Integration von Text, Daten, Grafik, Bild und Akustik:

Trends und Forschungsaufgaben der Bürokommunikation

20.11.1981

Mit den Anforderungen, die das "Büro der Zukunft" an die verschiedenen Fachgebiete der Informationstechnik stellt, befaßt sich der folgende Beitrag. Als Leiter des Instituts für Informationssysteme und Grafische Datenverarbeitung der Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung, St. Augustin, koordiniert der Autor die Forschungen des Problems "Bürokommunikation ".

Die gegenwärtige Situation auf dem Gebiet der computerunterstützten Bürokommunikation ist durch den wachsenden Einsatz von Textautomaten, die Einführung neuer Postdienste (Teletex), durch Tendenzen zur Integration klassischer (datenbankorientierter) Datenverarbeitung mit der Textverarbeitung gekennzeichnet.

Vier Typen von Inhouse-Netzen

Aufmerksamkeit verdient jedoch die seit längerem bekannte Tatsache, daß in mittleren und größeren Organisationen die hausinterne Kommunikation die externe überwiegt. Aufmerksamkeit aus folgendem Grunde: Immer mehr Hersteller werden sich dieser Tatsache bewußt und bieten entsprechende Produkte an.

Auf der Basis von Inhouse-Netzen (local area networks) gilt es, arbeitsplatznahe Systeme in der eigenen Organisation zu vernetzen und damit kommunikationsfähig zu machen; natürlich werden bei diesen Systemen auch Möglichkeiten für die externe Kommunikation angeboten. Dabei scheinen sich vier verschiedene Typen von Inhousenetzen herauszukristallisieren.

- Der erste Typ ist durch Übertragungsraten im Bereich unter 20 000 Bit pro Sekunde gekennzeichnet. Typische Anwendung (über die "herkömmlichen" hinaus): Nutzung für die organisationsinterne elektronische Textkommunikation (electronic mail). So wird zum Beispiel eine Teletex-Nebenstellenanlage von TeKaDe angeboten.

- Beim zweiten Typ von Inhouse-Netzen werden die seit längerem vorwiegend in den USA eingesetzten Telefonnebenstellenanlagen auf digitaler Übertragungsbasis nun auch für die Datenkommunikation genutzt. Es lassen sich mit diesen Systemen 64 000 Bit pro Sekunde Datenverbindungen schalten. Typische neue Anwendungsbereiche bei diesem Typ: Schnelle Übertragung von faksimilierten Dokumenten, digitale Sprachdatenverarbeitung, insbesondere Abspeichern und Editieren von Sprachnachrichten (speech-filing), später: Funktionsintegration von textlicher und akustischer Informationsdarstellung (mit "Sprachkommentar" versehene Textdokumente). Ein typischer Anbieter dieser Technologie ist Datapoint.

- Der dritte Typ von Inhouse-Netzen ("Hochgeschwindigkeitsnetze", typische Übertragungsrate zehn Millionen Bit pro Sekunde) wird aus der folgenden Sicht favorisiert: Bei grundsätzlich gleichem Anwendungsspektrum wie bei Netzen vom zweiten Typ sollen in diese Netze außer auf einzelne Arbeitsplätze ausgerichtete Bürocomputer auch spezialisierte, "teure" Geräte integriert werden können, in deren Benutzung sich die Arbeitsplatzsysteme teilen. (Hochleistungsausgabegeräte, etwa Laserdrucker; Archive zur Datenverwaltung für eine Gruppe sogenannter Fileserver.) Hier ist vor allem das Stichwort "Ethernet" zu nennen, eine Übertragungstechnik, die von Xerox, Intel, Digital Equipment als Industriestandard propagiert wird.

- Schließlich wird beim vierten Typ, den Breitbandsystemen, zusätzlich die Bewegtbildkommunikation mit eingeschlossen. Auf diese Technologie mit Anwendungen für den Bürobereich setzt Wang.

Neue Bürocomputer

Die Vor- und Nachteile der verschiedenen Netztypen darzustellen ist nicht Aufgabe dieses Beitrags. Es wird hier jedoch die Hypothese aufgestellt, daß alle vier Netztypen in der Zukunft "zum Zuge" gelangen. Dabei dürften mittelfristig (Zeitraum: zwei bis fünf Jahre) dem Typ zwei und drei die größten Chancen eingeräumt werden.

Der Trend zu arbeitsplatznahen Computersystemen (nicht nur im Bürobereich, auch beim rechnergestützten Entwurf oder bei der Softwareproduktion) hat zu einer Reihe interessanter Entwicklungsaktivitäten in Universitätslabors und industriellen Forschungslabors geführt: Dabei geht es darum, leistungsfähige Bürocomputer zu entwickeln, die auf den Arbeitsplatz einer einzelnen Person ausgerichtet sind und darum auch (nicht zu verwechseln mit den gegenwärtig auch unter diesem Namen angebotenen Hobbycomputern) "Personal Computer" genannt werden. Hier sind insbesondere die Rasterdisplaysysteme erwähnenswert. Hierunter sollen Computersysteme verstanden werden, die aus einem leistungsstarken Prozessor, einem hochauflösenden Rasterdisplay, üblicher Peripherie und über einen Zugang zu einem Inhouse-Netz verfügen. Mit Rasterdisplaysystemen sollen verschiedene Anwenderbedürfnisse erfüllt werden, wie

- kaufmännische Grafik (business graphics),

- Führen eines elektronischen Archivs, in dem außer üblichen Texten auch mit Grafiken und Bildern versehene Dokumente abgelegt sind,

- höhere qualitative Textdarstellung (verschiedene Textarten, freie Positionierung von Zeichen, Sonderzeichen, Formeln)

- "papierlose Verarbeitung" von Akten, indem zum Beispiel Schriftstücke gleichzeitig dargestellt und wie am Schreibtisch manipuliert werden können.

Die obige Aufzählung erscheint etwas heterogen; die wesentlichen Entwicklungsimpulse gingen wohl von dem Arbeitsgebiet "Benutzerforschung" aus.

Prominentester Vertreter für diese Systeme ist das von Xerox für den US-Markt angekündigte System "Star". Einige der genannten Anwendungsaspekte werden jedoch auch bei Displayentwicklungen des Unternehmens EGS, Erkrath, verfolgt; eine Studie über Rasterdisplaysysteme der Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung, St. Augustin, faßt den Entwicklungsstand auf diesem Gebiet zusammen.

Auf der Grundlage der oben genannten technischen Entwicklungen ist es prinzipiell möglich, in zukünftigen Bürokommunikationssystemen auf Text, Daten, Grafik, Bild und Akustik basierende Eingabe-, Interaktions- und Ausgabeformen zu unterstützen. Dabei sind insbesondere Erfahrungen und Tests mit Systemen zu sammeln, bei denen die oben genannten Kommunikationsmedien im Anwendungsverbund genutzt werden können. Hierzu ein Beispiel: Ein Manager gibt zu einer auf dem Bildschirm textlich dargestellten Information einen gesprochenen Kommentar, der dann zu der Information hinzugefügt wird und damit jederzeit wieder abrufbar ist. Zusätzlich zum "mehrmedialen Kommunikationsverbund" sind auch vielfältige Transformationsmechanismen zwischen den genannten Medien zu erproben oder noch zu erforschen: Während Sprachausgabe digital abgespeicherter Daten technisch weitgehend beherrscht wird und daher "nur" ein Erprobungsproblem ist (Daten/Sprach-Transformation) führt das Problem der Umwandlung von Sprache in Fließtext auf tieferliegende Mustererkennungsprobleme (Sprache/Text-Transformation) .

Unterstützung kommunikativer Prozesse

Die angestrebte Unterstützung organisationsinterner Kommunikation wird sich nicht, wie heute üblich, auf die elektronische Briefübermittlung (electronic mail), beschränken. Ebenfalls will man sich bei den auf den einzelnen Arbeitsplatz bezogenen Tätigkeiten nicht auf die heute vorwiegend unterstützte Textverarbeitung beschränken. Vielmehr arbeitet man, vorwiegend im Forschungsbereich Bürokommunikation (office information systems) daran, das Zusammenwirken verschiedener Mitarbeiter einer Organisation wesentlich stärker als heute üblich durch Bürocomputersysteme zu unterstützen. Kurz gesagt: Man will die verschiedenartigsten Bürovorgänge in den Griff bekommen. Hierzu müssen diese zunächst einmal verstanden werden (Forschungsgebiet: office semantics) und in ihren Strukturen (Zweck, Entstehung, Ablauf, Aktionen) transparent und beschreibbar gemacht werden (Büromodellierung, office modelling). Dann kann man sich Gedanken über die Art und den Gradtechnischer Unterstützung machen und diese durch geräte- und programmtechnische Maßnahmen realisieren. Bedenkt man dabei, daß es sich bei der "Vorgangsprogrammierung" in der Regel um die Realisierung einer programmtechnischen Maßnahme für ein interaktives und verteiltes System handelt und daß Vorgänge ihre Eigendynamik besitzen, das heißt, sich häufiger in ihrer Aufbau-, Ablaufstruktur und dem Grad der Beteiligung der einzelnen Mitarbeiter einer Organisation ändern, so wird klar, welche Herausforderungen dieser Problemkreis an die Entwickler von Büroprogrammiersprachen stellt. Dieses für künftige Bürosysteme eminent wichtige Gebiet wird in der Bundesrepublik nach Kenntnis des Autors schwergewichtig nur an zwei Stellen bearbeitet, nämlich bei Siemens im Arbeitsgebiet Büroforschung und bei der Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung im Forschungsprogramm "Bürokommunikation" .

Mit der Entwicklung von Bürokommunikationssystemen und der zu "ihrem Betrieb" erforderlichen Büroprogrammiersprachen hängt eng die Frage der Systemgestaltung zusammen: Welche Gestaltungsspielräume gibt es, welchen Einschränkungen unterliegt der Benutzer, wie kann auf Benutzerwünsche reagiert werden, wie kann der Grad der "Automation" gesteigert respektive vermindert werden? Auf diesem Gebiet sind aus den Fachrichtungen Ergonomie, Benutzerforschung, künstliche Intelligenz eine Reihe von Vorschlägen erarbeitet worden, die jedoch noch weitgehend einer Überprüfung im Anwendungsfeld bedürfen. Auch die Probleme der Systemeinführung in die Organisation müssen noch weiter in wissenschaftlich begleiteten Felduntersuchungen studiert werden, obwohl derartige Untersuchungen in der Bundesrepublik einen vergleichsweise breiten Raum einnehmen: Projekte der Bundeswehrhochschule München (Prof. Reichwald) Technische Universität Berlin (Prof. Pape), Institut für Arbeitswissenschaft und Organisation Stuttgart (Prof. Bullinger).

Trotz der starken Anwendungsrelevanz des Forschungsgebietes Bürokommunikation an sich: Es muß verhindert werden, daß sich die Forschung in einen Elfenbeinturm zurückzieht und die Probleme der Praxis "übersieht". Andererseits sollen innovative Forschungsresultate zügig in neue Produkte und Verfahren umgesetzt werden.