Training bis zur Verzweiflung

10.11.2005
Wo Seminare und Rollenspiele enden, setzt das "Reality-Training" ein.Die Teilnehmer müssen in einem fast realen Unternehmen zurechtkommen.

Manche Tage sind wie verhext. Der externe Berater Peter Korda arbeitet gerade bis tief in die Nacht hinein. Seine Aufgabe ist nicht leicht. Er soll als Projekt-Manager bei der Kronau Druckmaschinen AG ein Risiko-Management-System einführen. Kürzlich ist die Beteiligungsfirma Mant Odea & Partner GmbH zu 49 Prozent beim Hersteller eingestiegen, und seitdem herrscht erhebliche Unruhe im Unternehmen.

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• was sich hinter dem Reality-Training verbirgt;

• wie Teilnehmer durch persönliches Erleben geschult werden;

• wie ein Training auch die wichtigen Mechanismen und Rückkoppelungen in Firmen berücksichtigen kann.

Ebenso muss Korda in zwei Tagen einen Ansatz vorlegen, wie die IT-Landschaft unternehmensweit standardisiert werden kann. Der Berater hat gerade auf Englisch zähe Verhandlungen mit einer russischen Softwarefirma geführt, die - aufgrund einer falsch berechneten Anwenderzahl - für die Lizenz des neuen, moderneren Warenwirtschaftssystems horrende Preise verlangte. Jetzt streiten sich Marion Stölzel-Kronau, die den Einkauf bei der Kronau AG leitet, und Cord Lasselsberger, Direktor von Mant Odea & Partner, heftig um Kennzahlen. Korda soll schlichten, doch seine leisen Versuche verhallen im Streit der beiden Kontrahenten ungehört.

Sein Engagement ist enorm - dabei ist die Kronau AG nicht real, sondern nur eine Trainingsumgebung. Die Verhandlungen und der Streit sind nur gespielt, Stölzel-Kronau und Lasselsberger sind im wahren Leben Berater der CPC Unternehmens-Management AG, der Verhandlungspartner der Softwarefirma ist ein gebürtiger Russe, der ausländische Projekte für die Beratungsfirma übernimmt. Hinter dem Szenario steckt eine neue Trainingsmethode für Führungskräfte, Projekt-Manager, Vertriebsspezialisten und Berater: das Reality- Training.

Das von CPC entwickelte Konzept beginnt dort, wo Workshops, Seminare und Rollenspiele aufhören: in der Realität. Die CPC mietet dazu in einem Fabrikgebäude über mehrere Stockwerke Räume an und baut eine fiktive Firma komplett nach, inklusive Büroräumen, Mitarbeitern, Produkten und Firmengeschichte. Damit dies auch real wirkt, wird an jedes Detail gedacht: Die Büros sind mit Ordnern, Stofftieren, Glücksbringern und Postern ausgestattet, ein Hausmeister schaut nach dem Rechten. Der innovative IT-Leiter wird ebenso verkörpert wie die engagierte Personalleiterin, der umtriebige Vertriebler oder der wertkonservative Betriebsratsvorsitzende.

Drei Tage Intensivtraining

Peter Korda gehört zu den Trainingsteilnehmern. Insgesamt machen bis zu 60 Personen das Reality-Training mit. Sie werden in bis zu acht Teams eingeteilt und müssen - im Wettbewerb mit anderen - berufliche Aufgaben erfüllen. Das kann ein Kundenprojekt, die Führung von Mitarbeiterteams oder ein Entwicklungsvorhaben sein.

CPC achtet darauf, dass alles ganz real wirkt. Die kleinen und großen Feindseligkeiten der Kronau-Mitarbeiter werden teils unterschwellig, teils offen ausgetragen, die Trainingsteilnehmer werden mit Ängsten, Ehrgeiz, Streitereien, Klüngelei und fehlerhafter Arbeit konfrontiert. Sogar abends bei einem kleinen Cocktailempfang zu Ehren des Vertriebsleiters und Enkels der Firmeninhaberin plaudern die CPC-Berater zwar entspannt mit den Trainingsteilnehmern, doch ihre Rolle behalten sie bei. "Das Reality-Training kommt der Wirklichkeit extrem nahe. Ich selbst habe solche Situationen schon erlebt, aber natürlich nicht in drei Tagen komprimiert", meint ein Teilnehmer, der bei einem internationalen Technologiekonzern arbeitet.

Dafür sorgen nicht nur die 15 bis 20 erfahrenen CPC-Mitarbeiter, die jede Menge ähnlicher Probleme in ihrem Berufsalltag bereits bewältigen mussten. Die Teilnehmer werden zudem von Psychologen und Führungskräften anderer Firmen betreut. Von diesen bekommen sie am Ende des Trainings ein umfassendes Feedback. Das umfasst alle Bereiche, vom fachlichen Wissen über die Präsentationsfähigkeit bis hin zu sozialen Komponenten. Hier liegt ein Nutzen des Reality-Trainings: "Teilnehmer können Situationen ausprobieren, bei denen in der Realität schon mal der Kunde abspringen würde", erklärt Gerald Kimmel, Partner der CPC AG und Mitentwickler des Konzepts. Im Seminar sagt der "Kunde" ganz klar, was ihm gefallen hat und was nicht, wo der Teilnehmer sich noch entwickeln sollte und wie Situationen souveräner gemeistert werden können.

Keine Rollenspiele

Anders als bei Rollenspielen, wo Schulungsteilnehmer einzelne Situationen im Seminarraum proben, schafft das Reality-Training eine eigene Wirklichkeit - arrogante Vorgesetzte, Streit unter Mitarbeitern und inkompetente Ansprechpartner inklusive. Die Teilnehmer tauchen für drei (für knapp 3000 Euro) bis fünf Tage in diese Welt ein. Sie arbeiten unter enormen Zeitdruck. "Die Teilnehmer haben so richtig Stress und Ärger, aber das Gelernte können sie sich dadurch besser merken als in einem konventionellen Workshop im gemütlichen Seminarraum", wirbt Kimmel. CPC hat Reality-Trainings schon für die unterschiedlichsten Aufgaben umgesetzt: vom IT-Outsourcing über Krisen-Management bis hin zum Projekt-Management bei IT-Systementwicklungen. Das nächste offene Training findet vom 21. bis 24. Februar 2006 in Köln statt.

Weitere Informationen gibt es unter www.reality-training.de oder www.cpc-ag.de. (hk)