Eine Strategie für ein übergreifendes IS-Management ist überfällig:

Top-Manager fürchten Prestigeverlust durch DV

09.12.1988

Als "Schrankware" fristen viele, für die Chefetagen angeschafften Computer heute unbenutzt ihr Dasein. Grund: Die Nutzungsmöglichkeiten blieben in der Praxis weit hinter den Erwartungen zurück. Dennoch, meint Heinz Streicher, kann es sich kein Top-Manager mehr leisten, über sein Verhältnis zum Computer lange nachzusinnen.

Der "DV-Durchdringungsgrad" bei großen Unternehmen und Behörden nähert sich der 100-Prozent-Linie. Selbst bei den mittleren und kleinen Betrieben ist die automatisierte

Informationsverarbeitung im Vormarsch: Um viele Tausend nimmt pro Jahr die Zahl der Betriebe zu, die sich des Mediums Computer bedienen. Seit einigen Jahren beschäftigen sich Sozialwissenschaftler intensiv. mit den Auswirkungen, die sich für den Bürger oder den Arbeitnehmer am Arbeitsplatz durch diesen wachsenden Einsatz elektronischer Arbeits- und Hilfsmittel ergeben. Dabei geht es sowohl um ergonomische Fragen als auch generell um die Thematik der Akzeptanz, um die psychologischen Widerstände gegen diese Geräte, die in ihrer Wirkung zwischen Arbeitserleichterung und Arbeitsplatzvernichtung schillern.

In diesen Akzeptanzdiskussionen hatte es bis vor kurzem den Anschein, als gäbe es in den oberen Etagen der Unternehmen und Behörden nur unbeirrte Befürworter der neuen Techniken, während die Skeptiker eher bei den Arbeitnehmern und deren Standesvertretungen zu finden sind. Warum stellt sich nun seit einiger Zeit zunehmend die Frage nach der Einstellung des Managements zum Computer oder sogar nach der "Angst des Vorstands vor dem Computer"?

Drei Gründe sind dafür verantwortlich, daß zunehmend über die Einstellung des Managements zum Computer diskutiert wird.

Zum ersten nimmt natürlich durch die Verbreitung der elektronischen Informationsverarbeitung und Automation auf immer mehr Unternehmen die Berührungshäufigkeit zu. Vor allem werden in den mittleren und kleineren Unternehmen immer mehr Top-Manager unmittelbar mit dem Medium Computer konfrontiert, da die schützende Mauer der hauptamtlichen DV-Profis, wie sie in Großunternehmen gang und gäbe ist, fehlt.

Zum zweiten haben sich in den vergangenen Jahren auch die Einsatzgebiete der Datenverarbeitung innerhalb der Unternehmen ständig ausgeweitet. Längst ist der Computer über den administrativen Bereich hinaus in die Produktion, das Lagerwesen, die Vertriebssteuerung und in die Planung und Forschung vorgestoßen.

Drittens - und das hängt mit dem eben genannten eng zusammen - hat die DV das Getto des Rechenzentrums verlassen. Sie schlägt in mannigfaltiger Form überall im Unternehmen Wurzeln. Das sind nicht mehr nur die "dummen" Endgeräte, die kontrollierten Ausleger der Oberen, des Rechenzentrums, da arbeiten selbständige CAD-Systeme und mikroprozessorgesteuerte Maschinen, da gibt es nachrichtentechnische Anlagen und Printmedien mit eigener Computer-"Intelligenz". Und da wächst die Zahl der Arbeitsplatzcomputer, die man Personal Computer nennt. Die isolierte oder vernetzte Dezentralisierung der Informationstechnik hat eine neue Verantwortungsdimension für die Unternehmenschefs mit sich gebracht.

Bei Führungskräften wächst das Unbehagen

Verstärkt werden die genannten drei Gründe in ihrer Wirkung noch durch die unvermeidbare Tendenz, daß als Folge der Entwicklung, die ihnen zugrunde liegt, die Abhängigkeit eines Unternehmens oder einer Behörde vom reibungslosen Funktionieren der elektronischen Hilfsmittel ständig gestiegen ist. Ein Umschalten auf "Handbetrieb"

ist im Störungsfall längst ausgeschlossen.

Wäre es ein Wunder, wenn es den Vorständen und Geschäftsführern da langsam unheimlich würde?

Der Computer ist unbestritten das wichtigste und wirksamste Instrument der Rationalisierung. Außerdem hat er selbst große Unternehmen in einer Weise und mit einer Aktualität transparent gemacht, wie dies vielleicht nur vor einigen hundert Jahren im Handwerksbetrieb der Fall gewesen sein mag. Der Computer steuert darüber hinaus Prozesse mit einer Perfektion und Zuverlässigkeit, wie sie der Unternehmer sich von seinem besten Arbeiter nur erträumen konnte. Und der Computer verschafft ihm schließlich für seine Führungsaufgaben direkten Zugriff zu Informationen, die ihm bisher - gefiltert durch das Interessenspektrum seiner Ressortmanager - nur bruchstückhaft zur Verfügung gestanden haben.

Die Notwendigkeit der elektronischen Hilfsmittel für die Informationsverarbeitung oder Büroorganisation ist für die Top-Manager längst keine Frage mehr. Der Einsatz der elektronischen Datenverarbeitung als "Rechenknecht", als Rationalisierungsinstrument in Verwaltung und Fabrik, im Lager- und Transportbereich, in Forschung und Entwicklung wurde vom obersten Management nicht nur geduldet, sondern gefördert. Bereits Anfang 1983 haben in der Handelsblatt/SCS-Unternehmer-Enquete von 3300 befragten Vorständen und Geschäftsführern über 95 Prozent die elektronische Datenverarbeitung als "unbedingt notwendig" beziehungsweise als "notwendig" bezeichnet.

In der Zwischenzeit hat für die Top-Manager die geistige und funktionale Auseinandersetzung mit dem Medium "Informationstechnik" beträchtlich an Bedeutung gewonnen. Die Integration der einzelnen DV-gestützten Anwendungen mit Hilfe der Kommunikationstechnik erfordert neue Entscheidungsdimensionen, da die Verantwortungsrahmen der zentralen Org./DV-Leitung ebenso überschritten wurden, wie die strukturorganisatorischen Bereichsgrenzen im Unternehmen.

Automatisierungswelle erfaßt den Bürobereich

Außerdem dringt seit einigen Jahren die Informationstechnik immer weiter in den Bürobereich vor, der trotz aller technischen Verbesserungen bisher von grundsätzlichen Veränderungen unberührt geblieben war. Während im Fabrikbereich seit Beginn der ersten industriellen Revolution ein stetiger Prozeß der Veränderungen im Sinne von Mechanisierung und Automatisierung stattfindet, hat sich das Büro seit Erfindung des Fernsprechers nur graduell verändert. Auch wenn der anglo-amerikanische Begriff "office automation" sicher nicht mit "Büroautomation" übersetzt werden kann, die "Automatisierung" vieler Funktionen im Bürobereich mit Hilfe der Informationstechnik wird tiefgreifende strukturelle Veränderungen der Ablauf- und Aufbau-Organisation nach sich ziehen.

Im "Bürobereich" befindet sich auch das tägliche Arbeitsumfeld des obersten Managements. Damit heißt es nach über 30 Jahren Computereinsatz im Unternehmen jetzt für die Top-Manager: Computer ante portas.

Klares Ja verdeckt Probleme mit der Akzeptanz

Die Top-Manager haben ein klares Ja zu informationstechnischen Hilfsmitteln in ihren Unternehmen gesagt. So wenig sie zögern, das Medium Computer zum Wohl des Unternehmens zu nutzen, so groß ist ihre persönliche Distanz dazu. Man kann nur wenig Neigung bei den meisten von ihnen entdecken, einen Bildschirm auf dem eigenen Schreibtisch aufzubauen. Für den Top-Manager ist der Computer eine nützliche Maschine, die vom Fachpersonal in der jeweiligen Umgebung zweckmäßig eingesetzt wird. Woher rühren diese Berührungsängste mit der Technik?

Die meisten, nämlich rund 70 Prozent der deutschen Vorstände und Geschäftsführer, sind älter als 45. Als sie ihre Ausbildung erhielten, das heißt vor Mitte der 60er Jahre, steckte die Datenverarbeitung noch in den Kinderschuhen und war noch nicht Bestandteil eines Studiums oder einer praktischen Ausbildung. Die meisten der heutigen Top-Manager sind zwar im Laufe ihrer Karriere inzwischen mit der EDV in Berührung gekommen, aber in der Regel nur als Anwender und das in einer Zeit, als diese Anwenderrolle noch passiv war. Die Top-Manager dieser Generation fürchten deshalb nicht selten den besseren Kenntnisstand der jüngeren Mitarbeiter in Sachen Computer, sie gehen der Gefahr, Prestige einzubüßen, dadurch aus dem Wege, daß sie das Thema EDV den "Fachleuten" überlassen.

Es gibt zu denken, wie wenige der deutschen Top-Manager - laut SCS-Unternehmer-Enquete - noch Anfang 1983 angaben, mit der EDV in ihrem Unternehmen "stark" befaßt zu sein. Mit 10,3 Prozent rangiert dieses Themengebiet als drittletztes von 15 aufgeführten Gebieten knapp vor Steuerwesen (10,2 Prozent) und Konstruktion (9,0 Prozent).

Kleine Schwächen blockieren DV-Nutzung

Schaut man einmal nach, wer von den Top-Managern mit dem Thema EDV wie stark oder wie wenig befaßt ist, so zeigt sich die vermutete Abhängigkeit vom Lebensalter mehr als deutlich. Doch das bezieht sich nur auf die Beschäftigung mit dem Thema Informationstechnik generell und bezieht noch nicht den direkten Umgang der Top-Manager mit diesen Hilfsmitteln mit ein.

Man weiß nicht, wie viele Führungskräfte in der Bundesrepublik Deutschland Informations- und Kommunikationstechniken persönlich am Arbeitsplatz nutzen.

Empirischen Untersuchungen zufolge sollen in den USA in den 500 größten Unternehmen mehr als zehn Prozent der Führungskräfte am Personal Computer arbeiten.

In der Schweiz geben 48 von 430 befragten Mitgliedern der obersten Führungsebene der 100 größten Unternehmen an, die Unterstützung eines Personal Computers in Anspruch zu nehmen. Aufgrund der Stichprobenverzerrungen dürfte es sich hierbei um einen oberen Wert handeln.

Es kann davon ausgegangen werden, daß die Nutzung in der Bundesrepublik Deutschland mit Sicherheit nicht über dem in den USA und in der Schweiz angenommenen Niveau von etwa zehn Prozent liegt.

Ein ganz praktischer Grund für diese geringen Nutzungsgrade ist die fehlende Qualifikation, Bildschirmterminals oder Personal Computer zu bedienen. Das beginnt mit der mangelnden Tastaturkenntnis. Welcher Manager kann schon eine Schreibmaschinentastatur bedienen? Diese Handfertigkeiten ließen sich jedoch ebenso erlernen, wie das "Handling" eines PCs, allerdings scheitert dieser Unterricht bei den meisten an der fehlenden Zeit oder an der Bewertung dieses Zeitaufwandes im Hinblick auf den Nutzen.

Hinzu kommen psychologisch bedingte Widerstände. Die Bedienung einer Tastatur löst Assoziationen zu minderwertigen Schreibkrafttätigkeiten aus. Auch beim Training selber spielen Prestigeprobleme eine hemmende Rolle: Es kommt eigentlich nur der Einzelunterricht in Frage, wenn man jeder Bloßstellung der eigenen "Unvollkommenheit" aus dem Wege gehen will. Viele Vorstände profitieren inzwischen schon von den DV-Kenntnissen ihrer Homecomputer-geschulten Kinder, die stolz sind, ihrem Vater die ersten Handgriffe beizubringen.

Psychologen meinen, einen mystischen Glauben an Prestige- und Imageverlust bei Managern entdeckt zu haben und sagen, daß die Wertvorstellung vom fehlerlosen Könner für die fehlende Akzeptanz verantwortlich sei. Dieses Weltbild könne durch die Offenlegung unvollkommener Orthographiekenntnisse bei der Nutzung von Electronic Mail oder durch den besseren spezifischen Kenntnisstand eines jüngeren Kollegen zerstört werden.

DV-Einsatz beeinflußt den Arbeitsstil von morgen

Die Veränderung der eigenen persönlichen Arbeitsweise mag für viele Top-Manager ein triftiger Grund sein, zur Datenverarbeitung gebührende Distanz zu halten. In der Unternehmer-Enquete gaben von den 3300 Vorständen und Geschäftsführern immerhin 80 Prozent zu Protokoll, die EDV habe ihre eigene Tätigkeit verändert. Bei der Betrachtung

der möglichen Veränderungen fällt auf, daß die positiven Veränderungen überwiegen: Verbesserung von Entscheidungsvorbereitungen registrierten 61,4 Prozent, Entlastung von Routinearbeiten 42,9 Prozent und die Möglichkeit neuer Problemlösungen durch die EDV fanden 28,6 Prozent.

Dagegen fallen die eher negativen Einflüsse deutlich ab: Die Gefahr der Schematisierung von Entscheidungen sehen 5,6 Prozent und die teilweise Einschränkung des Entscheidungsspielraums haben 2,9 Prozent festgestellt.

Die Datenverarbeitung stellte auch den ersten Schritt für die Automatisierung im Bürobereich dar. Die Frage an die Top-Manager, ob diese der Meinung sind, daß dadurch die menschliche Komponente auf der Strecke bleibe, könnte mit den Antworten auch insgeheime Befürchtungen dieser Zielgruppe freilegen. In der Unternehmer-Enquete befürchtet jedoch nur eine verschwindende Minderheit von 0,6 Prozent, daß die menschliche Komponente völlig verdrängt werde. Eher eine sinnvolle Ergänzung als eine Veränderung sehen 67,6 Prozent.

Diese differenzierte Einstellung zu den Auswirkungen des Computers auf persönlichen Arbeitsstil und das Arbeitsklima im Büro zeigt sich auch noch bei den US-amerikanischen Managern, denen man wegen längeren Umgangs ein eher vertrauteres Verhältnis zum Computer unterstellen würde. Die ehemalige Exxon Office Systems Corporation hat ermittelt, daß immerhin 29 Prozent der US-Manager finden, daß der Computer manchmal auch entmenschlichend wirke. Er verursache bei ihnen Streß, sagten 13 Prozent und ebenso viele konstatieren sogar, er halte sie von der Arbeit ab. Bei dieser Befragung waren Mehrfachnennungen möglich, und die Mehrheit betont denn auch die positiven Seiten: Der Computer erleichtere ihnen das Leben sagten 76 Prozent, er sei überdies leicht zu benutzen, meinten 67 Prozent und - wohl als Folge von diesem - sei er im Unternehmen gut etabliert (47 Prozent).

Aus anderen Untersuchungen in Europa geht hervor, daß rund zwei Drittel der Manager EDV-Daten nutzen, die von ihren Mitarbeitern aufbereitet wurden. Statt des Dialogs mit dem Rechner entsteht also ein Trialog, wobei ein menschliches "Interface" die Rolle des Übersetzers übernimmt. Dieses Verfahren vermeidet auch die Gefahr, durch "Selbstbedienung" Statussymbole wie Sekretärinnen oder Assistenten zu verlieren oder mit anderen Managern teilen zu müssen. In den ersten Jahren des Einsatzes der Datenverarbeitung und Automation mußten die Vorstände vor allem mit der Frage der Wirtschaftlichkeit kämpfen.

Entscheider denken zuallererst kostenbezogen

Rentiert sich die Anschaffung eines Computers überhaupt? Welche betrieblichen Funktionen eignen sich für eine Computerunterstützung? Wie umfangreich müssen die organisatorischen Änderungen sein?

Zwar steht auch heute noch die Wirtschaftlichkeit der "Investition" Organisation und Datenverarbeitung an erster Stelle, es sind jedoch - in den letzten Jahren zunehmend -Nebenbedingungen zu beachten. Diese entstammen fast alle dem sozialen Bereich.

Zunächst waren es die wichtigen Fragen der Ergonomie, das heißt der unter psychologischen und physiologischen Gesichtspunkten gestaltete Arbeitsplatz. Besonders das Vordringen der Bildschirmarbeitsplätze für den Sachbearbeiter verlieh diesem Thema großes Gewicht.

Nach neueren Repräsentativuntersuchungen scheinen die Grundübel beseitigt zu sein und als Problemgruppe hauptsächlich die Bildschirmnutzer übrig zu bleiben, die eine eintönige, geringe Qualifikation voraussetzende Tätigkeit über einen langen Zeitraum ausüben.

Dazu gehören vor allem die Datentypistinnen. Die verbesserten Bildschirme, ergonomisch gestaltete Arbeitsplätze und anwenderfreundlichere Bildschirmmasken haben bewirkt, daß 85 Prozent ihre Arbeit seit der Bildschirmeinführung für interessanter als vorher halten und 90 Prozent mit der Arbeit am Bildschirm zufrieden sind.

Das abflachende Wirtschaftswachstum hat seit einigen Jahren die verantwortlichen Top-Manager mit einer zusätzlichen Restriktion konfrontiert. War noch in den sechziger Jahren bei knappem Angebot an Arbeitskräften die durch Computereinsatz erzielte Rationalisierung ohne negative Folgen auf den Arbeitsmarkt, so nimmt der Angebotsdruck wegen fehlender Kapazitätserweiterung seit einigen Jahren ständig zu.

Kritik von außen belastet Führungskräfte

Es ist zwar objektiv falsch, daß jeder Computereinsatz das Ziel der Einsparung des Faktors Arbeit habe, da zunehmend Reaktionsschnelligkeit am Markt, kurzfristige Bewältigung von Massenvorgängen, Sicherheit und Verknüpfung von Arbeitsvorgängen das Ziel sind, jedoch sieht sich jeder Unternehmer, der Computeranwendungen implementiert, grundsätzlich der Kritik der Arbeitnehmervertreter, der Gewerkschaften und weiterer Teile der Öffentlichkeit ausgesetzt. Während die Rationalisierungsvorgänge im Fertigungsbereich einen kontinuierlichen Prozeß seit Einführung der Dampfmaschine darstellen, stellt die sogenannte "Automatisierung" im Bürobereich ein Novum dar, das entsprechende Widerstände auslöst.

Für den Unternehmer tritt damit neben die Wirtschaftlichkeitsüberlegung die Frage der sozialpolitischen Akzeptanz der geplanten Maßnahmen. Da er verständlicherweise um den sozialen Frieden im Unternehmen und um das Image außerhalb besorgt ist, unterbindet er häufig Maßnahmen im Bereich Informationsverarbeitung und Automation, die sich auf dem Papier sehr wohl "gerechnet" hätten. Das Prinzip: "Nicht alles, was machbar ist, ist auch vernünftig" setzt sich zunehmend durch.

Das Thema Informationstechnik ist jedoch beim oberen Management im Unterbewußtsein mit diesen unangenehmen Verpflichtungen verbunden und dies trägt sicher nicht dazu bei, seine persönliche Grundeinstellung zu verbessern.

In die Vorstandsetagen ist seit kurzem ein weiteres Problem vorgedrungen, das den Verantwortlichen die Datenverarbeitung in unliebsame Tuchfühlung bringt. Auch bei weiter steigendem Anteil der Datenverarbeitung im Unternehmen muß die Sicherheit der Daten gewährleistet sein. Diese an sich selbstverständliche Forderung stößt aber in der Praxis auf Probleme, vor allem durch die Dezentralisierung der Datenverarbeitung. Längst überwunden geglaubte Sicherheitsrisiken treten vor allem mit der Verbreitung von Arbeitsplatzcomputern auf.

Sicherheitsrisiken lehren Manager das Fürchten

Aufgeschreckt durch Berichte über "Hacker" und Betrugstäter, die Computer geschickt für ihre Manipulationen nutzen, gewinnt das Thema der Computersicherheit zunehmend an Aktualität bei Unternehmen und Managern. Galten bis vor kurzem Sicherheit und Zuverlässigkeit der Datenverarbeitung noch als Spezialthema für Rechenzentrumsleiter, Revisoren und Datenschutzbeauftragte, so ist inzwischen zunehmend beim General Management ein Problembewußtsein erkennbar, das Beratungsunternehmen an der Zunahme entsprechender Beratungsprojekte registrieren können.

Auch die Art und Weise, wie die Datenverarbeitung ihren Weg zum Endbenutzer findet, deutet auf eine ernsthafte Erhöhung der Sicherheitsrisiken hin: Der Computer am Arbeitsplatz eröffnet Schwachstellen, die man in komplexen Computer-Organisationen ausgemerzt glaubte.

Sind dezentrale Rechner als reine Stand-alone-Anwendungen installiert, so ist deren Gebrauch oder Mißbrauch recht eng begrenzt, mithin ist die Kontrollierbarkeit der Datenverarbeitung noch nicht sehr kritisch. Typische Beispiele für solche Stand-alone-Anwendungen sind Prozeßrechner für die Fertigung oder für Hochregallager, aber auch Alarmsysteme, Offline-Kassencomputer und Personal Computer ohne Netzverbindung.

Schwer durchschaubare Risiken entstehen hingegen sofort dann, wenn Rechner untereinander vernetzt werden. Arbeitsplatzcomputer als "intelligente Terminals" von zentralen Rechnern bieten die fatale Möglichkeit mit Hilfe des dezentralen Rechners gezielt nach den Schwachstellen im Netz zu fahnden.

Nur auf den ersten Blick banaler erscheinen die Sicherheitsrisiken, die durch ungesicherte Datenbestände an Arbeitsplatzcomputern bestehen oder die wirtschaftlichen Probleme, die im Gefolge inhomogener Dateien und "hausgemachter" Programmierung durch Computerlaien entstehen.

Technischen Medien fehlt es an Flexibilität

Eine Analyse der Gründe für die zurückhaltende persönliche Nutzung von EDV-Einrichtungen durch das obere Management wäre unvollständig ohne die Prüfung der praktischen Möglichkeiten und des Nutzens für die Tätigkeiten dieser Managementfunktionen.

Vergleicht man die Arbeitszeitaufteilung einer Führungskraft mit anderen Aufgabenträgern im Büro, so stellt man fest, daß mit "Besprechungen/Reisen" (35 Prozent) und "Kommunizieren" (25 Prozent) jene Tätigkeiten überwiegen, die nicht gerade typisch für DV-Unterstützung sind. Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, daß computergestützte Kommunikationssysteme dem Manager bei seiner täglichen Arbeit nur in sehr beschränktem Maße eine attraktive Unterstützung bieten können. Da mündliche Kontakte nicht zu ersetzen seien, so fand man heraus, fehle es den technischen Medien oft an Flexibilität. Genau darauf sei jedoch der Top-Manager angewiesen, denn sein Arbeitstag sei geprägt von Tätigkeiten, die oft nur bruchstückhaft ausgeführt werden können, da er ständig unterbrochen werde. In Studien wurde registriert, daß ein Manager 250 bis 1000 Einzelaktivitäten am Tag zu erledigen habe, wovon rund 50 Prozent ungeplant seien.

Diese Erkenntnisse werden von Untersuchungen in den USA bestätigt, wo bei vielen Top-Managern, die sich einen Personal Computer angeschafft haben, sich nach anfänglicher Euphorie jetzt eine gewisse Enttäuschung breitmacht, weil die Nutzungsmöglichkeiten in der Praxis weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben sind. Hinzu kommt, daß Kenntnisse in der Handhabung der Geräte durch geringe Nutzungshäufigkeit wieder verloren gehen, was zu einer weiteren Verminderung der Nützlichkeit fährt.

So muß man sich - nicht nur in den USA - fragen, wie viele von den PCs und Terminals, die heute in den Chefzimmern stehen, nur Dekoration sind und Fortschrittlichkeit signalisieren sollen beziehungsweise wie viele von den angeschafften Geräten als "Schrankware" unbenutzt ihr Dasein fristen.

Computerphobie statt Euphorie

Wie steht es nun mit dem Verhältnis des Vorstands zum Computer? Von Computerkrankheit, "Executive Fear Factor" ist die Rede. Gemeint ist die Ohnmacht, die Top-Manager gegenüber der Elektronik empfinden, einer Technik, die sich im Unternehmen immer breiter macht, die ihren Handlungsspielraum einengt und die jetzt auch in ihr persönliches Arbeitsumfeld vorgedrungen ist. Jeder fünfte der rund 26 000 Erwerbstätigen in der Bundesrepublik Deutschland arbeitet heute - mehr oder weniger regelmäßig - mit einem Computer. Im Jahr werden bei uns für Computer-Hard- und Software rund 50 Milliarden Mark ausgegeben.

Kein Vorstand, kein Geschäftsführer und kein Top-Manager kann es sich heute noch leisten, über sein Verhältnis zum Computer lange nachzusinnen.

Wenn es so etwas wie Angst gegeben hat oder gibt, so hat diese längst das Stadium persönlicher Berührungsängste überschritten. Die Ausbreitung der elektronischen Informationsverarbeitung in den Unternehmen in mannigfaltiger Form erfordert unternehmerisches Handeln. Eine Strategie für ein übergreifendes Informationsmanagement ist überfällig. Sie muß vor allem folgende Grundfragen klären: Wie sollen die Informationsressourcen im Unternehmen organisiert und eingesetzt

werden? Wo und wie sollen die Informationsressourcen kontrolliert werden? Welche Systemarchitektur sollen die Anwendungen und die Datenbanken haben? Welche Systemarchitektur sollte die Technologie haben?

Informationsmanagement muß viele Probleme lösen

Die zunehmend ressortübergreifende Wirkung legt - mehr als bisher - nahe, diese Funktionen auf Vorstandsebene zu etablieren. Dabei geht es vor allem um Koordination,

Planung, Überwachung, Standardsetzung und Beratung - nicht um ein Superressort, das spinnengleich seine Fäden in alle Bereiche des Unternehmens ausgelegt hat.

Die Vorstände und Geschäftsführer sowie die Top-Manager der Unternehmen, werden Grund zum Fürchten haben, wenn sie diese veränderte Situation nicht in den Griff bekommen.

Welche Unterstützung ihnen bei dieser und anderen Managementaufgaben die Computer selber leisten können, hängt auch davon ab, ob es den Herstellern von Hardware und Software liegt, Angebote zu offerieren, die den speziellen Bedürfnissen des Top-Managements entsprechen.