Legacy-Systeme in E-Commerce-Infrastrukturen einbauen

Tools reduzieren Aufwand

12.04.2002
Altsysteme und E-Business schienen sich auf den ersten Blick auszuschließen. Inzwischen gibt es mehrere Methoden, die Vorteile von Legacy-Technologie zu nutzen, ohne auf das Geschäft im Internet verzichten zu müssen. Von Ulrich Baumann*

Allen Fortschritten zum Trotz bilden in vielen Unternehmen Legacy-Systeme noch immer die kritischen Geschäftsabläufe und Unternehmensdaten ab. Dabei hadern zahlreiche mittelständische und größere Unternehmen mit dem Problem, ihr existierendes IT-Umfeld in eine E-Business-Umgebung, wie sie heutzutage gefordert wird, zu integrieren. Häufig mangelt es in den IT-Abteilungen am Wissen und der Erfahrung, die erforderlich wären, um Legacy-Applikationen, Geschäftsabläufe und Datenbanken mit den Web-basierenden Applikationen zu migrieren. Die schwache Konjunktur hat das Problem noch verschärft. IT-Budgets wurden stark gekürzt, und die geschrumpften IT-Abteilungen sind bereits mit der Wartung der bestehenden IT-Systeme überlastet, so dass die Ressourcen für den Aufbau einer soliden E-Business-Infrastruktur gegen null gehen.

Eingeschränkte Ressourcen ändern aber nichts an der Tatsache, dass Unternehmen heutzutage eine E-Business-Lösung benötigen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Die globale Wirtschaft läuft im 24-Stunden-Betrieb, und das sieben Tage die Woche. Business-Lösungen müssen deshalb auf dieser "Rund-um-die-Uhr-Mentalität" aufbauen und verlangen nach entsprechenden Web-basierenden Lösungen, die dieses Modell unterstützen.

Für einen effektiven E-Business-Betrieb benötigen die Unternehmen eine robuste und skalierbare Infrastruktur, die sowohl End-to-End-Prozesse unterstützt als auch die Adaption neuer Geschäftsmodelle und -abläufe, Applikationen und Datenbanken zulässt. Denn die besten Chancen, erfolgreich zu bleiben, haben jene Unternehmen, die ihre Geschäftsprozessen effektiv planen.

Es gibt verschiedene Wege, existierende IT-Systeme in eine E-Business-Infrastruktur zu integrieren, und letztendlich liegen allen Lösungen zwei Schlüsselfragen zugrunde: Wie lange wird es dauern, und was wird es kosten? Diese beiden Fragen veranlassen IT-Verantwortliche, zweimal darüber nachzudenken, ob sie die vorhandenen Programme umschreiben und die unzähligen existierenden Applikationen verbinden wollen. Denn dieser Weg ist mit einem hohen Zeit- und Kostenaufwand verbunden. Eine einfachere und dabei verlässliche Methode ist die Web-to-Host-Technologie. Diese unterstützt neben dem Internet-Zugang zu Legacy-Applikationen auch nahtlose Interaktionen zwischen Legacy- und Web-Applikationen sowie die Entwicklung neuer Applikationstypen und Geschäftsabläufe. Dabei bleiben die vorhandenen Applikationen unverändert bestehen.

Seit Beginn der globalen Vernetzung hat sich das Konzept der Connectivity radikal weiterentwickelt. Es reicht heute nicht mehr aus, lokale oder auch geografisch verstreute Arbeitsgruppen innerhalb einer Organisation physikalisch oder logisch zusammenzuführen. Vielmehr müssen Unternehmen in der Lage sein, verschiedenste Geschäftsprozesse zu verbinden und Applikationen für eine stetig wachsende Zahl von Anwendern bereitzustellen.

Immer häufiger verbinden Unternehmen auch die eigenen IT-Systeme mit denen von Kunden, Lieferanten und Geschäftspartnern, um Ineffektivität und Transaktionskosten auf ein Minimum zu senken und gleichzeitig die Kundenzufriedenheit zu steigern. Der durchgängige Informationsfluss innerhalb einer Organisation oder eines Partnernetzwerkes erfordert dafür die Adaption Web-basierender Applikationen und Dienstleistungen sowie die transparente Anbindung geschäftskritischer Legacy-Applikationen - und zwar über jedes gewünschte Produkt.

Schnell an Standard-Browser gewöhntEiner der größten Vorteile Internet-gestützter Applikationen ist ihre einfache Handhabung. Anwender haben sich schnell an die komfortable und benutzerfreundliche Oberfläche der Standard-Browser gewöhnt. Innerhalb der unternehmenseigenen Umgebung kann die Oberfläche als ein einfaches Frontend für alle Applikationen genutzt werden, also auch für die schwer zu handhabenden "green screens" der teilweise bis zu 30 Jahre alten Legacy-Applikationen des Host-Systems. Anwender können mit einem einfachen Mausklick auf die Legacy-Kundendatenbank zugreifen oder beispielsweise Kostenaufstellungen generieren. Diese bedienerfreundliche Handhabung führt zu einer Steigerung der Mitarbeiterproduktivität und verringert zudem Schulungskosten. Web-fähige Applikationen bieten darüber hinaus die Möglichkeit, mobilen Zugang zu unterstützen. In steigendem Maße fordern Unternehmen einen Zugang zu Legacy-Applikationen nicht nur vom PC oder Laptop, sondern von PDAs, Handys und anderen mobilen Endgeräten aus. In einigen Fällen reicht hierzu ein einfacher Internet-Zugang zu einer einzigen Legacy-Applikation bereits aus. In anderen Fällen bündeln Unternehmen bestehende Datenbanken und Geschäftssysteme von verschiedensten Legacy-Applikationen und ermöglichen anschließend den Zugriff über eine einfache Web-Applikation.

Unternehmen, die sich für eine Web-to-Host-Integration entschieden haben, stehen nun vor der Suche nach dem effektivsten Weg, das Projekt umzusetzen. Einer der ineffektivsten Wege wäre es, einem Programmierer mit dem Schreiben einiger Scripts zu beauftragen, welche die Informationen von einer Web-Schnittstelle abfragen. Das Problem liegt darin, dass es meist mehrere Legacy-Applikationen sind, die Web-fähig gemacht werden müssen. Dies erfordert einen anspruchsvolleren Ansatz, als ein paar einzelne Scripts bieten können.

Ein Unternehmen kann aber auch Millionen von Euro ausgeben und mehr als ein Jahr Programmierzeit in Kauf nehmen, um jede Legacy-Applikation einzeln und manuell zu einer Web-zentrierten Applikation zu konvertieren. Verheerend wirkt sich aus, wenn das Unternehmen im Anschluss an die Konvertierung feststellt, dass Schnittstellen zu anderen Unternehmenssystemen, Geschäftsprozessen und -abläufen sowie Datenbanken vergessen wurden.

Deshalb wenden Entwickler heute Tools für visuelle Entwicklungen, Simulation, Netzwerkmanagement und Host-Publishing an. Diese vier Kategorien von Entwicklungs- und Management-Tools automatisieren viele teure und zeitraubende Routineprozesse. Durch die Anwendung dieser Tools können IT-Abteilungen ihre organisatorische Effizienz verbessern, indem sie die Entwicklung der End-to-End-E-Business-Infrastruktur mit nahtloser Funktionalität zwischen den Legacy-, den Web-basierenden und anderen Unternehmensapplikationen beschleunigen.

-Visual IDEs (Visual Integrated Development Environment): Genau wie eine Web-Oberfläche das Arbeiten für den Anwender erleichtert, vereinfachen Internet-gestützte Entwicklungs- und Integrationwerkzeuge die Arbeit erheblich. Anstatt Tausende von Code-Zeilen zu schreiben, können Entwickler durch das Einfügen vorkonfigurierter Objekte oder Komponenten über ein "Drag and Drop"-System Applikationen bauen, die spezielle Funktionalitäten bieten. Nach dem gleichen Prinzip lassen sich Applikationen integrieren, indem visuelle Beziehungen zu einzelnen Bildschirme innerhalb der integrierten Entwicklungsumgebung hergestellt werden.

-Simulationswerkzeuge: Web-Applikationen müssen rund um die Uhr online sein, was bedeutet, dass auch das Host-System jederzeit verfügbar sein muss. Es gibt keine "geeignete" Zeit mehr, um den Mainframe aus Gründen der Wartung und Anpassungen offline zu nehmen oder Batch-Prozesse wie ein Mainframe-Datenbackup laufen zu lassen. Simulationswerkzeuge ermöglichen dem Administrator, Anpassungen und Ergänzungen der Host-Masken an einem Simulator vorzunehmen, so dass die Neuerungen der Web-Applikation anschließend in Echtzeit für den Anwender sofort bereitgestellt werden können. Darüber hinaus beeinträchtigen sie keine Ressourcen. Denn ein weiterer wesentlicher Aspekt in einer Web-basierenden Umgebung ist die Skalierbarkeit, die nur selten linear ist. E-Business-Infrastrukturen sind so aufgebaut, dass sie Tausende von Anwendern unterstützen, von denen jeder jeweils auf mehrere Applikationen zugreift. Trotzdem bleibt die Skalierbarkeit eine ständige Herausforderung, da sie stetigen Veränderungen unterliegt. Sobald weitere Applikationen und Anwender der IT-Infrastruktur hinzuge-fügt werden, steigt die Komplexität. Dabei gilt: je komplexer die E-Business-Infrastruktur, desto schlechter die Performance.

-Network-Traffic-Management-Tools: Diese Produkte - typisiert durch IBMs Tivoli-Netz-Management- und Konfigurationsprodukte - können IT-Abteilungen bei der Visualisierung anwenden. Sie dienen der Feststellung, wie eine Erhöhung der Anwenderanzahl oder die Erweiterung der Applikationen die E-Business-Infrastruktur beeinflusst. So haben sie die Skalierbarkeit besser im Griff. Sollte beispielsweise die Responsezeit zu langsam werden, kann der Netzwerkadministrator dieses Tool nutzen, um Anwender unterschiedlichen Servern zuzuteilen und dadurch die Antwortzeit zu verkürzen.

-Host-Publishing-Tools: Diese Tools ermöglichen es, Legacy-Applikationen und -Daten in eine Web-basierende Umgebung zu integrieren. Host-Publishing erlaubt einen schnellen Zugriff auf kritische Daten, indem es den Browser-basierenden Zugang zu Host-Applikationen unterstützt, ohne eine Weiterentwicklung oder Änderung der bestehenden Systeme zu erfordern. Beispielsweise können Host-Publishing-Lösungen, die etwa auf IBM-3270- und 5250-Oberflächen basieren, innerhalb weniger Minuten zu Web-Seiten konvertiert werden.

Fazit: Die Durchsetzung von E-Business hat viele Verantwortliche dazu gezwungen, ihre IT-Infrastruktur neu zu überdenken. Betrachtet man die Kosten, wird schnell klar, dass es Sinn hat, existierende IT-Systeme zu übernehmen und in die neue E-Business-Infrastruktur einzubinden. (bi)

*Ulrich Baumann ist European Product Marketing Manager bei der Net Manage Software GmbH in Sauerlach bei München.

AngeklicktMit Web-to-Host-Technologie können Legacy- und andere Applikationen in eine Web-zentrierte Umgebung eingebunden werden. Diese bietet damit eine komplette Kompatibilität zwischen den Systemen, Applikationen, Datenbanken und Geschäftsabläufen und ermöglicht gleichzeitig die Entwicklung neuer Applikationen und Informationen. So nutzt die E-Business-Lösung bestehende Res-sourcen und die damit verbundenen Investitionen optimal und unterstützt verschiedene Geschäftsprozesse innerhalb des Unternehmens oder auch des Netzwerks aus Unternehmen, Kunden, Lieferanten und Geschäftspartnern.