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Trolltech entschärft den Desktop-Zwist zwischen KDE und Gnome

06.09.2000
Open-Source-Berater: Differenzen nicht überbewerten

CW-Bericht von Ludger Schmitz

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Nachdem die Linux-Benutzeroberfläche "Gnome" die Unterstützung mächtiger IT-Firmen bekommen hat, reagieren Vertreter des bisher vermeintlich führenden Alternativprojekts "KDE" nervös. Einen "GUI-Krieg" dürfte letztlich eine Open-Source-Entscheidung der Firma Trolltech verhindert haben.

Die einschlägigen Internet-Diskussionsforen der Linux-Community werden zur Zeit von erbitterten Auseinandersetzungen zwischen den jeweiligen Anhängern der Benutzeroberflächen KDE und Gnome beherrscht. Auslöser ist eine zunächst positiv stimmende Nachricht von der US-Kongressmesse "Linuxworld“ Mitte August, auf der sich eine "Gnome Foundation“ konstituiert hatte.

In der neuen Gruppe hat sich das Open-Source-Projekt Gnome mit den IT-Firmen Compaq, IBM, Hewlett-Packard, Sun Micro-systems, Eazel, Helix Code, Henzai, Red Hat, Turbolinux, VA Linux und Gnumatic zusam-mengeschlossen, um die Gnome-Benutzeroberfläche für Desktops zu vereinheitlichen. Außerdem sind die Organisationen Object Management Group (OMG) und Free Software Foundation (FSF) mit dabei. Diese Gründungsmitglieder sind ab sofort in einem "Advisory Board" vertreten, während ein "Board of Directors" von den Mitarbeitern des Gnome-Projekts gewählt werden soll.

Gnome-Gründer Miguel de Icaza argumentierte auf einer Linuxworld-Pressekonferenz: "Wir brauchten ein Forum für Entwickler und Business-Partner, um die Entwicklung von Gnome zu koordinieren.“ Die Unterstützung der Industrie werde helfen, "um unseren Traum einer wirklich freien, einfach zu bedienenden Desktop-Umgebung wahr werden zu lassen“.

Diese Aussagen werden von Teilen der Linux-Community als "PR-Stunt" und Affront gegen das Alternativprojekt KDE gewertet. Gleichzeitig sehen manche darin ein Eingeständnis von Schwächen des Gnome-Projekts. KDE-Anhänger verweisen darauf, dass ihr Projekt auf der Linuxworld wieder einmal als beste Benutzeroberfläche ausgezeichnet wurde und die anstehende Version 2.0 den Abstand zu Gnome eher noch vergrößern werde.

Keine der bisher zum KDE-Lager gezählten größeren Distributionen wie die deutsche Suse, die französische Mandrake, Caldera oder Corel scheint abtrünnig zu werden. Die Gegenseite mit Red Hat, Turbolinux und VA Linux geht von einem Aufschwung für Gnome aus. HP und Sun wollen diese GUI zur Oberfläche ihrer Unix-Angebote machen. IBM und Compaq halten sich in dieser Frage bedeckt.

Sehr nervös und gereizt hat das Führungsteam von KDE auf die Gnome-Initiative reagiert. Sie sei "so wichtig wie die Geburt eines Polarbären im Zoo von Quebec“. Man denke nicht an ein ähnliches Manöver, denn – so der kaum verhüllte Vorwurf an die Konkurrenz – das liefere ein Open-Source-Projekt an die Industrie aus: "Sie haben einfach die Art verändert, in der ihr eigenes Projekt beherrscht und kontrolliert wird.“ Wiederholt wird betont: "Das KDE-Projekt wird von Entwicklern gemacht und kontrolliert." Man programmiere „aus reinem Vergnügen und zum Spaß" ohne Inter-esse an Marktanteilen und werde "immer an KDE arbeiten."

Ein technischer Ausgleich des Gegensatzes zwischen den beiden Ansätzen ist in diesem Fall nicht möglich, weil beide Produkte inkompatible Technik zur Grundlage haben. KDE verwendet die "Qt"-Library von Trolltech, ein bisher proprietäres Produkt. Deshalb hat der radikalere Teil des Projekts vor etwa drei Jahren die Gnome-Gruppe gebildet, die eine von Red Hat gepflegte quelloffene "GTK“-Library nutzt.

Trolltech macht "Qt" zum Open-Source

Durch das drohende Schisma in der Linux-Welt sah sich Trolltech zu einem geradezu geschäftsschädigenden Schritt gezwungen: Am 4. September gab das Unternehmen bekannt, ab der am gleichen Tag vorgestellte Version 2.2 werde Qt unter der Linux-typischen "GNU General Public License" (GPL) frei verfügbar (CW Infonet berichtete). Nur wer damit proprietäre Produkte entwickeln will, muss für eine "Q Public License" (QPL) Lizenzgebühren bezahlen. Selbst Gnome-Fürsprecher reagierten enthusiastisch. FSF-Gründer Richard Stallman nannte das "ein großartiges Geschenk von Trolltech für die Community", Red-Hat-Chef Bob Young sprach von einer "starken Entscheidung“ der Norweger.

Vertreter unabhängiger Linux-Support- und Serviceunternehmen in Deutschland zeigen sich durch die Differenzen zwischen beiden Desktop-Projekten weit weniger aufgeregt als die Community. "Das gibt Gnome Auftrieb“, meint Hans-Jörg Ehren, leitender Produkt-Manager des Distributions-unabhängigen Serviceunternehmens Linuxland, "aber sie werden den Markt nicht für sich allein gewinnen. Dazu ist die KDE-Vorherrschaft in Europa zu mächtig.“

Klaus Plüher, Manager beim Tuxland Linux-Dienst in Freiburg-Umkirch, glaubt, dass die jüngste Debatte "letztlich eine Standardisierung im Desktop-Bereich voranbringt“. Das ist nicht für alle zwingend so. Jedwedes "Ein-Desktop-Konzept“ ist für Arthur Tyde, Europa-Chef von Linuxcare, "unglücklich“, denn es werde die Verbreitung von Linux in PC-Umgebungen nicht voranbringen. "Wichtiger sind umfassende API-Sets, Objektmodelle für bessere Middleware-Layer etc.“

Dass beide Gruppen trotz der aktuellen Aufregung und technischer Gräben weiter eine gewisse Zusammenarbeit pflegen und beispielsweise "gemeinsame Schnittstellen“ entwickeln werden, davon ist Raphael Leiteritz, CEO von Innominate, überzeugt. Im Gegensatz sieht er Vorteile: "Diese Konkurrenz bringt Dynamik und Ansporn, so dass sich beide Gruppen mehr anstrengen. Ich bin kein Fan davon, die Vielfalt zu beschränken. Zwei Systeme würde ich nie als schädlich bezeichnen, sondern als Bereicherung sehen.“

Auch Daniel Riek, Vorstandmitglied von ID-Pro, rechnet mit einer "Koexistenz“ der Lö-sungen, wobei "ein gewisser Wettbewerb durchaus zu begrüßen“ sei. "Ich erwarte von den Gnome- und KDE-Entwicklern, dass sie sich auf einheitliche Schnittstellen und Komponentenmodelle einigen. Es muss ohne weiteres möglich sein, zwischen beliebigen Applikationen in diesen Frameworks Daten auszutauschen.“

Riek meint, für Linux-interessierte Anwenderunternehmen komme es erst auf die Applikationen an, die GUI sei weniger relevant. Im eigenen Unternehmen funktioniert die Koexistenz: Das Consulting und die Verwaltung arbeiten mit KDE, Entwickler nutzen – wenn überhaupt – Gnome oder "Enlightenment“. Riek verwendet im Büro KDE 1, auf dem Laptop Enlightenment mit Gnome-Modulen und daheim eine KDE-2.0-Betaversion.