Traumjob oder Albtraum? – CIO bei Real Madrid

21.10.2009
Von 
Karin Quack arbeitet als freie Autorin und Editorial Consultant vor allem zu IT-strategischen und Innovations-Themen. Zuvor war sie viele Jahre lang in leitender redaktioneller Position bei der COMPUTERWOCHE tätig.
Enrique Uriel Arias hat den besten Platz im Stadion, aber er kann das Spiel nicht wirklich genießen.

Ende 2004 musste das Ein- und Auslasssystem seine Feuertaufe bestehen. Eine Bombendrohung machte es notwendig, das gut besetzte Bernabeu-Stadion rasch zu leeren. Ganze achteinhalb Minuten habe es gedauert, Zehntausende von Menschen ins Freie zu schleusen, beteuert Enrique Uriel Arias, Chief Information Officer des Fußballclubs Real Madrid. Das sei nur möglich gewesen, weil sich die engen Stadioneinlässe auf Knopfdruck auseinanderschieben ließen.

Der große Bruder sieht stets zu

Höchstpersönlich überwacht der CIO an Spieltagen die Steuerung dieses Systems sowie der 300 Lautsprecherboxen, 700 TV-Sets und 500 Kameras, die auch die dunkelsten Ecken des Stadions ausleuchten. Das gesamte Equipment ist in einem IP-Netz mit dem zentralen Überwachungssystem verbunden. Sollte ihm etwas Ungewöhnliches auffallen, kann Uriel Arias beispielsweise von seinem Handy aus direkt eine der Lautsprecherboxen anrufen und eine Warnung durchgeben. "Wir sind der große Bruder", bekennt er.

Allerdings sei es "ein Albtraum, das alles zu unterhalten", räumt der IT-Spezialist ein, der vor zehn Jahren als Berater zu Real Madrid kam. Allein die Instandhaltung der Überwachungs- und Broadcasting-Systeme verschlinge sieben Millionen Euro im Jahr: "Und ein Return on Investment ist schwer zu finden." Der Betrieb von Business-Anwendungen wie der ERP-Software "Axapta" von Microsoft ist hier noch gar nicht eingerechnet.

An schwierige RoI-Berechnungen sind Fußballvereine im Prinzip gewöhnt. Wie lange Uriel Arias wohl sein Budget decken könnte, bis die 94 Millionen Euro aufgebraucht wären, mit denen die "Königlichen" im Sommer dieses Jahres die Verpflichtung des Portugiesen Cristiano Ronaldo finanziert haben? "Ewig", antwortet der CIO. Warum der Club so viel Geld für einen einzigen Spieler ausgeben müsse, leuchte auch ihm nicht ein: "Ich hätte da hundert Ideen, wofür man das sinnvoller ausgeben könnte."

Hardcore-Fan im feinen Zwirn

Dabei bezeichnet sich Uriel Arias eigentlich als Hardcore-Fan ("I am ultra!"). Hat er also seinen Traumjob ergattert? Nicht wirklich, denn dazu lastet zu viel Verantwortung auf ihm. Während des Spiels hat er den besten Platz im Stadion. Aber genießen kann er ihn immer erst ab der Mitte der zweiten Halbzeit. Wenn kurz vor Spielschluss die Tore geöffnet werden, dann entspannt er sich und sieht dem Treiben auf dem Rasen zu. Für einen echten Fan ist das sicher ein bisschen wenig.