Transportindustrie muss zahlreiche Datenformate unterstuetzen Im Speditionswesen hat der Versender bei EDI das Sagen

23.07.1993

Das Prinzip "Der Staerkere hat das Sagen" gilt auch in der EDI- Szene im Speditionswesen. Die Spediteure muessen sich in der Regel den EDI-Verfahren ihrer Kunden anpassen, was zu einem babylonischen Gewirr an Datenformaten fuehrt. Um auch den kleineren Speditionen eine Chance zu geben, hat die Vereinigung Deutscher Kraftwagenspediteure (VKS) mit EDI*TSL ein EDI-Clearing-Center und eine fuer die Verkehrsbranche gueltige Loesung entwickeln lassen. Gerd Schlossmacher* und Michael Werner* beschreiben am Fallbeispiel der Denkhaus System-Liefergut GmbH und Hewlett- Packards den EDI-Datentransfer mit dem VKS-System.

Durch den Einsatz von EDI koennen im zwischenbetrieblichen Gueteraustausch durch automatische Ablauf- und Informationssteuerung die Zusammenarbeit von Betrieben synchronisiert, Prozesse beschleunigt und Fehler in der Auftragsbearbeitung reduziert werden. Dazu sind leistungsfaehige und kostenguenstige Systeme zur Verbindung der an logistischen Ketten beteiligten Partner gefragt.

Die deutschen Spediteure praktizieren EDI schon seit mehreren Jahren. Die am staerksten verbreiteten Datenaustauschbeziehungen sind:

- Austausch der Border-Daten zwischen dem Versandspediteur und dem Empfangsspediteur. Die Daten werden haeufig in dem sogenannten IDS- Format uebertragen, das als branchenspezifisches Format der deutschen Spediteure betrachtet werden kann.

- Die Luftfrachtspediteure tauschen mit dem deutschen Zoll die Gestellungs- und Verzollungsdaten zu importierten Luftfrachtsendungen in dem proprietaeren Datenformat des Zollsystems "Alfa". Nach einem aehnlichen Prinzip und mit aehnlichen Daten werden die Verzollungsdaten der Strassenspediteure mit dem System "Douane" gewechselt.

Falls eine Datenverbindung mit Versendern besteht, uebertragen die Versender zum Versandspediteur den Speditionsauftrag oder Datensaetze, aus denen dieser generiert werden kann. Zum Datenaustausch gibt es eine bilaterale Absprache, die in der Regel dem Wunsch des Versenders entspricht.

Gerade auf der Seite der Verbindung zwischen Versender und Spediteur besteht mittlerweile ein babylonisches Sprachgewirr, in dem eindeutig der Staerkere (sprich Versender) das Sagen hat und der Spediteur unter Umstaenden eine Reihe von unterschiedlichen EDI-Mechanismen beherrschen muss.

Weitere Datenbeziehungen wie die Benachrichtigung des Empfaengers durch den Empfangsspediteur, Beauftragung des Frachtfuehrers durch den Versandspediteur oder Bereitstellung der Statusdaten einer Sendung an den Versandspediteur haben bisher einen Seltenheitswert, obwohl sie die Transparenz und Steuerbarkeit der Guetertransportkette wesentlich verbessern.

Auf den Spediteur kommt eine aufwendige Aufgabe zu, wenn er diverse Datenformate, Kommunikationsprotokolle und Datennetze oder unterschiedliche VANs unterstuetzen muss. Fuer die groessten Speditionshaeuser mit entsprechender DV-Kapazitaet und Know-how stellt dies ein loesbares Problem dar, wenn auch zu unverhaeltnismaessig hohen Kosten. Diese werden jedoch teilweise gerne in Kauf genommen, um sich von solchen Speditionen abzugrenzen, die aufgrund ihrer Groesse das Know-how oder das erforderliche Geld fuer den Aufbau eigener EDI-Systeme nicht haben. Fuer kleinere Spediteure ohne Know-how sind Ressourcen im Zusammenhang mit EDI ein ernsthaftes Problem.

In vielen Branchen und Unternehmen der Wirtschaft hat sich nicht zuletzt unter dem Zwang zum Sparen die Erkenntnis durchgesetzt, in Kommunikationsbeziehungen anstelle individueller Absprachen international standardisierte Nachrichten und Protokolle einzusetzen. Die technischen Voraussetzungen hierfuer sind mittlerweile grundsaetzlich vorhanden.

Mit Edifact wurden international abgestimmte, branchenuebergreifende Regeln zur Definition von Handelsnachrichten geschaffen. Im Rahmen von Edifact ist auch eine Reihe von speditions- und transportbezogenen Nachrichten aus dem "International Forwarding and Transport Message Framework" (IFTM) Ende 1991 verabschiedet worden. Dabei handelt es sich um folgende Nachrichtenstandards, die wesentliche Informationen fuer den Geschaeftsverkehr im Transport- und Speditionsbereich abdecken:

- Buchungsanfrage (IFTMBP),

- Buchung (IFTMBF),

- Buchungsbestaetigung (IFTMBC),

- Auftrag (IFTMIN) sowie

- Avis (IFTMAN).

In der Entwicklung ist ein weiterer Nachrichtenstandard fuer den Border-Datenaustausch im Sammelgutverkehr auf der Basis der Nachricht "International Forwarding and Consolidation Summary Message Instruction" (IFCSUM). Auf der Basis des Edifact- Nachrichtentyps "International Forwarding and Transport Message Instruction" (IFTMIN) haben der BSL und der Zentralverband der Spediteure in Oesterreich im Mai 1992 einen anwendungsbezogenen Leitfaden "Elektronischer Speditionsauftrag" fuer den elektronischen Datenaustausch von Auftragsdaten vorgelegt.

Mit Blick auf die internationalen Logistikmaerkte ist davon auszugehen, dass auch von den deutschen Speditionen in naher Zukunft immer haeufiger die Anwendung von Edifact-Standards zur Auftragsabwicklung erwartet wird. Im Bereich Datenuebertragung gibt es weltweite leistungsfaehige Netzwerke, standardisierte Kommunikationsprotokolle (als ein Beispiel sei hier X.400 angefuehrt), Datenumsetzprogramme (Konverterund kommunikationsorientierte Computersysteme.

Ein Beispiel soll zeigen, warum EDI fuer den Spediteur als Dienstleister so wichtig ist. Die Verlader (also der Absender einer Fracht) haben ein ganz wesentliches Interesse daran, zu erfahren, wo sich ihre Fracht im Augenblick befindet. Sie verlangen in steigendem Masse die elektronische Uebertragung der Speditionsauftraege und der Anlieferungsstati, um schnell ueber wichtige Informationen verfuegen zu koennen.

Eine solche Moeglichkeit bietet das von der VKS angebotene Clearing-System EDI*TSL (EDI fuer Transport, Spedition und Logistik). Das System betreibt VKS gemeinsam mit der Firma MLC Management, Logistik und Communication GmbH in Ratingen, deren allgemein einsetzbares EDI-Softwarepaket EDI*SYS das Herz des Clearing-Centers bildet.

Die Aufgabe von EDI*TSL ist der Datenaustausch zwischen allen Beteiligten in der Guetertransportkette vom Versender bis zum Empfaenger, wobei es als Vermittler zwischen unterschiedlichen Rechner-, Uebertragungs- und Softwaresystemen fungiert.

Moeglich ist der Austausch von typischen Dokumenten wie Speditionsauftrag, KVO-Frachtbrief, Bordero, Lieferschein, Anlieferungsbestaetigung oder auch anderer Dokumente und Informationen, die in der Logistik im Einzelfall benoetigt werden.

EDI*TSL empfaengt von den Verladern die Speditionsauftraege unabhaengig davon, ob diese

- direkt von dem System des Verladers ueber Datex-P,

- von PCs ueber eine Fernsprechleitung

- oder ueber einen VAN-Anbieter uebertragen werden.

Die Speditionsauftraege (zum Beispiel Edifact) vom Verlader werden in die internen Datenformate der Spediteure umgesetzt. Bei der Statusinformation gilt der umgekehrte Weg. Auch Borderos und Stati zwischen Spediteuren koennen ueber das System des VKS ausgetauscht werden.

Das Beispiel des Datenaustausches zwischen Hewlett-Packard, Boeblingen, und dem System-Gut Regionalbetrieb Ludwigsburg der Spedition Denkhaus soll die Moeglichkeiten von EDI*TSL aufzeigen und beweisen, dass EDI schnell, einfach und erfolgreich in die Praxis eingefuehrt werden kann.

Der System-Gut Regionalbetrieb Ludwigsburg (weiter System-Gut genannt) uebernimmt taeglich 150 bis 200 Sendungen von Hewlett- Packard (HP), Boeblingen, zur Verteilung innerhalb der BRD. Zur Verbesserung der logistischen Steuerung sowie Einsparung von administrativen Kosten sollten die Auftragsdaten von HP an den

Betrieb in Ludwigsburg elektronisch unter Einsatz von EDI uebertragen werden. HP erwartete, gleichzeitig ebenfalls per EDI, die Benachrichtigung ueber ausgefuehrte Zustellungen. System-Gut hat nach eingehender Pruefung entschieden, fuer den EDI-Betrieb das VKS- System einzusetzen.

HP nutzt fuer den elektronischen Datenaustausch weltweit den "EDI*Express-Dienst" von Geis und tauscht die Daten im Edifact- Format aus. Bei dieser EDI-Anwendung kommen die IFTMIN fuer den Speditionsauftrag und die IFTMAN fuer den Anlieferungsstatus zum Einsatz.

Fuer System-Gut ist daher die Schnittstelle zu EDI*Express massgebend, wo die IFTMIN zur Verfuegung stehen und die IFTMAN fuer die Auslieferung des Vorvortages abzulegen sind. Fuer diese Aufgabe wird EDI*TSL von System-Gut in folgenden Einzelschritten zwischengeschaltet:

- Abruf aller IFTMIN fuer den Betrieb Ludwigsburg durch EDI*TSL,

- Konvertierung der IFTMIN in Speditionsauftraege von System-Gut im Inhouse-Format auf EDI*TSL,

- Bereitstellen der Speditionsauftraege auf dem VKS-System fuer den Abruf durch AS/400 in Ludwigsburg (passive Mailbox),

- Empfang der Anlieferungsstati des Vorvortages von der AS/400 in Ludwigsburg,

- Konvertierung der Anlieferungsstati in IFTMAN sowie

- Uebertragung der IFTMAN zu EDI*Express zu einem vereinbarten Zeitpunkt (oder zusammen mit der Uebertragung der IFTMIN von EDI*Express zu EDI*TSL).

Fuer die Realisierung und Inbetriebnahme des Anschlusses von System-Gut mit einer AS/400 und HP ueber EDI*Express sowie die Erstellung der notwendigen Konvertierungstabellen wurde ohne Beruecksichtigung von den EDI-Partnern nachtraeglich gewuenschter Aenderungen ein Aufwand von lediglich 15 Manntagen benoetigt.

Fazit: Durch den Einsatz von EDI konnte die Qualitaet der administrativen Vorgaenge an das hohe Niveau der Transportqualitaet angepasst werden. Ausserdem liessen sich durch den Wegfall der manuellen Erfassung von Sendungsauftraegen Fehler und Kosten reduzieren sowie eine schnellere und umfassendere Information des Versenders ueber den aktuellen Status seiner Sendungen gewaehrleisten. Insgesamt konnte eine hoehere Kundenbindung durch verbesserte und beschleunigte Serviceleistungen erreicht werden.

*Gerd Schlossmacher ist Mitarbeiter der Erich Denkhaus Internationale Spedition AG in Koblenz. Michael Werner ist fuer die Vereinigung Deutscher Kraftwagenspediteure GmbH in Duesseldorf taetig.