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Torvalds: Kernel 2.4 kommt in zwei, drei Monaten

18.08.2000
Linux-Urheber zeigt Realitätssinn

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Im Rahmen eines Interviews auf der LinuxWorld Conference & Expo in San Jose hat Linux-Urheber Linux Torvalds einige Dinge von sich gegeben, die von einem außerordentlichen Realitätssinn zeugen, allerdings den meisten Open-Source-Fans kaum schmecken dürften.

Die nächste große Kernel-Version 2.4 stellte Torvalds für in zwei bis drei Monaten in Aussicht - und damit etliche Monate später als ursprünglich geplant. Allerdings werde das neue Release vor allem auf Mehrprozessormaschinen deutliche Verbesserungen zeigen. Vergleichstests mit konkurrierenden Unixen oder Windows NT zeigen laut Torvalds, dass Linux durchaus mithalten könne. "Es tut mit jedes Mal weh, wenn ich zum alten 2.2er-Kernel zurück muss", erklärte der gebürtige Finne.

Dann ging´s allerdings ans Eingemachte: Trotz aller gegenwärtigen Fortschritte, so Torvalds, würden noch viele Jahre vergehen, bevor Linux für die breite Masse ähnlich interessant werde wie Windows oder Mac-OS. Seine Eltern und seine Schwester beispielsweise nutzen nicht etwa Linux-Maschinen, sondern PCs mit Microsoft- oder Apple-Betriebssystem. Die "etablierten" Systeme - vor allem Windows - hätten noch immer einen gravierenden Vorteil gegenüber dem Open-Source-Unix: Es gebe einfach viel mehr Anwendungssoftware.

"An Windows geht für die meisten heute noch kein Weg vorbei", konzedierte das Open-Source-Idol. Linux werde "vielleicht noch fünf oder zehn Jahre" brauchen, um diesen Vorsprung aufzuholen - zumindest was Heimanwender angehe. Auf Firmenrechnern könnte Linux indes schon früher Einzug halten, vielleicht schon ab dem kommenden Jahr.

Das vergangene Jahr habe viel Wasser auf die Mühlen von Linux gebracht, freute sich Torvalds, vor allem wegen des großen Interesses von Branchengrößen wie IBM und diverser erfolgreicher Börsengänge im Linux-Umfeld, etwa bei Red Hat Software. Auch Microsoft habe endlich Notiz von Linux genommen, indem die Gates-Company etwa im Frühjahr eine Studie veröffentlicht hatte, um zu belegen, dass Windows Linux in verschiedenen Bereichen überlegen sei. Die Studie, die damals im Open-Source-Lager für jede Menge Aufregung gesorgt hatte, habe er damals zu Unrecht kritisiert, musste Torvalds einräumen. "Wir waren arrogant", gibt der Transmeta-Mann zu. Es habe ihn eine Menge Überwindung gekostet, zuzugeben, dass Windows Linux überlegen sei (zumindest in den getesteten Bereichen). Diese schmerzliche Erfahrung sei gleichzeitig aber auch ausgesprochen motivierend gewesen; die entsprechenden "Flaschenhälse" in Linux habe man in der Folge rasch

beseitigt.

Auch ganz privat hätten seine Familie und er doch ein wenig vom Linux-Boom profitiert, und das sei eine durchaus angenehme Sache, gestand Torvalds ein. Inzwischen sei er "gerade so" Millionär (was im Silicon Valley nicht unbedingt ungewöhnlich ist), habe für Frau, Töchter und sich ein Eigenheim kaufen und noch dazu seinen alten Pontiac gegen einen schnittigen "BMW Z3" eintauschen können. Wir gönnen es ihm.