Transparenz im Stahlwerk

Transparenz im Stahlwerk

17.01.2007
Das Schoeller Werk mit etwa 850 Mitarbeitern ist einer der größten Hersteller geschweißter Edelstahlrohre. Das mittelständische Unternehmen produziert jährlich 50 000 Tonnen Edelstahlrohre an verschiedenen Standorten in Hellenthal/Eifel. Um den Fertigungsprozess der Rohre weiter zu optimieren, realisierte Schoeller eine Lösung zur mobilen Betriebsdatenerfassung, die die gesamte Produktionskette - von der Warenannahme bis zur Auslieferung, umfasst.

Dadie vorhandenen Systeme beim Stahlrohrhersteller Schoeller im kaufmännischen Bereich und zur Planung und Überwachung der Produktion nur unzureichend miteinander verbunden und technisch veraltet waren, sollte eine neue integrierte Lösung her. Gleichzeitig sollten die Papierformulare in der Fertigung durch elektronische Datenerfassung ersetzt werden. Erklärtes Ziel aller Beteiligten war es, die Prozesse vom Wareneingang über die Lagerhaltung bis hin zur Fertigung zu optimieren und so die Übersicht über die vorhandenen Materialbestände transparenter zu gestalten - auch um Kundenwünsche möglichst gut erfüllen zu können. Die neue Lösung sollte wie die bisherigen Eigenentwicklungen vom IT-Team des Unternehmens administriert und weiterentwickelt werden können.

„Die Situation vor Einführung der mobilen Betriebsdatenerfassung war nicht mehr zeitgemäß und entsprach nicht den Anforderungen des Produktionsprozesses eines am Weltmarkt agierenden Unternehmens, das Edelstahlrohre bis nach Südamerika, Indien und China liefert“, erklärt der technische Leiter bei Schoeller, Dietmar Schulz. „Unser gesamtes Erfassungssystem war noch papierbasiert. Die Daten wurden von Hand eingegeben, was zu Fehlern und Verzögerungen führte. Wir benötigten eine durchgängige Lösung, die von der Angebotsabgabe bis zum Versand der fertigen Produkte reicht.“

Aufgrund der manuellen Datenerfassung auf Papier kam es zu fehlerträchtigen und verzögerten Prozessen. Die Basis für die Herstellung von Rohren sind Edelstahlbänder, die aus verschiedenen Stahlwerken angeliefert werden. Dabei musste früher jede Lieferung manuell überprüft werden. Die über Papierformulare gesammelten Daten wurden von der Warenannahme zur Firmenzentrale weitergegeben, wo die elektronische Datenerfassung erfolgt. Durch diese Verzögerungen war Schoeller aber in der misslichen Lage, die Stahlbänder erst zwei Tage nach Anlieferung weiterverarbeiten zu können. Bei 50 000 Stahlbändern im Jahr bestand ein großer Handlungsbedarf.

Nach der Warenannahme werden die Edelstahlbänder in die Bandlager transportiert. Bei Schoeller gibt es dafür neun Bandlager an drei Standorten. Der gesamte Lagerbestand umfasst zwischen 5000 und 6000 Bänder. Zum Teil erfolgt die Lagerung an Standorten, wo keine Weiterverarbeitung stattfindet. Deshalb müssen die Stahlbänder zwischen den verschiedenen Lagern hin und her transportiert werden. Wird für die Produktion ein bestimmter Bandtyp benötigt, riefen früher die Mitarbeiter einfach bei den verschiedenen Lagern an. Wenn es dumm lief, konnten die Bänder dann aber nicht rechtzeitig an den Produktionsstandort geliefert werden. Die fatale Folge: Die Maschinen standen still.

„Die Anforderungen von Schoeller an das neue Produktionsplanungs- und Kontrollsystem konnten nur über eine mobile Betriebsdatenerfassung in den Hallen umgesetzt werden. Eine Abdeckung der Produktionsstätten über Industrie-PCs wäre zu teuer und unflexibel gewesen, um wirklich die Ströme von Vormaterial und halb fertigen Rohren im Unternehmen abbilden zu können“, sagt Michael Fischer, Geschäftsführer des mit der Planung und Umsetzung des neuen Lösung beauftragen Systemhauses Fischer & Consultants.

Die Mitarbeiter von Schoeller setzen jetzt extrem widerstandsfähig Symbol-Industrie-Handhelds ein. Daneben verfügen sie über einen Barcode-Scanner mit einer Reichweite von bis zu sieben Metern und einer vollwertigen Tastatur. Auch für Mitarbeiter, für die Computer neu sind, sind die Geräte einfach zu bedienen. Mit den Barcode-Scannern erfassen die Mitarbeiter alle Daten: Informationen zum Bandtyp, zur verarbeitenden Maschine, Lieferanten, Kunden und zum verbuchenden Mitarbeiter. Für jede Information existiert ein eigener Barcode, der auf einem Etikett abgebildet ist. Die Etiketten mit den Barcodes sind sowohl auf den Stahlbändern als auch an den Maschinen und Werkzeugen angebracht.

Diese müssen auch bei eisiger Kälte im Winter und bei großer Hitze im Sommer halten und dürfen gleichzeitig keine Rückstände auf dem Stahl hinterlassen, da die Maschinen ansonsten beschädigt werden könnten. Die über die Etiketten gescannten Informationen werden in der Anwendung „Roma Mobile“ erfasst und verarbeitet. Sie liefert jetzt die Informationen, an welcher Maschine oder an welchem Lagerort gerade welches Stahlband beziehungsweise welcher Auftrag bearbeitet wird. Dadurch kann man auch genau feststellen, wann die Verarbeitung an einer Maschine abgeschlossen ist und mit der Verarbeitung eines neuen Stahlbands begonnen werden kann. Viele der Informationen stehen nun nicht mehr nur auf den Büro-PCs sondern auch auf den mobilen Geräten zur Verfügung.

Um eine Verfügbarkeit der erfassten Daten im gesamten Unternehmen zu gewährleisten, hat Scholler durch eine Online-Verbindung die Verknüpfung der Datenerfassung mit der zentralen Datenbank gewährleistet. Dafür wurde an den verschiedenen Standorten und in 16 Werkshallen ein WLAN mit 100 Access Points installiert. Da aufgrund der geografischen Schwiereigkeiten in der Eifel eine Funk- und Sichtverbindung zwischen den Standorten nicht ohne weiteres hergestellt werden konnte, benötigte Schoeller ein Funk-Relay. Über die WLAN-Verbindung werden die erfassten Daten nun an die Datenbank SQL Anywhere von iAnywhere weitergeleitet. Roma Mobile und SQL Anywhere bewältigen hohe Datenmengen: Insgesamt werden monatlich über 55 000 mobile Buchungen durchgeführt. Zusätzlich verarbeitet die zentrale Datenbank alle Buchungen aller übrigen Module (wie etwa Einkauf, Materialdisposition Produktionsplanung).

Aus 50 000 Tonnen Edelstahlbändern produziert Schoeller jährlich so viele Rohre, dass man damit zweimal den Äquator umrunden könnte. Schoeller hat dabei ständig den aktuellen Überblick über die Produktion und kann so die Stillstandzeiten der Maschinen reduzieren. Die Produktion läuft jetzt rund. Sämtliche Stationen der Fertigungskette profitieren von der mobilen Lösung.

Denn heute weiß die Warenannahme, welche Ware erwartet wird. Die Lieferung wird über die mobile Lösung erfasst und mit der zentralen Datenbank abgeglichen. Dadurch stehen die Daten und damit die Ware sofort zur Verfügung. Die Ware kann vom Lkw direkt in die Fertigung transportiert werden. Und: War die Inventur in der Vergangenheit eine äußerst aufwendige Angelegenheit, haben heute vier Mitarbeiter in drei Stunden sämtliche Bänder inventarisiert. Auch die Mitarbeiter in den Werkshallen profitieren: Die Lösung liefert aktuelle Daten, wie lange einzelne Stahlbänder und Aufträge an Maschinen laufen. Entsprechend können sie in ihren Übergangszeiten andere Aufgaben übernehmen. In der Zentrale erhalten die Mitarbeiter stets aktuelle Daten, um ihre Angebote genau kalkulieren zu können. Der Kunde erhält die gewünschten Informationen darüber, wann Rohre zur Verfügung stehen und wie lange der Produktionsprozess dauert.

Die Gesamtkosten für die Entwicklung und die Integration der mobilen Lösung betrugen rund 1,5 Millionen Euro. „Mit Einführung kann die gleiche Zahl an Mitarbeitern die gesteigerte Produktion und den höheren Aufwand bei der Lagerverwaltung bewältigen“, sagt Schulz. Für die nächste Ausbaustufe plant Schoeller jetzt die komplette Integration des kaufmännischen Systems mit dem laufenden Produktionsplanungssystem. Der Geschäftsprozess soll dann durchgängig abgebildet werden - von der Angebotsannahme bis zur Auslieferung.