Trend zu interaktiven -Systemen auch bei der grafischen Datenverarbeitung?

08.07.1977

"Computer Aided Design" wie die grafische Datenverarbeitung überhaupt war bisher ein Stiefkind der EDV, das wohl nicht allzu ernst genommen wurde. In der letzten Zeit aber werden die Konturen um CAD immer klarer. Speziell aus den Gebieten Tief- und Straßenbau, konstruktiver Ingenieurbau und Bauwerksgeometrie im Bereich Hochbau findet man bereits Gesprächspartner, die heute schon Prognosen für CAD wagen: Interaktiven Systemen gehört die Zukunft - doch noch hapert's bei der Software.

Neben diesen Spezialisten sollte sich auch der EDV- Chef einmal überlegen, ob nicht viele seiner Daten, grafisch aufbereitet, leichter interpretierbar sind.

Friedrich Kreickemeier Ingenieurbüro für grafische Datenverarbeitung und Bauwerksgeometrie im Bereich Hochbau, Rüsselsheim

In unserem Bereich geht es nicht allein um den grafischen Ausdruck über einen Plotter, sondern um den Komplex "geometrische Datenverarbeitung". Hierunter verstehen wir das Erstellen von Dateien, die das Abspeichern gesamter Bauwerke in ihrer Geometrie und Funktion ermöglichen und mit Hilfe geeigneter Zugriffsprogramme daraus Zeichnungen erstellen. So liefert die geometrische Datenverarbeitung eine Vielzahl von Aussagen wie zum Beispiel Flächenberechnung, Stücklisten, Grundwerte für die statische Berechnung - kurz gesagt - alle Informationen, deren Basis geometrische Daten sind. Aber erst durch die Vielzahl der Nutzungsmöglichkeiten, kombiniert mit einem komfortablen Änderungsdienst, ist die Wirtschaftlichkeit gewährleistet.

Interaktiver Arbeitsplatz bedeutet Dialog in den Programmen, also Eingriff in die Programme, Kontrollmöglichkeit während des Programm- Ablaufes. Dadurch ist ein sofortiges Reagieren auf jede Unverträglichkeit möglich. Hierbei sollte durch geschickte Abfrage-Routinen auch dem ungeübten Mitarbeiter die Nutzung der Programme ermöglicht werden. Die Wahl der Ein- und Ausgabe-Geräte ist anwendungsbedingt: In vielen Fällen ist bei der geometrischen Datenverarbeitung ein alphanumerisches Terminal vollkommen ausreichend.

Durch den heutigen Stand der Entwicklung ist eine Unverträglichkeit zwischen Groß- und Kleinrechner wie etwa dem Prozeßrechner fast ausgeschlossen. Für die meisten Anwendungen ist jedoch ein Rechner ab 32 KB mit einem leistungsfähigen Compiler und externen Speichern wie Plattenlaufwerken ausreichend. Der Kleinrechner soll dabei so ausgelegt sein, daß er als intelligentes Terminal an einen Großrechner angeschlossen werden kann, um so zusätzlich in Sonderfällen die Vorteile dieses Großrechners nutzen zu können.

Dr. A. Bigelmaier TSB Technische Software, Dr. Bigelmaier GmbH & Co. KG, Wetzlar

Wir beschränken unsere Aussagen J auf den Konstruktionsbereich: Die Ein- und vor allem die Ausgabe der Daten in grafischer Form ist ein nützliches und oft unentbehrliches Kommunikationsmittel. Da die Aufgabenstellungen in der Regel recht komplex sind, bestehen für den Einsatz interaktiver Systeme gute Chancen. Trotzdem sehen wir den Einsatz interaktiver Systeme etwas differenzierter- Da ist der Unterschied zwischen dialoggesteuerter Dateneingabe und interaktiver Programmentwicklung. Dann ist ganz wesentlich, ob die Aufgabe eine produktorientierte Lösung zuläßt oder ob eine methodenorientierte Lösung anzustreben ist. Bei produktorientierten Aufgaben ist die Realisierung einer Dateneingabe-Sprache für die Aufgabenbeschreibung und den Batch-Betrieb oft viel wirtschaftlicher. Erst wenn Aufgaben aus unterschiedlichen Gebieten zu bearbeiten sind, kommen die Vorteile der interaktiven Programmentwicklung voll zur Auswirkung.

Die Frage nach der Übertragbarkeit interaktiver Programmsysteme auf andere Rechner berührt einen weichen Punkt der Datenverarbeitung insgesamt: Hier hilft nur pragmatisches Vorgehen. Wir programmieren auf Prozeßrechnern mittlerer Größe und benutzen Fortran möglichst nur in Standardform. Der Aufwand für die Installation auf größeren Rechnern hält sich dann in erträglichen Grenzen. Prozeßrechner sind heute so leistungsfähig, daß auch umfangreiche interaktive Systeme einschließlich der Grafikkomponenten ohne grundsätzliche Schwierigkeiten realisiert werden können. Wir meinen, daß sich diese Systeme - eventuell angeschlossen an die Datenbank eines Großrechners - als wirtschaftliche Lösung durchsetzen werden.

Dr. Horst Kiesow Geschäftsführer DVO-Datenverarbeitungs-Service Oberhausen GmbH, Gruppe Deutsche Babcock

Die grafische Darstellung von Berechnungsresultaten ist auf dem Gebiet der Technik gang und gäbe. So erlebt man es häufig, daß Techniker Resultate, die per Computer erzielt worden sind, manuell in ein Diagramm übertragen. Eine auf Rationalisierung bedachte EDV-Abteilung sollte aber auch diese manuelle Tätigkeit zu automatisieren versuchen, zumal es heute sehr preiswerte grafische Ausgabegeräte gibt. Es wäre auf alle Fälle eine Untersuchung wert, wie weit auch Gebiete der typischen Massendatenverarbeitung einer grafischen Ausgabe zugänglich sind. Es hat sich so zum Beispiel in der Anwendung der Netzplantechnik herausgestellt, daß es viel besser ist, ein Balkendiagramm zu zeichnen, anstatt eine umfangreiche Terminliste zu drucken. Ebenso lassen sich so Kapazitätsauslastungsübersichten besser darstellen.

Ein weiteres umfangreiches Anwendungsgebiet für die grafische Datenverarbeitung sind die numerisch gesteuerten Werkzeugmaschinen. Es gibt keine ernst zu nehmende computerunterstützte Erstellung von NC-Lochstreifen ohne das Hilfsmittel der grafischen DV.

Das dritte, wichtige Anwendungsgebiet betrifft ein Aufgabengebiet in der Industrie, die Konstruktion. Leider sind auf diesem Gebiet in der Regel derartige Programme sehr umfangreich und teuer. Einen entsprechenden Durchbruch werden wir hier erst dann erzielen, wenn auch hier genügend Standardsoftware auf dem Markt angeboten wird und die Kosten für die Anwender somit erträglicher werden. Dennoch sei dem EDV-Fachmann ins Notizbuch geschrieben: Die Zeichnung ist eine ebenso legitime Darstellung von Informationen wie Ziffern und Buchstaben. Erstere ist aber oft kürzer, anschaulicher und prägnanter.

Heinz Poppenhäger Geschäftsführer, Geo-Data GmbH, Elektronisches Rechen- und Zeichenzentrum, Neunkirch

In den Fachgebieten Vermessung, Straßenbau und Bauplanung ist eine deutliche Tendenz in Richtung grafischer Datenverarbeitung zu erkennen.

Ähnlich wie beim Übergang der manuellen Aufwertung zur EDV-gerechten Verarbeitung unserer Probleme geht jedoch der weitere Schritt zum datengesteuerten Zeichnen nur langsam voran.

Der Einsatz von interaktiven Systemen in unseren Fachgebieten bringt erhebliche Vorteile sowohl in der Quantität wie auch in der Qualität der zu bewältigenden Probleme. Leider fehlt vielerorts auch heute noch das Verständnis und die Aufgeschlossenheit zu neuen Arbeitsmethoden, und dort, wo man die Vorteile solcher Systeme bereits erkannt hat, fehlt der Mut zu Investitionen.

Der Trend bezüglich der verwendeten Rechner für die grafische Datenverarbeitung geht meines Erachtens in zwei Richtungen: Während bei Verwaltungen und Behörden an zentraler Stelle Großsysteme zur Verfügung stehen. bleibt mit Ausnahme weniger Großunternehmen in der freien Wirtschaft nur die Möglichkeit, interaktive Systeme durch kleinere Prozeßrechner beziehungsweise mit den heute zur Verfügung stehenden Anlagen der mittleren Datentechnik zu betreiben. Die Forderung verschiedener Firmen unseres Fachgebietes auf Zusammenschluß und gemeinsamer Errichtung von Großrechenzentren kann aus meiner Erfahrung nicht unterstützt werden.

Persönlich halte ich den Einsatz von Prozeßrechner-gesteuerten Systemen zu denen jeder Planungs-Sachbearbeiter sofortigen Zugriff hat, für die sinnvollste und wirtschaftlichste Lösung.