Top-100 zeigt: Client-Server ist in den USA laengst Alltag Infoworld kuert beispielhafte Client-Server-Installationen

06.10.1995

SAN MATEO (IDG) - Die CW-Schwesterpublikation "Infoworld" hat die 100 innovativsten Client-Server-Anwender der Vereinigten Staaten ausgezeichnet. Dabei honorierte die Jury nicht nur den fortschrittlichsten Ansatz und die Nutzung modernsten Equipments, sondern auch den Mut, sich radikal auf die Welt der verteilten Datenverarbeitung einzulassen - wohlwissend, dass dieser Weg keine Rueckkehr gestattet.

Chancen hatten in den Augen der "Infoworld"-Jury nur solche Projekte, in denen Client-Server als Moeglichkeit verstanden wurde, verschiedene Anwendungen in einer verteilten Umgebung auf unterschiedlichen Plattformen laufen zu lassen. Ausserdem musste ein Hoechstmass an Innovation nicht nur in einem, sondern in einer Vielzahl von DV-Projekten spuerbar sein. Die US-Zeitschrift beauftragte die Marktforscher der im kalifornischen Hayward ansaessigen Trish Information Services mit der Untersuchung von mehr als 300 Unternehmen. In die Bewertung flossen die Kriterien Strategie, Technologie und Implementation ein.

Platz eins in der Top-100 belegt die Florida Power Corp. mit ihrer IT-Ausstattung des Atomkraftwerks Crystal River Nuclear Power Plant. Auf Basis von Intel-PCs und dem Microsoft-Betriebssystem Windows NT ist es IT-Chef Brook Julias in einem vierjaehrigen Projekt gelungen, ein vergleichsweise kleines, aber sehr umfassendes Client-Server-System aufzubauen. Damit ist es moeglich, Daten der rund 1900 Instrumente des Werks, darunter eine Vielzahl an Pumpen und Ventilen, unmittelbar am PC zu kontrollieren. Echtzeit- und Archivdaten koennen - je nach Anforderung - auf die 35 angeschlossenen Arbeitsplaetze der Spezialisten verteilt und dort bearbeitet werden.

Crystal River loest einen veralteten Minicomputer (Modcomp Classic) ab. Die neue Installation bringt den entscheidenden Vorteil, dass den Mitarbeitern am PC fruehzeitig Informationen ueber moegliche Fehlerquellen sowie ueber den Wartungszustand von Instrumenten zur Verfuegung gestellt werden koennen. Eine wichtige Rolle kam in diesem Projekt dem Betriebssystem zu, das in Echtzeit arbeiten und gleichzeitig mit dem unternehmensweiten TCP/IP-Netz koexistieren musste. NT habe diese Voraussetzungen besser erfuellt als vergleichbare Server-Systeme, urteilt Julias.

Allein um Rationalisierung und Kostensenkung ging es Mark Orthner, Technologieberater bei der Cigna Systems in Philadelphia, einer Division des Versicherungs- und Finanzdienstleisters Cigna Corp. Ziel des von ihm initiierten Client-Server-Projekts war es, Zeit und Kosten fuer die Bestellung von Buerobedarf drastisch zu reduzieren. Rund 60000 jaehrliche Bestellungen von Bueromaterialien wie Stiften, Heftklammern, Visitenkarten etc. hatten konzernweit zu horrenden Kosten gefuehrt.

Mit der Einfuehrung eines neuen Client-Server-Systems, das auf Basis der bestehenden LAN-Infrastruktur aufgebaut wurde, gelang es, diesen Prozess fuer US-weit 40000 Arbeitsplaetze in 350 Niederlassungen zu automatisieren. Das Bestellverfahren wird jetzt DV-technisch abgewickelt, das umstaendliche Handling von Papierformularen ist Vergangenheit. Cigna konnte die Kosten in diesem Bereich um 70 Prozent senken; das Ausfuellen von Bestellformularen am Bildschirm nimmt nur noch die Haelfte der Zeit in Anspruch.

Der Konzern stellte ein Projektteam zusammen, das gleichermassen mit Vertretern aus den IT- und den Fachbereichen besetzt wurde. Wichtigste Massgabe war es, sofern moeglich, vorhandene Softwareprodukte zu verwenden. Ausgewaehlt wurden beispielsweise das E-Mail-System von Microsoft und das Produkt "Jetform" vom gleichnamigen Hersteller. Mit diesem Werkzeug liessen sich elektronische Formulare schaffen, die dem zuvor verwendeten Papier weitgehend glichen.

So weit es nur darum ging, die Formulare in den Rechner zu bringen und den Anwendern zu ermoeglichen, per Mail zu ordern, gab es keine Probleme. Die tauchten allerdings auf, als das Ordersystem mit der hausinternen Einkaufssoftware und der EDI-Loesung "Trading Partner" verbunden werden sollte. Dieses Paket dient dazu, den Kontakt zum Lieferanten herzustellen. Das Projektteam schrieb eine Visual- Basic-Loesung, mit der das Einkaufssystem in der Lage war, konvertierte Jetform-Daten zu lesen.

Obwohl die neue Bestellabwicklung zunaechst Skepsis bei den Anwendern ausloeste, wird sie inzwischen akzeptiert - was Cigna Systems den zweiten Platz in der "Infoworld"-Wertung einbringt.

Den Sprung aufs Treppchen schaffte auch der Computerdistributor Intelligent Electronics Inc. (IE), Exton, Pennsylvania. Er optimierte den elektronischen Informationskanal zu seinen rund 2200 Resellern, um das Bestellwesen zu verbessern. Mit den objektorientierten Entwicklungsumgebungen Smalltalk und Visual Works von Parcplace Systems schrieb das Unternehmen eine umfassende Client-Server-Anwendung.

Computerdistributor optimiert Bestellwesen

Ziel von IT-Chef Michael Lanier war es, die Auftragsbearbeitung deutlich zu vereinfachen. Die Reseller sollten in die Lage versetzt werden, Produkte zu bestellen, die Verfuegbarkeit von Ware zu pruefen und den Bearbeitungsstand einer Order schnell nachzuvollziehen. Dazu war es noetig, die Geschaeftssysteme der Value Added Resellers (VARs) enger an die interne Auftragsverwaltung von IE zu koppeln. Der Distributor entschied sich fuer die Entwicklung eines neuen Auftragsbearbeitungssystems "IQ Pro", das auf Basis einer objektorientierten Sprache entstehen und aus Flexibilitaetsgruenden als Client-Server-Architektur realisiert werden sollte.

Schluesselfaktor des Projekts war der Einsatz objektorientierten Messagings fuer den Aufbau einer asynchronen Kommunikation. Die Messages lassen sich nahtlos routen - sowohl ueber die IE- Infrastruktur als auch ueber die der Reseller hinweg.

Die Entwickler von IE verbrachten viel Zeit mit Mitarbeitern der Reseller, um herauszufinden, welche Ansprueche diese an ihre Auftragsbearbeitung stellen. Schliesslich entstand eine hochkonfigurierbare Anwendung, die den individuellen Verhaeltnissen der beteiligten Seiten leicht anzupassen war. Die Client-Server- Architektur geriet schliesslich sehr Client-lastig: Mit Visual Works schufen die Entwickler ein Front-end, das von den Resellern stark an die eigenen Beduerfnisse angepasst wird. Beispielsweise koennen sie ihre eigenen Reports erstellen, den Dateneingangs- Bildschirm individuell einrichten oder - ueber diverse Eingangs- Schnittstellen - ihr objektorientiertes System fuer die Realisierung individueller Erweiterungen nutzen.

Erwaehnung verdient schliesslich noch das Projekt der American Credit Indemnity Company (ACI) in Baltimore, das in der "Infoworld"-Skala Rang neun belegt. Die im Risiko-Management aktive Versicherungsgesellschaft hat ihre neue Kernanwendung, ein umfangreiches OLTP-System (OLTP = Online Transaction Processing), auf Basis von Client-Server-Techniken realisiert.

Bisher lief eine zentrale Anwendung im Timesharing-Modus auf einem IBM-3090-Mainframe. Dieses System erwies sich als zu statisch, wenn es darum ging, neue Produkte zu kreieren und auf den Markt zu bringen. "Wir haben uns von Assembler und Batch-Verarbeitung getrennt, um uns zu Echtzeit- und Online-Verarbeitung hin zu bewegen", verdeutlicht Tom Allen, Vice-President Information Systems, die Dimension des Projekts.

Zwei SMP-faehige (SMP = Symmetrisches Multiprocessing) Alpha-Server der Serie 2100 von Digital Equipment stehen jetzt unter Windows NT im Mittelpunkt einer Client-Server-Architektur, die neben dem Headquarter weitere acht regionale Bueros und 30 ueberregionale Niederlassungen abdeckt. Als Datenbanksystem waehlte ACI Microsofts SQL Server - nach den Worten von IT-Vice-President Tom Allen wegen der ausgezeichneten Unterstuetzung von Trigger-Technik und Stored Procedures.

Tabelle: Sybase wichtigster Tool-Lieferant (Angaben in Prozent)

Wichtigste Client-Tools

Powerbuilder (Powersoft): 15

Visual Basic (Microsoft): 7

Windows (Microsoft): 6

Oracle-Tools: 4

Paradox (Borland): 4

Wichtigste Server-Tools

SQL Server (Sybase): 16

Netware 3.x oder 4.x (Novell): 13

Oracle-Datenbank: 8

Windows NT (Microsoft): 7

SQL Server (Microsoft): 5

Mit ihrem Datenbanksystem und den mit der Powersoft Corp. uebernommenen Entwicklungs-Tools steht Sysbase als Lieferant von Client-Server-Werkzeugen ganz oben in der Gunst der amerikanischen Top-100.

Tabelle: Geschaeftsvorteile durch Client-Server (Angaben in Prozent, Mehrfachnennungen moeglich)

Zeitersparnis: 87

Effizienzsteigerung: 81

Kostenreduktion: 73

Geringere Betriebskosten: 62

Geringere Personalkosten: 59

Schaffung neuer Geschaeftsperspektiven: 45

Ausbau der Marktposition: 32

Die von der "Infoworld" ausgezeichneten Top-100-Anwender haben mit ihren Client-Server-Architekturen nicht nur Zeit und Geld gespart, sie haben zu 45 Prozent auch die Geschaeftsperspektiven ihres Unternehmens erweitert.