Studie zu Mergern und Akquisitionen in der IT-Industrie

Trend zur Konvergenz ließ das Fusionsfieber steigen

09.07.1999
MÜNCHEN (CW) - Zunehmender Wettbewerbsdruck und die Globalisierung der Märkte haben im vergangenen Jahr dazu geführt, daß auch die deutschen IT-Hersteller weltweit kräftig in Sachen Merger und Akquisitionen (M&A) mitgemischt haben.

Die Ausgangssituation für die deutschen IT-Companies ist, wie das internationale Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsunternehmen Arthur Andersen in seiner Untersuchung "Deal Survey 1998 Information Technolgy (IT)" feststellt, mit der ihrer internationalen Wettbewerber identisch: Hard- und Softwareschmieden versuchen ebenso wie IT-Service-Anbieter und Internet-Firmen, durch Akquisitionen und Allianzen globale Infrastrukturen zu etablieren und damit ihre eigene Effizienz zu erhöhen, die Produktpalette zu verbreitern und das Kundenspektrum zu vergrößern. Als Katalysatoren wirken dabei laut Arthur Andersen noch zunehmende Konvergenztendenzen in einzelnen Technologiefeldern, etwa die derzeit vieldiskutierte Sprach-Daten-Integration, sowie der fortschreitende Integrationsprozeß in Europa.

Entsprechend schnell drehte sich 1998 das weltweite M&A-Karussell. So stieg laut Studie der Wert aller Transaktionen im IT-Markt im Vergleich zum Vorjahr um 39 Prozent auf 145,6 Milliarden Dollar. In Europa erhöhte sich das Volumen entsprechender Übernahmen und Fusionen sogar um 72 Prozent auf 37,9 Milliarden Dollar. Vielfach waren darunter die sogenannten Big Deals - dafür spricht auch die Tatsache, daß auf dem Alten Kontinent die Zahl der IT-Mergers gegenüber 1997 lediglich um drei Prozent von 940 auf 964 zunahm. Weltweit wurden knapp 2200 Abschlüsse in der IT-Industrie registriert, was etwa dem Vorjahreswert entspricht.

Allein die deutsche IT-Branche konnte Arthur Andersen zufolge 1998 insgesamt 113 Transaktionen melden. In 59 Fällen seien deutsche Unternehmen die "Akquisiteure" gewesen, 54 Übernahmen gingen von Firmen anderer Nationen aus. Der Wert aller Aufkäufe belief sich hier auf 717 Millionen Dollar. Davon flossen 626,9 Millionen Dollar in den Kauf beziehungsweise in Beteiligungen an deutschen Gesellschaften, 90,1 Millionen Dollar wendeten hiesige Companies für Engagements im Ausland auf.

In ihrer Untersuchung nehmen die Consultants auch die einzelnen Segmente des IT-Marktes unter die Lupe. So war etwa die Zahl der Transaktionen im Hardwarebereich gegenüber 1997 leicht rückläufig (von 631 auf 554); spektakuläre Deals wie der Kauf von Bay Networks durch Nortel oder die Übernahme von Ascend Communications durch die frühere AT&T-Tochter Lucent Technologies ließen jedoch den Wert aller getätigten Unternehmenskäufe um 29 Prozent von 60,4 auf 77,8 Milliarden Dollar klettern. Ähnlich stellte sich die Situation im IT-Servicemarkt dar, der im vergangenen Jahr von einem Rückgang der Transaktionen von 689 auf 613 geprägt war. Hier verringerte sich auch das Gesamtvolumen aller Merger um 18 Prozent auf 11,3 Milliarden Dollar.

Am kräftigsten wirkte sich 1998 der Shake-out innerhalb der weltweiten IT-Industrie bei den Softwarefirmen aus. So stieg dort die Zahl der Fusionen und Übernahmen im Vorjahresvergleich um 17 Prozent auf insgesamt 1522. Das Volumen aller Transaktionen kletterte um 26 Milliarden auf 56,5 Milliarden Dollar. In Europa wuchs die Anzahl der Deals von 412 auf 446; die Summe, die dafür investiert wurde, von 4,9 auf 6,8 Milliarden Dollar. Als herausragende Übernahme des vergangenen Jahres im Software-Business sieht Arthur Andersen den 640 Millionen Dollar teuren Kauf des Antiviren-Spezialisten Dr. Solomons durch Network Associates.

Leider schlüsseln die Consultants in ihrer Untersuchung keine spezifischen M&A-Werte für den Internet-Sektor auf, wenngleich auch hier 1998 mit der Übernahme von Netscape durch America Online (AOL) und den Einstieg des Disney-Konzerns in die Online-Company Infoseek die "Mergermania" ausbrach. Weitere Deals großen Kalibers folgten bekanntlich - etwa der Kauf des Internet-Suchdienstes Excite, den sich die Telefongesellschaft At Home 6,7 Milliarden Dollar kosten ließ, oder die 4,5 Milliarden Dollar schwere Übernahme von Geocities durch Yahoo.

Deutsche IT-Industrie spielt in der Weltliga

Last, but not least attestieren die Berater der deutschen IT-Industrie eine inzwischen angemessene Rolle im Weltmarkt. Man fristet längst kein Mauerblümchendasein mehr, sondern spielt - zumindest in Teilbereichen wie etwa Standardsoftware - in der Weltliga mit, kommt in der Studie sinngemäß zum Ausdruck. Popularität beziehungsweise Marktakzeptanz hat jedoch auch ihren Preis: Im mittelständischen Segment, also der tragenden Säule der deutschen IT-Branche, würden seit 1998 vor allem unabhängige Unternehmen mit starken neuen Wachstumsprodukten und hochqualifizierten Mitarbeitern immer seltener, meint Arthur Andersen. Viele der Firmen (zum Beispiel Heyde, MB Software, Teles oder Plenum) versuchten selbst, mittels Akquisitionen zum Global oder zumindest European Player aufzusteigen; der Rest würde als Übernahmeobjekt gehandelt.

Angesichts besagter Grundkonstellation (Globalisierung und zunehmender Wettbewerbsdruck), der sich der weltweite IT-Markt gegenübersieht, dürften, wie es in der Untersuchung abschließend heißt, im laufenden Jahr die M&A-Aktivitäten erneut zunehmen. Dies auch, weil sowohl in Deutschland wie auch weltweit die Wachstumsperspektiven weiterhin positiv beurteilt werden. Neben dem Internet-Business, wo die Besetzung "strategischer Wettbewerbspositionen" das Übernahmekarussell antreiben wird, erwarten die Berater einen Konsolidierungsprozeß im TK-Bereich ("Voice over IP") sowie in einzelnen Softwaresegmenten (ERP, Supply-Chain-Management, Customer Care).