Triple Play verändert Unternehmen

06.06.2006
Von der billigen Bandbreite können auch Business-Anwender profitieren.

Seit die Telekom Anfang des Jahres ihre milliardenteuren VDSL-Ausbaupläne bekannt gegeben hat, beflügelt ein magischer Begriff die Diskussionen um die deutsche Netzlandschaft: Triple Play, die Kombination von Telefon, Datenübertragung und Fernsehen. Während dem einen Manager die sprichwörtlichen Dollarzeichen in den Augen stehen, befürchtet der nächste einen Millionen-Flop. Ein dritter malt gar düstere Untergangsszenarien für den TK-Wettbewerb an die Wand, wenn er im Zusammenhang mit Triple Play eine massive Konsolidierung der deutschen Carrier-Szene befürchtet. Andere dagegen träumen mit dem Aufbau der Triple-Play-Netze vom Breitband-Schlaraffenland, in dem Bandbreite so günstig ist wie nie zuvor, denn zum ersten Mal in der Netzgeschichte herrscht auch auf der letzten Meile Überfluss. Bleibt nur die Frage, ob auch der professionelle Anwender von diesem Hype profitieren kann.

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Die Triple-Play-Akteure

Die deutsche Triple-Play-Szene lässt sich im Prinzip in drei Lager aufteilen: auf der einen Seite die Kabel-TV-Provider, allen voran Kabel Deutschland, auf der anderen Seite die Telekom als Herausforderer, und in der Mitte die City-Carrier, die Gefahr laufen, im Rennen um die multimedialen Netze der Zukunft unter die Räder zu kommen.

Die beste Startposition scheinen derzeit die Kabel-TV-Anbieter zu haben. Nachdem sie ihre früher als Bundespostminister Christian Schwarz-Schillings Millionengrab belächelten Netze mit hohem finanziellem Aufwand ausgebaut und von der Baum- zur Sternstruktur umgerüstet haben, sind sie nun in der Lage, ohne viel Aufwand Fernsehen, Telefonie und Internet-Access anzubieten. Allerdings betreiben sie im engeren Sinn noch keine konvergenten Netze, denn ihre Fernsehprogramme verteilen sie noch immer mit klassischer Rundfunktechnik als Broadcast. Eine Methode, die nach Ansicht etlicher Experten immer noch wirtschaftlicher ist als IPTV. Glaubt man den Anbietern, so können sie heute in der Theorie in ihren Netzen für Datendienste bereits Bandbreiten bis zu 50 Mbit/s zu realisieren. Mit neueren Modulationsverfahren wollen sie sogar bis zu 200 Mbit/s erreichen und sehen sich damit gut gewappnet gegen den VDSL-Angreifer Telekom. Würden die Kabler noch ihr Fernsehangebot dazurechnen, dann könnten sie mit Transferraten von mehreren Gigabit/s protzen. Zudem verbuchen sie auf der Haben-Seite rund 15,3 Millionen Kabel-Anschlüsse. Ein weiterer Pluspunkt auf ihrem Konto ist der fast beendete Netzausbau - Kabel Deutschland will ihn Ende 2007 vollbracht haben. Zudem haben sie im Gegensatz zu den Herausforderern schon Verträge mit den wichtigsten Content-Anbietern. Auf der anderen Seite müssen die Kabel-TV-Betreiber beim Thema Telefonie erst noch eine Lernkurve durchschreiten. Dass diese sehr schmerzhaft sein kann, erlebten die Anwender im Saarland, wo eines der ersten TV-Netze aufgerüstet wurde - hier funktionierte teilweise die IP-Telefonie wochenlang nicht, weil die Installateure gepfuscht hatten und von der neuen Technik schlicht überfordert waren.

Allerdings muss der Herausforderer Telekom auch noch beweisen, dass er die VDSL-Technik im Griff hat. Bei der Einführung von ADSL hatte der Bonner Carrier nämlich eher ein klägliches Bild abgegeben. Die zahlreichen Bastelstunden an der DSL-Technik trugen ihm nicht umsonst bei erzürnten Usern den Spitznamen "Terrorkom" ein. Darüber hinaus sieht sich die Telekom noch mit zwei weiteren Problemen konfrontiert: Sie benötigt attraktiven Content und muss noch in der Praxis zeigen, dass sie über ein IP-Netz unterbrechungsfrei und zuverlässig Fernsehen übertragen kann. Dass dies vom Tag eins an funktioniert, bezweifeln etliche Experten. Zudem dürften es die Bonner schwer haben, Kunden zu einem Wechsel vom TV-Kabel auf VDSL zu bewegen, wenn sie, wie bei ihren Consumer-DSL-Anschlüssen üblich, nur eine Verfügbarkeit von 97 Prozent garantieren: Damit kann der deutsche Fußball-Fan nämlich an elf Spieltagen im Jahr vor dem schwarzen Fernseher sitzen, ohne dass die Telekom zu einer Gebührenermäßigung verpflichtet wäre oder gar mit der Entstörung begönne, denn am Wochenende gibt es für die Privatkundenanschlüsse keinen Support. Ferner scheint die VDSL-Bandbreite von 50 Mbit/s an der Schwelle zum hochauflösenden Fernsehen HDTV, das eine Bandbreite von bis zu 12 Mbit/s erfordert, schon heute für eine vierköpfige Familie zu niedrig.

Gleichzeitig ist der Einstieg der Bonner in VDSL jedoch auch ein cleverer Schachzug: Durch die drastische Verkürzung der Kupferkabel auf der letzten Meile auf die Entfernung Endkunde-Straßenverteiler können sie über ein längst abgeschriebenes Netz, das noch die Kunden der Deutschen Bundespost finanziert haben, hochbitratige Datendienste vermarkten, von denen bis vor kurzem noch niemand zu träumen wagte. Zudem hat die Investition in die neue Technik zwei nützliche Nebeneffekte: Sie erlaubt den Aufbau so genannter Zero-touch-Netzwerke, die sich, wie man bei der Berliner ADC Krone AG, einem Hersteller von passiven Netzkomponenten, erklärt, weitgehend automatisch betreiben und konfigurieren lassen, so dass zumindest in der Theorie Bandbreiten on demand geordert werden können. Ferner erschwert die Telekom damit den alternativen Netzbetreibern das Leben. Durch den Einzug der DSLAMs (das Gegenstück zum DSL-Modem bei den Netzbetreibern) in die Straßenverteiler genügt es für die Konkurrenten des Carriers nicht mehr, wenn sie nur wie bisher die Hauptverteiler mit ihren eigenen Netzen anbinden. Sie müssen ihre Netze entweder in die Fläche tragen oder aber von der Telekom zusätzlich zur letzten Meile Infrastruktur anmieten.

Auf diese Weise geraten die City-Carrier von zwei Seiten unter Druck: Einerseits sind sie zu klein, um für die großen Content-Anbieter interessant zu sein, andererseits stehen sie vor einem Infrastrukturproblem. Angesichts dieser Situation rechnen viele Branchenkenner mit einer Konsolidierungswelle. Zu dieser muss es aber nicht unbedingt kommen, wenn sich etwa die Idee, die die Triple Play Alliance in ihrem Münchner Testlabor demonstriert, durchsetzt: Eine zentrale Holding schließt für die kleinen Netzbetreiber Verträge mit den Content-Anbietern und übernimmt das Provisioning und die Abrechnung. Bei der Infrastruktur stehen die Anbieter letztlich vor der Entscheidung, ob sie selbst investieren oder weiter von der Telekom für teures Geld Infrastruktur mieten. Entscheiden sie sich für letztere Option, dann sind sie im preissensitiven Einstiegssegment um die 20 Euro nicht konkurrenzfähig gegenüber Anbietern wie der Telekom oder Kabel Deutschland, denen die Infrastruktur bis zum Endkunden gehört. Dass sich unter dieser Prämisse die Investition in eine eigene Glasfaserinfrastruktur bis zum Gebäude rechnet (Fibre to the Building = FTTB), zeigen Beispiele wie Wilhelmtel in Norderstedt.

Unabhängig davon, welcher Meinung man eher Glauben schenkt, eines ist sicher: Die Triple-Play-Netze kommen. "Denn hier steht für einige Player nicht die Frage einer höheren Profitabilität im Vordergrund, sondern das nackte Überleben", skizziert Christian Oversohl, Geschäftsführer und Vice President beim Beratungs- und Systemhaus Sapient in München, die Situation. Für die Netzbetreiber geht es in Zeiten der Konvergenz, Dual Play ist für viele mit der Kombination VoIP und Internet-Access bereits Realität, schlicht darum, die Kunden mit Triple-Play-Komplettangeboten von einem Wechsel zur Konkurrenz abzuhalten.

Eine Meinung, die auch Arno Wilfert, TK-Experte und Mitglied der Geschäftsführung beim Beratungsunternehmen Arthur D. Little, teilt. "Letztlich müssen die Anbieter nach Applikationen suchen, die eine möglichst hohe Bandbreite erfordern, um die Anzahl ihrer Leitungen hoch zu halten", verdeutlicht Wilfert das Problem. Die Crux ist nämlich, dass 80 Prozent der deutschen Internet-User pro Monat unter einem Gigabyte Datenverkehr erzeugen. "Dieser Klientel immer breitbandigere Leitungen wie ADSL2+ oder VDSL zu verkaufen, fällt zunehmend schwer", konstatiert Arthur-D.-Little-Manager Wilfert. Mangels Nachfrage nahm beispielsweise Kabel Deutschland seinen 8 Mbit/s schnellen Internet-Zugang wieder aus dem Programm, da weniger als ein Prozent der Kunden das Angebot buchten. Zumal diese Kunden mit ihrem Datenvolumen in einem Bereich liegen, wo die UMTS-Angebote der Mobilfunker langsam interessant werden, wenn auf den Festnetzanschluss komplett verzichtet wird.

Genau diese drohende Abwanderungsbewegung wollen die Netzbetreiber mit dem viel propagierten HDTV stoppen. Das hochauflösende Fernsehen, das je nach Standard zwischen 8 und 12 Mbit/s Transferrate erfordert, soll das Kerngeschäft der Netzbetreiber absichern und endlich den Bandbreitenbedarf der Consumer steigern. Ein großes Umsatzpotenzial bietet das Fernsehen dagegen für die Netzbetreiber nicht, darin sind sich Branchenkenner einig. Eine Einschätzung, die sich mit den Erfahrungen von Kabel Deutschland deckt: "Wir haben gelernt, mit einem durchschnittlichen Monatsumsatz je Kunde von sieben bis acht Euro zu leben, das müssen die Telcos erst noch schaffen", kommentiert Levent Demirörs, Leiter Produkt-Management bei Kabel Deutschland, die Marktsituation. Kärgliche Einnahmen, die in Italien den Netzbetreibern die Tränen in die Augen treiben würde. Dort wird im Gegensatz zum vom Free-TV verwöhnten Deutschland mit Fernsehen richtig Geld verdient.

Vorteile für Geschäftskunden

Zwar wird die derzeitige Diskussion in Sachen Triple Play aus der Consumer-Sicht geführt, doch glaubt man Nick Earle, Vice President Customer Advocacy European Markets bei Cisco, dann dominiert die Entwicklung der B-to-B-Bereich: "Der Anteil der Geschäftsdaten am monatlichen Internet-Verkehr von 9 Exabyte (Anmerkung der Redaktion: das gesamte Menschheitswissen in Schrift, Ton und Video wird auf 12 Exabyte geschätzt) liegt doppelt so hoch wie der der privaten Nutzung." Angesichts von Applikationen wie Corporate TV, E-Learning oder Video Conferencing, welche die IT-Industrie seit über zehn Jahren mit eher mäßigem Erfolg propagiert, fällt es jedoch schwer, Earles These vom B-to-B-Segment als dem treibenden Moment in puncto Triple Play zu glauben.

Günstigere Kommunikation

Eine Kritik, die der Cisco-Manager mit einem Lächeln abtut: "Die IT-Industrie hält den Rekord darin, dass Techniken erst beim zweiten Versuch ein Erfolg werden. Nehmen Sie nur die Service-orientierten Architekturen (SOA), das Gleiche haben wir den Anwendern bereits 1991 verkauft, als wir das erste Mal von Objekten sprachen."

Womöglich profitiert der professionelle Anwender beim Siegeszug der Triple-Play-Netze auch von ganz banalen Dingen. So kann sich etwa Sapient-Geschäftsführer Oversohl vorstellen, dass die Geschäftskunden aus günstigeren Kommunikationsservices wie gehosteten TK-Anlagen, Centrex-Lösungen oder geringeren Call-Center-Betriebskosten ihren Nutzen ziehen. Dienste, die heute teilweise nur für Großunternehmen wirtschaftlich interessant sind. Und last, but not least dürften sich die Mittelständler über die neuen Netze freuen, denn sie kaufen Bandbreite günstiger als heute ein. "Zudem könnte Triple Play für Anwender wie Hotels, Flughäfen oder Messen, die Telefon, Datenzugang und visuelle Dienste wie Hotel-TV für ihre Kunden vorhalten müssen, drastisch die Infrastrukturkosten senken, wenn sie nur noch ein Kabel installieren und administrieren müssen", macht Ulrich Moll, technischer Consultant beim auf Provisioning-Lösungen spezialisierten Hersteller Axiom Systems, auf ein anderes Sparpotenzial aufmerksam.

Mit dem Wechsel auf eine einheitliche Infrastruktur können die Unternehmen erkleckliche Beträge sparen. "Wir haben so unsere Infrastrukturkosten um eine Milliarde Dollar reduziert", rechnet Cisco-Manager Earle vor. Dazu warf der Netzhersteller sein altes TK-Equipment hinaus und migrierte auf 54 000 IP-Telefone. Ferner wurden die NTSC-Videonetze abgeschaltet, durch IP-TV ersetzt und in einem weiteren Schritt die Storage-Systeme als virtuelle Speicher auf drei Rechenzentren verteilt. Hierzu musste Cisco allerdings kräftig in seine Netzstruktur investieren.

Endgeräte rücken zusammen

Geringere Kosten sind jedoch nur eine der Auswirkungen die Triple Play im professionellen Umfeld hat. Gleichzeitig öffnen die fortschrittlichen Netze die Tür zu neuen Anwendungen. Cisco-Manager Earle ist davon überzeugt, dass wir schon bald am Arbeitsplatz den "Media rich Workspace" haben werden - also über das Netz mit Kollegen nicht nur interaktiv an Dokumenten zusammenarbeiten, sondern gleichzeitig per Video kommunizieren. Letztlich wird der Collaboration-Gedanke um die Multimedia-Komponente erweitert. Zudem dürften dabei mit Hilfe von Presence-Diensten, die feststellen, wo der User gerade ist, die Grenzen zwischen den Endgeräten verschwinden, wenn das intelligente Triple-Play-Netz die Inhalte für Devices wie den Arbeitsplatzrechner oder das Smartphone aufbereitet. Zum Leidwesen vieler fällt damit aber wahrscheinlich auch die Trennung von Privat- und Arbeitsleben, wenn sie immer und überall erreichbar sind. "Zu Hause ruft der User in einigen Jahren beispielsweise einfach ins Netz gestellte Unternehmensapplikationen über den Touchscreen seines LCD-Fernsehers ab oder nutzt die interaktiven Dienste jederzeit und überall", zeichnet Demirörs sein Bild der Zukunft. Den Einwand, dass die Anwender in der Vergangenheit dem per Settop-Box mit dem Internet verbundenen Fernseher die kalte Schulter zeigten, lässt der Kabel-Deutschland-Manager nicht gelten: "Die Endgeräte und die Applikationen sind jetzt ausgereifter, um interaktive Dienste zu nutzen, etwa E-Mail. Damals stimmten die Rahmenbedingungen nicht, so war etwa die Auflösung eines klassischen Röhrenfernsehers zu gering, um E-Mails zu lesen." Die Kombination von Video, Internet und Telefon beeinflusst nicht nur die Arbeitswelt innerhalb der Unternehmen, sondern auch die direkte Kundenansprache. "Ein Consumer, der Video Conferencing als Arbeits-Tool gewohnt ist und selbst Video-Podcasts produziert, erwartet eine andere Kundenansprache beim Kontakt mit Unternehmen", führt Cisco-Manager Earle aus. Etwa in der Form, dass er bei Fragen auf einer Web-Seite nicht mehr ein einfaches E-Mail-Kontaktformular vorfindet, sondern sich direkt per Video-Popup mit einem Gesprächspartner verbinden kann. Fortsetzung auf Seite 8

"Letztlich wird aus der heute abstrakten Beziehung beim Online-Shopping ein direkter, individueller Kontakt, der es Unternehmen ermöglicht, auch erklärungsbedürftige und komplexe Produkte über neue Verkaufskanäle zu vermarkten", beschreibt Sapient-Manager Oversohl das Potenzial der neuen Netze. Hierzu könnte etwa eine Auto-Fernsehwerbung mit einem Button verknüpft werden, über den der Kunde direkt per Video mit dem Verkäufer verbunden wird, um weitere Fragen zu klären oder sich das Produkt in einem virtuellen Rundgang genauer erklären zu lassen.

Zusatzinformationen per Maus

Eine Idee, die auch das klassische Teleshopping revolutionieren könnte. Im Triple-Play-Zeitalter könnten die Tage der Propagandisten, die ihr Produkt in halbstündlich wiederholten Slots präsentieren, gezählt sein. Der Kunde wählt vielmehr die Produkte, die ihn interessieren, selbst aus und kann sich per Mausklick etwa ähnliche Waren präsentieren lassen. Im Extremfall ermöglicht dies zudem eine neue Form des Product-Placements: Statt Produkte nur unkommentiert in einem TV-Film unterzubringen, besteht die Möglichkeit, per Mausklick zusätzliche Informationen einzublenden. Oder der Zuschauer kann die neue Musik-CD, die eine Moderatorin gerade bespricht, direkt bestellen.

Diese Interaktivität hat in den rückkanalfähigen Triple-Play-Netzen noch eine weitere Konsequenz, von der im datenschutzsensiblen Deutschland viele nur ungern hören werden: Das Benutzerverhalten kann genau überwacht werden, woraus sich nie geahnte Möglichkeiten der Kundenansprache etwa in Form von Target-Advertising ergeben. Diese Fülle an Informationen führt laut Oversohl zu einem Paradigmenwechsel weg von dem auf Kostenreduzierung ausgerichteten CRM hin zum Customer Equity Building.

Einzug in Nischenmärkte

Aufgrund der erwarteten niedrigen Grenzkosten, Bandbreite kostet kaum mehr etwas, könnte Triple Play auch in Nischenmärkten Einzug halten und als Instrument der Kundenbindung dienen: Etwa in einer Arztpraxis, wo die Patienten im Wartezimmer anstelle der heute üblichen Lesezirkel-Zeitschriften künftig einen LCD-Bildschirm an der Wand vorfinden, der neben Unterhaltung gleich mit gezielter Werbung einer "Gesundheitskasse" aufwartet. Oder der Einzelhandel nutzt Streaming-Media-Services, um sein Angebot im Schaufenster zu präsentieren. "Der günstige Preis für die neuen Services führt dazu, dass Geschäftsleute das Angebot kreativ für ihre Branche nutzen", ist Oversohl überzeugt.

Im großen Stil könnten dies beispielsweise, wie Ralf Puetz, Sprecher der Triple Play Alliance, ausführt, Filialketten wie Bau- oder Drogeriemärkte tun. "Für sie ist Triple Play gleich in dreifacher Hinsicht interessant", so Puetz, "sie können Werbung und Verkaufsmusik zentral von einem Server in die Märkte einspielen, ihre Kassensysteme und Warenbestände updaten und die Telefonie per VoIP über eine zentrale PBX abwickeln - und dies über eine einzige Leitung."

Szenarien, an die Kritiker in dieser Form nicht glauben, denn sie bezweifeln, dass die Triple-Play-Netze mit der im Business-Umfeld geforderten Quality of Service aufwarten. Ein Argument, das in den Augen von Sapient-Geschäftsführer Oversohl nur bedingt sticht, "denn zur Übertragung von Fernsehen über IP ist 100 Prozent Zuverlässigkeit gefordert". Schließlich muss ein Fußballspiel 90 Minuten ohne Unterbrechung übertragen werden, denn wenn der Datenstrom nur eine Sekunde stockt, steht der Ball im Bild. "Das ist für die IP-Welt, wie wir sie heuten kennen, eine Herausforderung, denn noch sind die Service-Levels niedriger", merkt Arthur-D.-Little-Manager Wilfert an. Doch die Netzbetreiber werden dieses Problem meistern müssen, denn an ein TV-Signal stellt der Benutzer andere Qualitätsansprüche als an einen Internet-Zugang.

WLAN als Mobility-Komponente

Dass die Triple-Play-Netze auch für Business-Kunden interessant sind, zeigen zudem die internen Diskussionen zum Soho-Bereich bei Kabel Deutschland. Der TV-Kabel-Provider denkt darüber nach, ob er ab 2007 auch professionelle Anwender adressiert. "Durch unser intelligentes Kabelnetzwerk könnten wir dieser Klientel einen Komplettanschluss offerieren, für den sie kein weiteres Equipment benötigt", gibt Demirörs Einblick in die Gedankenspiele. Ferner stehen Managed Services wie VPNs zur Diskussion.

Die Überlegungen gehen aber noch weiter. Während die Triple-Play-Netze gerade erst aufgebaut werden und nach praktischen Anwendungen gesucht wird, propagieren die Marketiers mit Quadruple Play bereits den nächsten Hype: Die Komponente Mobility erweitert das Triple Play. Die Grundsteine hierzu legt etwa Kabel Deutschland bereits heute. In den Münchner Stadtteilen Neuperlach, Berg am Laim und Ramersdorf hat die Kabel-Company im Rahmen eines Pilotprojekts 100 WLAN-Outdoor-Access-Points in ihren TV-Kabelkästen installiert. Stattet das Unternehmen seine bundesweit 60 000 Verteilkästen damit aus, entstünde eines der bundesweit größten Hotspot-Netze für den mobilen Internet-Zugang, und der Kunde könnte für 1,5 Cent die Minute per VoIP over WLAN mobil telefonieren.