Kürzere Produkt-Lebenszyklen dokumentieren Anforderungswandel:

Trend geht zum integrierten Konzept

07.02.1986

Um heute am Weltmarkt konkurrenzfähig zu bleiben, reicht es nicht mehr aus, nur die Fertigungsmittel zu automatisieren. Grundlegende Bedeutung gewinnt zunehmend ein durchgehender Informations- und Materialfluß. In diesem Zusammenhang fallen Schlagworte wie "Computer Integrated Manufacturing" oder "Fabrik der Zukunft".

Wenn der Einsatz computergestützter Anwendungen in den letzten drei Jahrzehnten eine stürmische Entwicklung genommen hat, so geschah dies vorwiegend in Einzelbereichen, getrennt nach Funktionen - im Büro, in der Arbeitsvorbereitung, in der Fertigung. Als Ergebnis findet man heute zumeist Automatisierungsinseln, isolierte Lösungen, die den neuen Anforderungen an Produktivitäts- und Flexibilitätssteigerungen nicht mehr genügen.

Lifecycle der Produkte wird immer kürzer

Dieser Wandel in den Anforderungen dokumentiert sich vor allem in den immer kürzeren Lebenszyklen der Produkte. In der deutschen Maschinenbranche zum Beispiel waren bereits 1982 über 50 Prozent der Erzeugnisse weniger als fünf Jahre im Vertriebsprogramm - gegenüber nur knapp 20 Prozent im Jahre 1972. Allein die Nachfrage nach (C)NC-Maschinen stieg laut Aussage des VDMA in einem Zeitraum von 14 Jahren (1970 - 1984) um das Elffache.

Damit ist auch die Produktreifezeit wesentlich kürzer geworden. Lagen früher zwischen einem Entwicklungsauftrag und der Produktionsaufnahme lange Zeiträume, so hat sich dies inzwischen selbst bei technisch hochkomplizierten Erzeugnissen auf nur zwei bis drei Jahre reduziert.

Der Vertrieb braucht heute unmittelbar nach der Ankündigung eine hohe Produktionskapazität, um den zeitlich geschrumpften Wettbewerbsvorsprung in wirtschaftlichen Erfolg umzusetzen. Dieser Prozeß läßt sich durch punktuelle Automatisierungsmaßnahmen allein nicht in den Griff bekommen. Was nutzt zum Beispiel ein hochkomplexes CAD-System, wenn die Fertigung nicht direkt folgen kann, weil sie die während der Konstruktion gewonnene Datenbasis neu aufbereiten muß.

Deshalb reicht langfristig die Automatisierung einzelner Fertigungsinseln allein nicht mehr aus. Es kommt vielmehr darauf an, die Reaktionsfähigkeit des gesamten Unternehmens zu verbessern - und dies insbesondere vor dem Hintergrund zunehmender Einzelfertigung bei den mittelständischen Betrieben gerade in der Bundesrepublik.

Um Zeiten und Kosten in der Auftragsbearbeitung entscheidend zu senken, muß auch dieser Bereich integriert werden. Wesentliche Voraussetzung dazu ist die Verbesserung von Informations- und Materialfluß. Von der Akquisition über den Auftragseingang, vom Entwurf über Konstruktion, Arbeitsvorbereitung, Produktionsplanung bis hin zum automatischen Ablauf des Fertigungsprozesses sind alle Teilbereiche eines Unternehmens in einen Gesamtprozeß stufenweise zu integrieren. Das ist eine wesentliche Voraussetzung, technischen Vorsprung trotz hoher Fertigungskosten in Wettbewerbsvorteile umzumünzen.

Der jeweils sinnvolle Automatisierungsgrad ist wesentlich von der jeweiligen Unternehmensstruktur und den zu produzierenden Gütern abhängig. Hierfür steht CIM als ein Konzept. Als übergreifende Lösung stellt Computer Integrated Manufacturing vor allem eine interdisziplinäre Zielsetzung dar, geht über den Ablauf in der Fertigungshalle hinaus und setzt die Automation über Kostenstellen und Bereichsgrenzen voraus. Die Konsequenz daraus: Zuerst kommt IM (organisatorisch) und dann erst CIM (mit Software und Systemen).

Der Markterfolg der Anbieter von Automatisierungssystemen wird zunehmend von den Vernetzungsmöglichkeiten ihrer Produkte bestimmt. So beobachten wir einen deutlichen Trend zu integrierten Systemen auf der Basis von Mini- und Mikrocomputern. Vor allem im Bereich der Produktionsplanungs- und -steuerungssysteme gewinnt die Schnittstellenfrage marktentscheidende Bedeutung.

Die Anwenderforderungen gehen dabei sowohl in Richtung auf andere administrative Software-Systeme, zum Beispiel Kostenrechnung, wie auf die direkte Kopplung mit dem Produktionsprozeß. Allein aus der großen Verbreitung von PPS-Systemen in der Industrie ist zu schließen, daß der gesamte Integrationserfolg in erster Linie davon abhängt, wie diese Systeme mit anderen Bereichen der rechnergestützten Produktion verknüpft werden können.

Materiallogistik gewinnt weiter an Bedeutung

Durchgesetzt im Rahmen der Produktionssteuerung haben sich mittlerweile vor allem materialflußorientierte Systeme. Dies entspricht der zunehmenden Bedeutung der Materiallogistik, nachdem heute über 80 Prozent der Gesamtverweilzeit eines Produktes im Betrieb reine Wartezeiten ausmachen.

Ebenso erhält neben dem Bearbeiten und Transportieren die Handhabung einen immer größeren Stellenwert. Die Integration aller drei Vorgänge im Sinne von flexiblen Fertigungssystemen ist Grundvoraussetzung für hohe Flexibilität und kurze Durchlaufzeiten in der Produktion.

Dies müssen wir heute ebenso im übergeordneten Produktionsplanungssystem berücksichtigen wie au Rückmeldungen aus der Lagerverwaltung und dem Bereich Kommissionierung/Versand. Gerade durch Kopplung mit Automatisierungssystemen in letzterem Bereich erhöht sich die Flexibilität des Angebotsspektrums, die Lieferfähigkeit wird beschleunigt und die Lagerfläche reduziert.

Gemeinsame Datenbasis wird erforderlich

Als weitere Trends im PPS-Bereich lassen sich nennen:

- Erweiterung der PPS um "technological planning" für Werkzeug-/ Vorrichtungsmittel-Planung,

- Offline-Programmierung bei Robotern,

- Anlagen-Layout mit Simulation des Materialflusses.

Erhebliche Auswirkungen wird auch die Ablösung der Stand-alone-NC-Programmiersysteme durch Funktionserweiterungen der CAD-Systeme haben. Spätestens zu diesem Zeitpunkt ist eine gemeinsame Datenbasis erforderlich, die die individuellen Datenbestände, aus denen Distribution, Konstruktion und Fertigung bis dahin ihre Informationen bezogen haben, ersetzt.

Diese gemeinsame Datenbasis ist zugleich die Grundlage für die meist fehlende Rückführung der Daten aus der Fertigung in die Konstruktion im Rahmen der Qualitätssicherung (CAQ). Qualitätskontrolle gewinnt an Bedeutung in allen Fertigungsabschnitten.

Der Aufgabenumfang der Produktionsplanungs- und -steuerungssysteme im Rahmen von CIM wächst. Die derzeit angebotenen Standard-PPS-Systeme erfüllen nur einen kleinen Teil - in der Regel die übergeordneten, nicht zeitkritischen planenden und steuernden Aufgaben. Für die eigentliche Prozeßkopplung ist die Realisierung von Fertigungsleitsystemen mit Echtzeit-Fähigkeiten erforderlich.

Fertigungsleitsysteme haben die Aufgabe, die von der Planungsebene vorgegebenen Anweisungen durchzusetzen, das heißt Auftragsbearbeitung, Maschinenbelegung und Optimierung der Kapazitätsauslastung sicherzustellen. Echtzeit-Betriebsdaten-Erfassung am Entstehungsort der Daten ist dazu die entscheidende Grundlage. Stückzahlen, Zeiten, Qualitäten und Störgründe müssen daher möglichst direkt an der Maschine abgegriffen werden.

Zusätzlich können intelligente Terminals in der Produktion den Umfang der Arbeitsbegleitpapiere und deren Verwaltung erheblich reduzieren. In Verbindung mit der Möglichkeit zur direkten Datenübertragung der technologischen Einstellwerte an die Maschinen sowie die Einbindung zum Beispiel von Wage- und Dosiereinrichtungen, Regalförderzeugen oder Transporteinrichtungen lassen sich so Fertigungsabläufe optimal steuern.

Jede Automatisierungsmaßnahme ist dabei Teil eines geschlossenen "Regelkreises" zwischen den verschiedenen Stationen.