IT im Transportwesen/Kommentar

Totalschaden

04.06.1999

Wer sich zu Hause ein Bad einbauen läßt, will sich nicht mit Maurer, Fliesenleger, Elektriker oder Klempner einzeln herumplagen, sondern erwartet Lösungen aus einer Hand. Nicht anders in der Transportbranche. Auch dort ist der Kunde das Maß aller Dinge. Speditionen, oft Familienbetriebe in dritter Generation, krempeln ihr Geschäft um und machen erste Gehversuche als frischgebackene Dienstleister. Um sich für den Wettbewerb zu trimmen, geben sie für IT und Telekommunikation viel Geld aus.

Eine aus der Not geborene Entscheidung. Denn leider geben im Transportwesen ausgerechnet die einstigen Staatsbetriebe nun den Takt an. Generalstabsmäßig kaufen sich die neuen Postunternehmen europaweit Marktanteile zusammen. Sie übernehmen Anteile an branchenerfahrenen Dienstleistern, erwerben Speditionen und setzen sich so an die Spitze der Transportindustrie. Den prall gefüllten Kassen der Monopolbetriebe kann der Rest der Branche nichts entgegensetzen. Die von der Politik propagierte Liberalisierung der Postmärkte - eine reine Lachnummer.

Der Nationalökonom Joseph Schumpeter vertrat die These der schöpferischen Zerstörung. So lösen massive Innovationsschübe in herkömmlichen Branchen mit eingefahrenen Gleisen zwar heftige Strukturkrisen aus, führen aber mittel- und langfristig zu mehr Beschäftigung, Wirtschaftswachstum und Wohlstand. Krisen und Chancen als siamesische Zwillinge: Der Umbau der Marktordnung weg von staatlichen Tarifen und konzessionierten Märkten hin zu grenzüberschreitenden Prozessen bringt erweiterten Handlungsspielraum und damit auch neue Marktchancen, stellt aber gleichzeitig vor allem kleine und mittlere Betriebe vor erhebliche Probleme. Die Speditionen bluten aus. Supply-Chain-Management oder E-Commerce als moderne IT-Konzepte dürften für die meisten eine Illusion bleiben. Winfried Gertz