IT-Forschung/Forschungszentrum Informatik und CAS Software AG ergänzen sich

Transfer zwischen Wissenschaft und mittelständischer Wirtschaft

28.07.2000
Deutsche Universitäten und Forschungseinrichtungen erzielen in der Grundlagenforschung gute Ergebnisse. Schlechter bestellt ist es um Verbreitung und Aufnahme neuer Technologien in der Wirtschaft. Sie ist - im Gegensatz zur langfristigen Perspektive der Wissenschaft - gezwungen, sich auf schnell verändernde Märkte einzustellen. Bernhard Kölmel* vom FZI in Karlsruhe zeigt an einem Beispiel, wie sich diese Lücke schließen lässt.

Der Entwicklungszyklus einer neuen Technologie durchläuft bis zu deren Marktreife drei Stadien, die unterschiedliche Transferleistungen erfordern.

In der Grundlagenforschung arbeiten wissenschaftliche Institute und Kompetenzzentren mit Technologieführern zusammen. Hierbei stehen immer neue Technologien, selten jedoch neue Produkte am Ende des Transfers.

Der klassische Technologietransfer (Trial Applications) bezieht sich überwiegend auf ein herausragendes Forschungsergebnis. Die dort beschriebene Lösung wird anschließend von einem Innovationsführer in ein Produkt umgesetzt. Ergebnisse aus der Grundlagenforschung gelangen häufig über den Trial-Application-Transfer zur Produktreife.

Bei dem dritten Typus geht es um die Wertschöpfung (Best Practice). In diesem Fall wurde der Einsatz einer neuen Technologie schon im Rahmen eines Pilotprojekts erprobt. Das kooperierende Unternehmen überträgt die vorliegenden Resultate teilweise in sein Tagesgeschäft und übernimmt diese bei erfolgreichem Einsatz vollständig. Best Practice ist für drei Viertel aller deutschen Unternehmen die wichtigste Form des Technologietransfers.

Um als kooperierendes Unternehmen in den Genuss von Transferleistungen zu gelangen, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Genauso wichtig wie ein starkes Interesse an innovativen Technologien ist eine weitgehende Kooperationsbereitschaft. Dies ist häufig die größte Hürde für eine gute Zusammenarbeit.

Transferprojekte haben in der Regel eine begrenzte Laufzeit von 18 Monaten. "Trotzdem sollten sich die Unternehmen durch ein gewisses Beharrungsvermögen auszeichnen", betont Peter Nieß, der Leiter des Steinbeis-Europa-Zentrums (SEZ) in Stuttgart. "Denn oft sind im Rahmen eines Projekts Vorleistungen zu erbringen, die sich erst später auszahlen."

Schließlich erwarten die fördernden Institutionen, dass sich die Wissensvermittlung nach Projektende fortsetzt und die beteiligten Unternehmen ihre Arbeitsergebnisse auf Konferenzen und in Workshops der Öffentlichkeit vorstellen.

Das Forschungszentrum Informatik an der Universität Karlsruhe ist eine Stiftung des öffentlichen Rechts und wurde 1985 vom Land Baden-Württemberg gegründet. Es stellt mittelständischen Unternehmen neue Technologien in zeitlich überschaubaren Projekten zur Verfügung.

Unter seinem Dach sind elf Forschungsabteilungen angesiedelt, die eng mit Schwesterinstituten an der Universität Karlsruhe zusammenarbeiten. Daher kann das Zentrum gut 80 Prozent aller Projekte im Bereich der Informationstechnologie abdecken.

Pro Jahr managt das FZI mehr als 100 Projekte mit zirka 300 Partnern. Diese stammen zu 40 Prozent aus Baden-Württemberg und jeweils zu 30 Prozent aus anderen Bundesländern und dem Ausland. Kleine und mittelgroße Unternehmen sind hierbei mit über 50 Prozent gut vertreten.

Als wichtige Kontaktstelle für den Technologietransfer fungiert das Verbindungsbüro für Förderung und Wirtschaft. Die Mitarbeiter dieser Abteilung stellen Kontakte zu europäischen Industrieunternehmen her, betreuen Transferprojekte und sind bei den EU-Gremien in Brüssel präsent. Zusammen mit dem SEZ berät das Verbindungsbüro in allen Fragen der Forschungsförderung.

Karlsruhe hat ein transferfreudiges Klima

Der Großraum Karlsruhe zeichnet sich durch die europaweit höchste Forscherdichte aus. Die intensive Zusammenarbeit zwischen Forschungseinrichtungen, Technologietransferstellen und dem in Baden-Württemberg traditionell starken Mittelstand hat in der badischen "Technologieregion" ein transferfreudiges Klima entstehen lassen.

Ein enger Partner des FZI ist der mittelständische Softwarehersteller CAS Software AG in Karlsruhe. Das Unternehmen, das 1986 gegründet wurde und heute mehr als 100 Mitarbeiter beschäftigt, entwickelte zunächst Individualsoftware im Bereich Vertriebsunterstützung. 1991 begann man mit der Produktion von Standardsoftware für professionelle Routenplanung und Informations-Management. "Nachdem wir uns auf dem deutschen Markt etabliert hatten, war das nächste Ziel die Internationalisierung", erläutert Spiros Alexakis, Director International Coordination. "Im Mittelpunkt stand dabei der Zugang zu den neuesten Technologien. Darüber hinaus konnten wir durch den Technologietransfer die unternehmerischen Risiken minimieren und wichtige Kooperationen auf europäischer Ebene anbahnen."

Entscheidend war in diesem Zusammenhang die Einrichtung einer Stelle für internationale Koordination, die 1996 erfolgte - das Unternehmen zählte damals 40 Mitarbeiter. Im gleichen Jahr führten die Softwerker mit dem EU-Projekt Vento (Virtual Enterprise Organizer) zum ersten Mal ein internationales Konsortium. Aus dieser Zusammenarbeit entstand das Kundeninformationssystem "Genesis World", das 1998 mit dem European Information Technology Prize der Europäischen Kommission ausgezeichnet wurde. Weitere Transferprojekte in den Bereichen Trial Applications und Best Practice folgten.

Das Projekt Palmpower ist eine Initiative, die das Land Baden-Württemberg 1997 startete. Ausschlaggebend dafür war das starke Interesse an mobilen Anwendungen, das mit der Etablierung der neuen Kommunikationstechniken GPRS (General Packet Radio Service) und UMTS (Universal Mobile Telecommunications Systems) noch steigen wird. Die Finanzierung erfolgt durch Zuschüsse des Landes.

Diese Trial Application hat die Einführung von Methoden und Mechanismen zum Ziel, mit denen der mobile Zugriff auf die Lösungen der beteiligten Unternehmen möglich ist. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Anwendungen für das mobile Büro.

Das FZI hat ein generisches Framework für das Mobile Computing entwickelt, das die zehn Kooperationsunternehmen kostengünstig für ihre Produkte nutzen können. So hat CAS Software auf dieser Basis das Kundeninformationssystem Genesis World um eine Schnittstelle für Windows-CE-Geräte erweitert.

Ein wichtiger Kooperationspartner des FZI ist das Institut Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement (IAT) an der Universität Stuttgart; es versteht sich als Mittler zwischen Anwendern und IT-Herstellern mit einem besonderen Fokus auf der Anwendungsperspektive.

Die Arbeitsschwerpunkte des Instituts liegen in den Bereichen Dienstleistungsentwicklung, Management von Geschäftsprozessen, virtuelle Realität sowie Intranet- und Internet-Anwendungen. Gemeinsam mit weiteren vier Pilotunternehmen hat das IAT 1999 das Projekt IISME aufgesetzt.

IISME ist die Abkürzung für Internet/Intranet Sales Support System for Small and Medium Enterprise. "Ziel von IISME ist die Entwicklung und Validierung eines CRM-Systems, das speziell auf die Anforderungen von kleinen und mittleren Unternehmen ausgerichtet ist", so Michael Stender, der Projektleiter am IAT. Dabei werden auf der Basis des Kundeninformationssystems die Lücken zwischen Front- und Backoffice geschlossen und Internet-Anwendungen (Electronic Shop) in Unternehmensprozesse (betriebswirtschaftliche Standardsoftware) integriert. Das Projekt wird zu 50 Prozent von der EU gefördert.

Das IAT hat bei der Entwicklung des CRM-Referenzmodells vor allem seine Management- und Beratungskompetenz zur Verfügung gestellt. "Insbesondere die Anforderungen von kleinen und mittleren Unternehmen an das Customer-Relationship-Management sind als Transferleistungen des IAT in das Projekt eingeflossen", hebt Stender hervor. Auf dieser Grundlage wird die Software zu einem CRM-System weiterentwickelt.

Positiv bewertet er Unternehmen, die eigens eine Stelle für Technologietransfer und internationale Kontakte eingerichtet haben. "Da die Projektlaufzeiten immer kürzer werden, sind Fachleute für den Wissenstransfer unbedingt erforderlich. Gerade mittelständische Unternehmen könnten hier ganz enorm profitieren."

Das nachhaltige Interesse an diesem Thema wird auf verschiedenen Ebenen deutlich. So hat die EU die Förderungsgelder dafür deutlich erhöht. Auch Bund und Länder engagieren sich mehr als früher in Transferprojekten. Zusätzlich werden auf Konferenzen, Fachtagungen und Workshops häufiger Ergebnisse des Technologietransfers präsentiert.

Trotz dieser vorsichtig optimistischen Einschätzung muss man in Europa derzeit von einem Transferstau sprechen. Dies hängt zum einen damit zusammen, dass sich die Europäer - anders als die Amerikaner - noch nicht auf die schnelllebige New Economy eingestellt haben.

Aber auch bei den Rahmenbedingungen gibt es immer noch großen Nachholbedarf. Die Bedeutung der Softwaretechnologie wird für die künftige Wertschöpfung weiter wachsen. Demgegenüber fehlt es jedoch an zusätzlichen Kompetenzzentren, die sich schwerpunktmäßig mit dieser Schlüsseltechnologie beschäftigen und der Wirtschaft Transferleistungen anbieten.

Einen wichtigen Beitrag zu einem verbesserten Technologietransfer könnten auch die deutschen Universitäten leisten. Diese sind derzeit noch zu sehr auf die Forschung ausgerichtet.

Aber auch in den Wirtschaftsunternehmen muss das Interesse an Transferprojekten zunehmen. Das Beispiel CAS Software zeigt, welche Möglichkeiten der Wissensaustausch dem deutschen Mittelstand bietet.

*Dipl.-Wirtschaftsingenieur Bernhard Kölmel ist Leiter des Verbindungsbüros Förderung und Wirtschaft beim FZI Forschungszentrum Informatik an der Universität Karlsruhe.

Technologietransfer: Eine Chance für Europa

Heutzutage wird Europa mit Herausforderungen konfrontiert, die langfristige Lösungen verlangen. Zu nennen sind hier unter anderem Arbeitslosigkeit, wachsende Konkurrenz und Globalisierung der Wirtschaft. Hinter jeder Herausforderung verbirgt sich jedoch auch eine Chance: Die Gestaltung wirtschaftlicher und technologischer Zukunftsperspektiven ist deshalb eines der wichtigsten Ziele der Europapolitik.

Unsere Gesellschaft braucht dafür kompetente Forschung und Entwicklung. Jede Innovation bringt nämlich einen langfristigen Zuwachs an Arbeitsplätzen. Untersuchungen zeigen in diesem Zusammenhang, dass eine erfolgreiche Innovationsstrategie die Anzahl der Arbeitsplätze in einem Unternehmen um zirka 30 Prozent steigert.

Kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) sind einer der Eckpfeiler der europäischen Wirtschaft und damit auch für die meisten Innovationen verantwortlich. Diese wirtschaftliche Kompetenz muss gefördert werden, um langfristige Zukunftsperspektiven zu eröffnen und die technologische Dominanz der USA zu überwinden.

Für die meisten europäischen KMUs ist Forschung jedoch mit erheblichen Risiken verbunden. Dafür sind die folgenden Gründe ausschlaggebend:

- Forschung benötigt langfristige Investitionen und bedeutet entsprechende Soziallasten.

- Forschungsergebnisse sind schwer einzuschätzen und entsprechen häufig nicht den Erwartungen.

Die Europäische Union hat dies längst erkannt und ein Forschungsrahmenprogramm konzipiert, um die Forschung zu fördern. Dieses Rahmenprogramm versetzt Unternehmen und Forschungseinrichtungen in die Lage, finanzielle Mittel für die Realisierung von Forschungsprojekten zu beantragen, wobei KMUs mit spezifischen Programmen besonders berücksichtigt werden. Auf diese Weise kommen wir den allgemeinen Zielen der Europäischen Union, nämlich ausgewogenes Wachstum, gesteigerte Wettbewerbsfähigkeit, aber auch Lebens- und Umweltqualität, einen Schritt näher.

Der Erfolg der KMU-spezifischen Maßnahmen im letzten Rahmenprogramm lässt sich durch Zahlen belegen. So haben in den vergangenen Jahren mehr als 12 000 derartige Unternehmen daran teilgenommen.

Die Realität der Forschungslandschaft ist dennoch ernüchternd. In Japan und in den Vereinigten Staaten wird mehr Geld pro Kopf der Bevölkerung in die Forschung investiert als in Europa. Darüber hinaus ist die Anzahl der Forscher pro 1000 Arbeitsplätze in den Vereinigten Staaten und in Japan im Vergleich zu Europa wesentlich höher (2,9 in Europa, 6,0 in Japan und 6,9 in den Vereinigten Staaten). Das führt dazu, dass Europa weniger konkurrenzfähig ist.

Nur enge wissenschaftliche Zusammenarbeit auf allen Ebenen wird es ermöglichen, Europa wieder in eine Führungsposition zu bringen. Dazu müssen wir unsere Stärken - wie ausgeprägte regionale Strukturen, eine gute allgemeine Bildung und unsere Kulturvielfalt - effizient einsetzen. Aus diesem Grund hat Europa die Herausforderung, den Wissens- und Technologietransfer weiter zu stärken, mit Elan angenommen.

Im fünften Rahmenprogramm für Forschung und Entwicklung sind verschiedene Ausschreibungen dem Thema Technologietransfer gewidmet. So zum Beispiel "IST Take up Actions" für alle Schlüsselbereiche der Informationstechnologie. Dabei ist nicht nur ein flüssiger Technologietransfer zwischen Forschungseinrichtungen und Wirtschaft das Ziel. Die große Herausforderung für die nahe Zukunft ist der Aufbau einer flexiblen Zusammenarbeit zwischen den europäischen Ländern, Forschungseinrichtungen und der Wirtschaft.

Adressen

EU-Kommission: http://europa.eu/comm/index_de.htm

EU-Kommissar Philippe Busquin:

http://europa.eu.int/comm/commissioners/busquin/index_de.htm

Forschungs- und Entwicklungsdienst der EU, Cordis:

http://www.cordis.lu/de/home/html

Steinbeis-Europa-Zentrum (Stuttgart):

http://www.steinbeis-europs.de

Ansprechpartner beim Steinbeis-Europa-Zentrum:

Professor Dr. Peter Niess;

Telefon: 0711/123 40 10

E-Mail: niess@steinbeis-europa.de

FZI, Karlsruhe:

http://www.fzi.de

Ansprechpartner beim FZI, Karlsruhe:

Bernhard Koelmel

Telefon: 07 21/ 96 54-0

E-Mail: koelmel@fzi.de