IT-Manager fordern in Diebold-Umfrage bessere Services

TK-Anbieter zeigen wenig Phantasie bei neuen Diensten

23.12.1998
Von Steffen Roehn und Steffen Leonhardt* Ein Jahr nach der endgültigen Öffnung des deutschen TK-Marktes ist die Euphorie der neuen Anbieter verflogen. Der Traum, der Telekom die Kunden in Scharen abzujagen und rasch Geld zu verdienen, ist ausgeträumt. Günstige Tarife allein reichen nicht aus, die Kunden wollen neue Produkte und Dienste.

Eines haben die neuen TK-Anbieter gelernt: Niedrige Preise allein sind kein Differenzierungsmerkmal im Wettbewerb, sondern werden von den Kunden als notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für die Wahl eines Carriers gesehen. Während noch zu Jahresbeginn Untersuchungen zu dem Ergebnis kamen, der Preis sei das entscheidende Auswahlkriterium, bringen neuere Erhebungen andere Erkenntnisse: Ein abgerundetes Angebot inklusive innovativer Dienste entwickelt sich immer mehr zum Schlüssel für die Kundengewinnung und -bindung. Auch eine von der Diebold Deutschland GmbH initiierte Befragung unter 216 IT- und TK-Managern mittelständischer und großer Unternehmen bestätigt diesen Trend.

Was innovative Angebote betrifft, haben die Newcomer auf dem deutschen Markt jedoch noch einigen Nachholbedarf. Die befragten Entscheider bewerten hier die Telekom deutlich besser als ihre neuen Mitbewerber.

Bisher, so ein Resultat der Studie, haben die Produktportfolios der Newcomer eher Nachahmungscharakter. Ihr Engagement bei der Entwicklung innovativer Dienste hält sich in Grenzen, vielmehr zielt ihre Strategie bisher darauf ab, Anwender mit niedrigen Tarifen zu einem Wechsel zu bewegen. Diese Rechnung kann kurzfristig noch aufgehen, führt mittelfristig jedoch in eine Sackgasse. Einige Anbieter scheinen die Gefahr erkannt zu haben und reagieren zum Beispiel mit Mobilfunkdiensten wie etwa Prepaid Services oder Lokaltarifen. Diese sind ein erster, wenn auch nur kleiner Schritt in Richtung Innovation.

Die Diebold-Studie widerlegt das Vorurteil, deutsche Unternehmen seien nicht bereit, neue Dienste anzuwenden. Ein Drittel der untersuchten Firmen nutzt zum Beispiel bereits Services aus dem Bereich Virtual Private Networks. Weitere 20 Prozent planen den Einsatz. Auch Servicerufnummern (0130, 0180 etc.) werden zunehmend akzeptiert. Über zwei Drittel der befragten Unternehmen wenden diese Dienste bereits an, zehn Prozent führen sie in den nächsten Monaten ein.

Dennoch gibt es für die Provider in Sachen Dienstevielfalt aus Sicht der Anwender noch viel zu tun. Als besonders wichtige Innovationsfelder werden der Mobilfunk und das Intranet betrachtet. Das gilt vor allem für Integrationsprodukte, die zu einer Verschmelzung der Informationstechnik, der Festnetztelefonie, des Mobilfunks sowie der Internet-Technologien führen sollen.

Solchen Produkten räumen die Entscheider große Chancen ein. Alle Befragten erwarten aus mindestens zwei der genannten Bereiche neue Produkt- und Diensteangebote.

Die potentiellen Kunden stellen sich offenbar quantitative und qualitative Verbesserungen der TK-Nutzung konkret vor. Woran liegt es aber, daß diese Wünsche von den Anbietern nur geringfügig mit Produkten und Diensten bedient werden?

Providern fehlt der lange Atem

Die wichtigsten Gründe sind:

- zu hohe Preisvorstellungen der Anbieter, die gleich zur Markteinführung die volle Kostendeckung erreichen wollen,

- zu komplexe Produktideen, die den Kunden zwar nutzen, aber zu teuer sind, sowie

- unreife Produkte, die zu früh bei Pilotkunden eingesetzt werden und aufgrund von Qualitätsmängeln, Sicherheitsproblemen und mangelnden Supportleistungen eingestellt werden.

Ein weiterer wichtiger Einwand vieler Kunden sollte den TK- Anbietern zu denken geben: Sie sind der Meinung, daß Produkte und Services oft an ihnen vorbei entwickelt werden. Trotz der engen Zusammenarbeit zwischen den Wertschöpfungspartnern im TK-Bereich gehen Informa- tionen über Marktanforderungen verloren.

Die Wünsche der Kunden sind nicht schwer zu erraten

Die Anbieter der Systemtechnik erforschen den künftigen Bedarf der Endkunden genauer als mancher Operator, der sich eigentlich durch Kundennähe auszeichnen sollte. Service-Provider haben im Innovationskontext, so die Studie, kaum Profil. Das könnte sich rächen, denn um bei sinkenden Margen im Markt bestehen zu können, müssen die Anbieter auch mit innovativen Produkten neue Kunden gewinnen.

Für die Netzbetreiber bedeutet das, den Spagat zwischen verbesserter Basistechnologie und den Kundenanforderungen zu meistern. Die einzig sinnvolle Wertschöpfung in der Telekommunikation wird in Zukunft aus der Technikintegration sowie deren Abbildung in den dazugehörigen Organisationsprozessen bestehen.

Das gleiche gilt auch für Innovationen, wenn sie sich am Markt etablieren sollen. Die Chancen sind groß. Die Telekommunikation ist nämlich schon heute für viele Branchen eine der wichtigsten Plattformen, auf der sie ihre Geschäfte betreiben. Um dieser Tatsache noch stärker Rechnung zu tragen, müssen die Netzbetreiber eine aktivere und endkundenorientierte Steuerungsrolle gegenüber allen beteiligten Hard- und Softwarelieferanten einnehmen. Die Kräfteverteilung im unternehmensübergreifenden Innovationsprozeß, im "Push und Pull" zwischen Angebot und Nachfrage, wird zur Management-Aufgabe, der die Carrier und Provider höchste Priorität einräumen sollten. Deswegen müssen sie sich anschicken, die dafür notwendigen Ressourcen zu entwickeln. Wer nicht aus eigener Kraft innovativ ist, wird den Anschluß verlieren.

Was der Markt im einzelnen an neuen Produkten und Dienstleistungen fordert, ist nicht so schwer zu ermitteln. Unternehmen wollen integrative Dienste, die sie bei der Ausübung ihres Geschäftes unterstützen, Privatleute beanspruchen mehr Komfort zu gleichen oder niedrigeren Preisen. Diese Wünsche zu erfüllen ist nicht unmöglich. Doch die Carrier müssen dabei eigene Wege gehen, nicht imitieren, sondern innovieren.

*Steffen Roehn und Steffen Leonhardt sind als Berater für Telekommunikation bei der Diebold Deutschland GmbH tätig.