschichtung der Umsatzfelder stattgefunden: Die Softwerker verdienen nach dem Geschmack der Analysten zuwenig Geld in ihren Kerngeschäftsfeldern Datenbanken und Anwendungssoftware. Dagegen wächst der personalintensive und weniger profitable Servicesektor überproportional.

Um 41 Prozent steigerte die weltweit zweitgrößte Softwareschmiede das Geschäft mit Dienstleistungen einschließlich Beratung und Training. Das Volumen wuchs von 705 Millionen Dollar im zweiten Quartal 1996 auf 993 Millionen Dollar 1997. Dagegen stieg der Umsatz mit Produkten nur von 624 auf 645 Millionen Dollar - davon wurden mit Datenbanksoftware 442 Millionen Dollar eingenommen (Vorjahr 428 Millionen Dollar). Dieser Sektor wuchs entgegen den Erwartungen des Oracle-Managements nur um drei Prozent.

Lediglich sieben Prozent mehr als im Vorjahresquartal setzte die Softwareschmiede im Applikationsgeschäft um - ein verschwindend geringer Wert im Vergleich zu Konkurrenten wie SAP, Baan oder Peoplesoft. Oracle selbst hatte noch im vorhergehenden Quartal mit einem Zuwachs von 96 Prozent in diesem Markt geglänzt. Um so überraschender kam nun der schwere Einbruch. James Pickril, Finanzanalyst der Hambrecht & Quist Inc. in San Franzisko, hält die Flaute im Applikationsmarkt jedoch nur für ein kurzfristiges Phänomen, da Oracle einige sicher geglaubte Big Deals mit Telecom-Anbietern nicht zustande gebracht habe. Andere Analysten fragen sich indes, ob Oracle hier den Anschluß an die Konkurrenz halten kann.

Im Datenbank-Business leidet Oracle vor allem unter den ständigen Attacken Microsofts im Low-end-Geschäft. Windows-NT-Versionen der Oracle-Datenbank bringen nicht die Einnahmen, die im Unix-Markt zu erzielen sind; außerdem sorgt Microsoft mit seinem "Back-Office"-Paket und dem darin enthaltenen Datenbanksystem "SQL Server" dafür, daß sich im unteren Marktsegment eine Verschiebung zugunsten des preiswerteren Microsoft-Produktes vollzieht.

Zwar sind sich alle Kenner der Datenbankszene darin einig, daß Microsofts Produkt von der Funktionalität her nicht an die der Spezialisten Oracle oder Informix heranreicht, aber es kostet auch nur einen Bruchteil dessen. Außerdem scheint sich Gates mit dem bisher angesteuerten unteren Marktsegment nicht begnügen zu wollen: Die US-Ausgabe der "Computer Reseller News" berichtete, die Gates-Company arbeite an einem SQL-Server-7-Nachfolger mit Codenamen "Shiloh", mit dem der Angriff auf das von Oracle, Informix, IBM und Sybase besetzte High-end geplant sei.

Im Datenbankmarkt nimmt jedoch nicht nur die Konkurrenz zu, gleichzeitig zeigen sich deutliche Sättigungserscheinungen. Die Großanwender sind versorgt, anstelle des Neugeschäfts tritt nun das Ersatzgeschäft, das weniger Gewinne verspricht. Hinzu kommt, daß die Anbieter unter dem Internet- und Intranet-Boom leiden: Anwender in aller Welt greifen über das Web auf die zentrale Datenbank ihres Unternehmens zu und benötigen seltener eine Kopie in ihrem lokalen Office.

Oracle selbst muß sich überdies von Insidern wie Datenbankberater Jeff Jacobs aus dem kalifornischen Belmont den Vorwurf gefallen lassen, wenig zu tun, um Kunden auf das neue System Oracle 8 zu lotsen. Statt dessen predige Larry Ellison das Network Computing, mit dem er aber kein Geld verdiene. Die meisten Anwender hätten viel Know-how im Umfeld der Vorgängerversion 7 aufgebaut und wüßten nun nicht, warum sie eigentlich auf den objektrelationalen Nachfolger wechseln sollten.

In Oracle-Kreisen sieht man dagegen die Investitionen in das Network-Computing-Geschäft als Garanten für künftige Erfolge. Noch befinden sich viele Anwender nach Ansicht von Chief Operating Officer (COO) Ray Lane in der Phase der Skepsis. Dieses Risiko nehme Oracle in Kauf, denn man wolle diesen Zukunftsmarkt früh genug besetzen, um später den Rahm abzuschöpfen. "Das wird ein Spaß, wenn in drei Jahren alle sagen: ,Wie habt Ihr so früh geahnt, daß sich der Markt in diese Richtung entwickelt?'", freut sich Lane. Mehr noch freut sich jetzt jedenfalls die Konkurrenz, allen voran Microsoft-Chef Bill Gates, der einen seiner größten Wettbewerber straucheln sieht.

Unter Druck

Oracle wird beschuldigt, den Aktienkurs der Firma künstlich hochgehalten und Insider-Geschäfte durchgeführt zu haben. Das berichtet der Online-Nachrichtendienst "Cnet". Unter anderem soll Oracle die Anleger mit falschen Umsatz- und Gewinnprognosen für das erste Halbjahr des Geschäftsjahres 1997/98 in die Irre geführt haben. Die Softwerker müssen sich außerdem wegen angeblicher Insider-Geschäfte im Wert von 28 Millionen Dollar verantworten.