"Trained in Germany": Vorsprung auf dem Weltmarkt

17.06.1988

Frank Berger, Geschäftsführer der Digital Equipment GmbH, München

Ein Kriterium für "Innovation" lautet: Unternehmen bringen regelmäßig Produkt- und Verfahrensinnovationen hervor.

Nun erhebt sich die Frage: Wodurch werden Innovationen gefördert, beziehungsweise was läßt Menschen im weiteren und Mitarbeiter im engeren Sinne kreativ werden? Wodurch können Mitarbeiter motiviert werden, ihre Ideen, bisher Ungedachtes und Unausgesprochenes zu verwirklichen? Denn von ihrem Einfallsreichtum hängt die Sicherung der Wettbewerbsposition des Unternehmens ab. Nur durch ihre schöpferische Kraft können Wettbewerbsvorteile erzielt werden.

Unsere Erfahrung hat gezeigt, daß dazu mehrere Faktoren notwendig sind: An vorderster Front stehen Information, Wissen, eine gute Aus- und Weiterbildung sowie die Informationstechnik. Sie bietet dem Benutzer den notwendigen Freiraum, der umfassendere Denkprozesse ermöglicht. Durch die Informationstechnik stehen jedem Mitarbeiter bisher in dieser Menge nicht zugängliche Informationen zur Verfügung. Sie sind notwendig, um sich ein fundiertes Grundlagenwissen über das Unternehmen als ganzheitliche Organisation anzueignen.

Ist man erst einmal weg vom "Inseldenken", kann man sich auf dem "Kontinent" ganz neue Wege erschließen. Über dieses allgemeine Unternehmenswissen entsteht ein hohes Maß an Eigenverantwortlichkeit. Wer die Zusammenhänge erkennt und versteht, handelt anders als jemand, der nur Teile einer Aufgabe ausführt. Und wer in unternehmerischen Bahnen zu denken lernt, fühlt sich auch stärker angesprochen, das Unternehmen durch Neues weiterzubringen.

Die wichtigste Voraussetzung, ohne die das Vorhergenannte nicht machbar wird, hat mit Qualifikation zu tun. Hier müßten Staat und Wirtschaft an einem Strang ziehen. Was aber ist die richtige Qualifikation? Es wird immer gefordert, daß sich staatliche Ausbildungsangebote stärker an marktwirtschaftlichen Gegebenheiten ausrichten müssen. Das klingt gut, ist aber nicht sonderlich konkret. Auch die jetzt arbeitslosen Lehrer wurden mit angeblich in der Zukunft freien Stellen in ihrer Studienwahl bestärkt. Glaubt man Zeitungsberichten, scheint die Mediziner ein ähnliches Schicksal zu erwarten.

Genau das darf nicht mehr passieren. Ausschlaggebend ist, daß zwei Dinge erkannt werden, und daß entsprechende Handlungen folgen: Zum einen ist die staatliche Ausbildungszeit zu lang. Bei höchsten Anforderungen an die Inhalte muß sie verkürzt werden. Den Studenten muß ein fundiertes Grundwissen vermittelt werden. Dann benötigen sie keine teure und langwierige staatliche Umschulung. Anders als bisher können sie auf dem Grundwissen aufbauend sternförmig ihre Kenntnisse auf unterschiedlichen Gebieten erweitern. Und zwar auf denen, die zu dem jeweiligen Zeitpunkt gerade marktwirtschaftlich gebraucht werden. Dann werden auch die Investitionen der Wirtschaft in Aus- und Weiterbildung schneller zum Tragen kommen.

Was wir zur Zeit jedoch immer noch haben, ist eine flexible Inflexibilität. Das heißt, man ist erst dann zum Umdenken bereit, wenn es fünf vor zwölf ist. Wir sollten abkommen von dem mittelalterlich anmutenden Denken in Zünften beziehungsweise Berufen. Schon heute und um so mehr in Zukunft bedeutet es weniger, einen spezifischen Beruf erlernt zu haben. Vielmehr sollte man sich mit dem Gedanken anfreunden, daß man im Laufe seines Lebens in unterschiedlichen Arbeitsgebieten tätig sein wird. Und die müssen nicht unbedingt etwas miteinander zu tun haben. Heute Soziologe, morgen Bankfachmann, übermorgen CIM-Assistent. "Lernbereitschaft in jedem Alter" heißt die neue Lösung! Strukturelle Arbeitslosigkeit und staatliche Subventionen von Problembranchen werden dann weniger Schlagzeilen machen.

Der zweite Aspekt bezieht sich auf den europäischen Binnenmarkt. Wenn wir ihn als Nahziel ins Auge fassen - und es sieht so aus, als arbeiteten einige europäische Länder stärker daran als wir -, dann müssen wir uns auch fragen: Was kann die Bundesrepublik eigentlich bieten, um wettbewerbsfähig zu bleiben? Und dabei ist nicht irgendein System, sondern dabei sind wir alle gefordert!

Innerhalb der EG wird es zu einem weitaus regeren Produkt- und Wissensaustausch kommen aus bisher. Als rohstoffarmes Land sollten wir uns an das halten, was wir haben. Und eines unserer Spitzenprodukte ist eine ausgezeichnete Aus- und Weiterbildung. Noch stehen wir in dem Ruf, insgesamt gesehen die bestausgebildeten Studenten sowohl an den Fachhochschulen als auch an den Hochschulen zu haben. Nicht umsonst sträuben sich die anderen EG-Länder dagegen, die Fachhochschuldiplome ihren Universitätsdiplomen gleichzuschalten. Sie befürchten bereits den Vorsprung der Bundesrepublik in Sachen Ausbildung. Das sollten wir nutzen.

Deshalb müssen wir daran arbeiten, daß "Trained in Germany" ein weltweit anerkanntes Qualitätszeichen wird, ähnlich wie "Made in Germany" für Produkte. Dann haben wir den Vorsprung, den wir auf einem Weltmarkt brauchen, der hauptsächlich mit dem Produkt "Information" handelt. Und dann kommen neue, wettbewerbsrelevante Ideen - ohne sie herbeischwören zu müssen - fast von alleine.