Gates-Company stellt Java-Migrationswerkzeuge für .NET-Plattform vor

Trotz der Einigung zwischen Sun und Microsoft droht neuer Java-Streit

02.02.2001
MÜNCHEN (CW) - Sun Microsystems und Microsoft haben sich in ihrem seit drei Jahren anhängigen Rechtsstreit in Sachen Java außergerichtlich geeinigt. Fast gleichzeitig aber stellte der Softwareriese Java-Migrationswerkzeuge vor, mit denen der Umstieg auf Microsofts .NET-Service-Plattform erleichtert wird.

Im Zuge des ausgehandelten Vergleichs zahlt Microsoft 20 Millionen Dollar an Sun und darf dafür in den nächsten sieben Jahren weiterhin seine bisherigen Produkte (inklusive aktueller Betas) anbieten, die auf der Java-Version 1.14 basieren. Mit diesem Schritt wolle man den Interessen der Entwickler entgegenkommen, die Microsoft-Produkte wie "Visual J++" verwenden.

Ferner wurde festgeschrieben, dass die Gates-Company dauerhaft auf die geschützte Bezeichnung "Java-kompatibel" und den Gebrauch des offiziellen Sun-Logos verzichtet. Auf diese Weise will Sun "die künftige Integrität der Java-Technik schützen". Microsofts Lizenzabkommen mit Sun von 1996 wurde im Rahmen der Übereinkunft vorzeitig beendet. Es wäre ohnehin in zwei Monate abgelaufen.

Für Microsoft-Anhänger scheint diese außergerichtliche Lösung vordergründig eine eher schlechte Nachricht zu sein: "Microsoft kann zwar eine veraltete Version unserer Technik verwenden, aber für .NET können sie Java nicht einsetzen", erklärte Pat Sueltz, Executive Vice President von Suns Software Systems Group, im Rahmen einer Telefonkonferenz. Die .NET-Strategie, von Microsoft als neue Plattform für Internet-Software und -Services angepriesen, sei damit nun gänzlich an das proprietäre Windows-Betriebssystem gefesselt.

Microsoft scheint die Übereinkunft aber nicht so eindeutig auszulegen. Mit seinem jetzt vorgestellten Java-Migrationsprogramm "Java Migration Path to Microsoft.NET" (Jump) weckte die Gates-Company erhebliche Zweifel daran, dass die außergerichtliche Einigung mit Sun einen tragfähigen Kompromiss darstellt. Mit Jump können Anwender entweder Java-Programmcode nativ unter .NET laufen lassen oder Programmcode von Sun in Microsoft-Code umwandeln.

Jump zielt auf alle Java-Versionen, die bei Microsoft mit "Visual J++" entwickelt wurden. Damit dürfte Microsoft nach eigenen Einschätzungen etwa ein Viertel der insgesamt rund 2,5 Millionen Entwickler zählenden Java-Gemeinde ansprechen - eben alle diejenigen, die Microsofts "Visual-J++"-Werkzeuge benutzen.

Sanjay Partharasathy, Vice President von Microsofts Platform Strategy Group, hatte schon anlässlich der Verkündung des Vergleichs geworben, die .NET-Plattform sei "der beste Weg, um Web-Services zu entwickeln und bereitzustellen". Er versprach, den Entwicklern nach Kräften beizustehen, "welche Programmiersprache auch immer für sie am geeignetsten ist." Für Microsoft ist das natürlich "C#" ("C Sharp"), das Java in vielen Bereichen ähnelt.

Allerdings dürfte es die neue Sprache trotz aller Microsoft-Marktdominanz nicht gerade leicht haben, sechs Jahre Vorsprung von Java aufzuholen. Die Sun-Programmierumgebung haben bereits mehr als 200 Unternehmen in (gültige) Lizenz genommen, mehr als 2,5 Millionen Entwickler weltweit nutzen die Plattform.

Mit der .NET-Initiative erhebt sich die Frage, ob der zwischen den beiden Streithähnen geschlossene Vergleich nicht lediglich ein taktischer Schachzug von Microsoft war. Dessen Sprecher Jim Cullinan schien noch Kreide gefressen zu haben, als er die außergerichtliche Einigung mit den Worten kommentierte, mit der Einigung hätten beide Seiten etwas gewonnen und verloren: "Wenn es in so einer Situation eine vernünftige Lösung gibt, dann einigt man sich am besten."

Mit Jump nimmt Microsoft Java in die Zange. Über Microsofts Runtime-Umgebung kann Suns Java-Programmiersprache einerseits direkt in der .NET-Umgebung laufen. Die Ablaufumgebung war entwickelt worden, damit Programmiersprachen wie Cobol, die nicht aus dem Hause Gates stammen, unter Windows benutzt werden können.

Andererseits bietet Microsoft mit Jump Werkzeuge an, die zum einen Java-Sourcecode in Microsofts C-Sharp-Programmiercode umwandeln. Sie zeigen ferner jene Codes an, die sich nicht konvertieren lassen. Dieses Griffs in die Trickkiste bediente sich Microsoft schon in der Vergangenheit: Mit Konvertierungs-Wizards ließ sich etwa Code der Groupware-Anwendungen "Notes" und "Domino" von Lotus Development Corp. so ummodeln, dass er in der Messaging-Umgebung "Exchange" ablauffähig war.

Die Jump-Werkzeuge dürfen aber nicht auf alle zukünftigen Java-Versionen angewandt werden: Die Java 2 Enterprise Edition 1.2 sowie Version 1.3 sind tabu. Trotzdem gehen Analysten davon aus, dass mit Jump die Tore für Drittanbieter von Werkzeugen und von nützlicher Zusatzsoftware für die Java-Welt nunmehr weit geöffnet sind.

Ob also, wie Suns Chief Executive Officer (CEO) Scott McNealy frohlockte, der Vergleich wirklich ein Sieg für "unsere Lizenznehmer und die Verbraucher" ist oder Microsoft mit der Jump-Initiative diesen nicht im Wesentlichen untergräbt, wird sich erst noch zeigen müssen. Einerseits ist Microsoft gezwungen, Java zu unterstützen, weil es die am schnellsten wachsende Plattform in der Industrie ist. Andererseits stellt die Sprache auch die größte Konkurrenz für Microsofts .NET-Umgebung dar, urteilen Analysten von Gartner. Die Meta Group zieht denn auch ein klares Fazit: Anwender, die E-Business-Applikationen entwickeln wollen, müssen zwischen Microsofts .NET- und Suns Java-2-Enterprise-Edition-Modell wählen. Fällt die Entscheidung zugunsten Suns Java-Variante, sind Anwender mit einem weiteren Problem konfrontiert: Sie müssen sehr sorgfältig die Komponenten auf Seiten des Clients selektieren - denn Microsofts Browser "Explorer" unterstützt kein natives Java.

Sun kontra MicrosoftDer Rechtsstreit der beiden Unternehmen geht zurück auf ein Java-Lizenzabkommen, das Microsoft 1996 unterzeichnet hatte. Im November 1997 verklagte Sun die Gates-Company wegen Vertragsbruchs, weil Microsofts für Windows und Internet Explorer "getunte" Java-Implementierung nicht kompatibel mit Suns offiziellen Standards sei. 1998 wurde diese Klage um eine weitere ergänzt, die Microsoft unlauteren Wettbewerb sowie die Verletzung von Urheberrechten vorwarf. Im gleichen Jahr erging ein Urteil, das es Microsoft per einstweiliger Verfügung temporär untersagte, weiterhin das offizielle Kaffeetassen-Logo für seine "Virtual Machine" und Entwicklungs-Tools zu verwenden.