Analysten erwarten einen Boom der Third-Party-Maintenance:

TPM-Anbieter drängen zunehmend in Wartungsdomäne der Hersteller

30.01.1987

Es kriselt im Maintenance-Geschäft: Anwender brechen immer häufiger mit der Tradition und pfeifen bei der Wartung ihrer DV-Anlagen auf die Ehe mit dem Hersteller. Statt dessen übernehmen unabhängige Serviceanbieter die Betreuung von Rechnern und Peripherie. Branchenkenner sprechen bereits von Grabenkämpfen auf lokaler Ebene.

Ihrer Wartungsverträge und somit auch einer sicheren Einnahmequelle "beraubt", sind die Hardwareproduzenten auf das neue "Bratkartoffelverhältnis" ihrer Ex-Kundschaft verständlicherweise nicht immer gut zu sprechen. Vor allem die regionalen Geschäftsstellen vieler HW-Anbieter tun sich offensichtlich schwer, derzeit ihr vorgeschriebenes Umsatzsoll zu erfüllen.

August Scheidle, Geschäftsführer der Econocom Maintenance GmbH, Langen, kennt die ständigen Querelen aus eigener Erfahrung: "Wenn wir den Hardwarefirmen ans Eingemachte gehen, fangen die natürlich an, gegen uns zu schießen." Als "Eingemachtes", so erläutert der DV-Profi, gelte beispielsweise der Bereich um die /38 des Marktführers; eine Maschine, bei der die IBM-Wartung relativ hoch sei. Hier reiche für einen unabhängigen Serviceanbieter bereits ein Wartungsanteil von zehn Prozent am installierten Volumen aus, um sich in einem kleinen Geschäftsstellengebiet den massiven Unwillen des Platzhirsches zuzuziehen. Scheidle: "Da geht dann auch schon mal der TA-Leiter zum Kunden und erzählt denen Schauermärchen."

Gleichwohl scheint die Zusammenarbeit ansonsten zu funktionieren. Nicht zuletzt deshalb, weil viele TPM-Anbieter ihrerseits bei den Vertriebsbeauftragten des jeweiligen Kontrahenten auf den VIP-Listen als Großkunde erscheinen. Probleme mit dem Hersteller, etwa bei der Versorgung mit Ersatzteilen, Schulung von Mitarbeitern oder mit der technischen Dokumentation, gebe es nicht. Dabei sind die Service-Unternehmen nur in den seltensten Fällen ob dieser notwendigen Unterstützung vertraglich abgesichert. Hier gehörten lockere Absprachen durchaus zu den Gepflogenheiten.

Dennoch: Ein Miteinander wie im Leasinggeschäft, so die einhellige Meinung in den Chefetagen der Third-Party-Größen, wird es vorerst nicht geben. Dafür biete der Markt selbst bei verhärteten Fronten noch zuviel Chancen für jedes einzelne Service-Unternehmen (siehe auch Interview Seite 26: "Auch Hersteller setzen auf Konfrontation").

Glaubt man den Branchenanalysten, steht den TPMern in den nächsten Jahren europaweit ein ungeahnter Boom ins Haus: 25 Prozent jährliches Wachstum, lautet die Prognose. In der Bundesrepublik, so ermittelte das Londoner Marktforschungsinstitut Input in seiner jüngsten Studie "Third-Party-Maintenance in Europe", soll das Marktvolumen von derzeit rund 70 Millionen Mark auf insgesamt 195 Millionen Mark im Jahr 1991 steigen. Das entspricht einer durchschnittlichen Zuwachsrate von 22 Prozent.

So sehen denn auch die meisten TPM-Anbieter dem heftiger werdenden Verdrängungswettbewerb eher gelassen entgegen. "Die Hauptaufgabe eines Herstellers ist der Verkauf - die Wartung macht er zwangsläufig", argumentiert beispielsweise Norman Howarth, Geschäftsführer der SMS International GmbH, Frankfurt. "Unser Geschäft dagegen ist Maintance und technischer Service rund um die Uhr."

Um als Alternative bei den speziell in Deutschland stark auf Sicherheit bedachten Anwendern bestehen zu können, müßten die Third-Party-Leute allerdings einen besseren Service bieten als der Hersteller; zumindest aber eine gleichwertige Leistung. Ein wichtiges Regulativ, jedoch unter den Aspekt der Sicherheit nicht unbedingt entscheidend, sei der Preis: Bei der Dritt-Wartung spare der Benutzer im Normalfall zwischen 20 und 25 Prozent (siehe auch Bericht Seite 19: "Wartungsverträge für Terminals überflüssig").

Mit 50 Prozent Zuwachs bei den Kundenzahlen in den letzten sechs Monaten und einem Umsatz von rund 5 Millionen Mark im vergangenen Jahr sieht Howarth die Zukunft optimistisch. Geplanter Umsatz für 1987: 10 Millionen Mark. "Dafür", so der SMS-Manager trocken, "gehen wir knallhart auch IBM-Kunden an."

Anwender setzen anscheinend auf Nummer sicher - zumindest, wenn es um die Wartung ihres DV-Equipments durch Drittanbieter geht. Zwar ist der Faktor "Kosten" als Regulativ nicht wegzuleugnen, er scheint aber bei einer solchen Entscheidung eher eine untergeordnete Rolle zu spielen. Denn die Art und Weise, wie Hersteller und Service-Newcomer um die Gunst der Kunden buhlen, trägt nicht eben zu klaren Verhältnissen bei. Aber der Mut zum Risiko zahlt sich unter Umständen aus: Wenn's klappt, hat der User den Service aus einer Hand. COMPUTERWOCHE wollte wissen, was Anwender von Third-Party-Maintenance halten.

Jörg Spranger, DV-Leiter, Fiat AG, Heilbronn: "Uns lag das Angebot eines Düsseldorfer Dienstleistungsunternehmens vor. Wir haben es nicht wahrgenommen, weil es die IBM verstanden hat, uns zu verunsichern. Wir haben nämlich einen alten Belegleser des Typs 1287, der in der Wartung sehr teuer ist. Es gibt auch bei der IBM nur noch sehr wenige Spezialisten, die sich damit auskennen; wir haben das Glück, daß unser Haustechniker dazu gehört. Die IBM hat uns gesagt, wenn wir unseren Wartungsvertrag mit ihr kündigen, müßten wir eventuell mit längeren Ausfallzeiten rechnen. Nachdem der Preisvorteil, den das externe Service-Unternehmen und anbot, nicht so immens war, haben wir gesagt: Nein, das machen wir nicht."

Gerhard Cherdron, DV-Leiter, Laub GmbH & Co., Elztal-Dallau: "Den Service für unsere Mixed-Hardware hat vor ein paar Jahren eine junge selbständige Technikertruppe übernommen. Mit der haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht. Wenn ich abends um acht anrufe, weil uns eine Platte ausgefallen ist, dann kommen die noch. Das ist für uns als Druckerei wichtig weil ein DV-Defekt in der Satzproduktion innerhalb von ein bis zwei Stunden die gesamte Produktion lahmlegt. Die Herstellerfirmen leiden wegen ihrer Größe unter einer inneren Trägheit. Außerdem knöpfen die jungen Leute sich auch mal eine Platine vor und wechseln einen Chip aus, anstatt sie gleich wegzuschmeißen, wozu die Werkstechniker neigen."

Ragnar Nilsson, DV-Leiter, Gerresheimer Glas, Düsseldorf: "Die Kostendifferenz zwischen der Wartung durch den Hersteller und der durch Drittunternehmen erscheint uns nicht so wichtig wie die Qualität und Verfügbarkeit der Dienstleistung. Die Entscheidung für externe Maintenance-Partner, deren Angebote vielzählig sind, beinhaltet grundsätzlich Risiken - und zwar einmal die oftmals unzureichende Verfügbarkeit und zweitens das Problem der wechselseitigen Schuldzuweisungen im Falle eines Defekts. Außerdem wollen wir nicht auf die Online-Wartung, die uns die IBM bietet, verzichten. Lediglich auf dem Peripherie-Sektor sehen wir unter Umständen eine Möglichkeit, mit Dritten zusammenzuarbeiten."