Tivoli auf Kurs zum Service-Management

29.06.2006
Von Michael Santifaller
IBM hat eine Produktfamilie für das IT-Service-Management (ITSM) vorgestellt. Wie die Konkurrenz steht der Konzern mit seiner Tivoli-Erweiterung am Anfang.
Zu den klassischen Tivoli-Infrastruktur-Produkten kommen eine Change and Configuration Management Database und darauf aufsetzende Process Manager hinzu. Von diesen sind die gelb gekennzeichneten auf dem Markt, das Capacity-Management folgt noch in diesem Jahr, alle anderen später.
Zu den klassischen Tivoli-Infrastruktur-Produkten kommen eine Change and Configuration Management Database und darauf aufsetzende Process Manager hinzu. Von diesen sind die gelb gekennzeichneten auf dem Markt, das Capacity-Management folgt noch in diesem Jahr, alle anderen später.

Die jetzt angekündigten und teilweise verfügbaren ITSM-Tools sind - nach einigen (etwa zum Monitoring) bereits in den letzten Monaten ausgelieferten Produkten - die zweite Welle einer weitgehenden Erneuerung des Tivoli-Produktportfolios, die vor mehr als eineinhalb Jahren begonnen wurde. In dieses Projekt hat Tivoli neben viel Entwicklungskapazität auch beträchtliche finanzielle Mittel für Akquisitionen verschiedener Techniklieferanten, darunter Candle, Micromuse, Isogon und Collation, gesteckt.

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Druck lastet auf den IT-Stäben

Die steigende Komplexität der IT-Infrastrukturen und der hohe Grad an Isolation zwischen den einzelnen Plattformsilos im Systems-Management haben laut Studien von Gartner und Forrester dazu beigetragen, dass IT-Betrieb und -Unterhalt (IT Operations) heutzutage immer noch 75 Prozent der IT-Ausgaben ausmachen. Der Druck auf die IT nimmt durch die immer größere Abhängigkeit der Geschäftsprozesse von der IT weiter zu; gesetzliche und andere Richtlinien zur IT-Kontrolle und IT-Risikovorsorge tun ein Übriges.

Tivoli stellt dazu eigene ITSM-Produkte in drei Ebenen zur Verfügung:

• IT-Operational-Management umfasst die bekannten Produkte für Server-, Netzwerk- und Geräte-Management, Storage, Security und Business-Application-Management von Tivoli.

• IT-Service-Management-Plattform ist eine Change and Configuration Management Database (CCMDB) mit standardisierten Diensten und Schnittstellen zum Management von Konfigurationsdaten und deren Beziehungen untereinander sowie Workflow-Diensten.

• IT-Process-Management-Produkte dienen der Umsetzung von operativen IT-Management-Aufgaben in konkreten Workflows auf der technischen Basis der beiden darunter liegenden Schichten (siehe Grafik "Tivoli-Zukunft mit Process Manager").

Zu Altem kommt Neues

In der ITSM-Plattform hat Tivoli erprobte IBM-Technik verarbeitet: Das föderierte CMDB-Datenmodell, das von einer Koalition großer Management-Produktanbietern, darunter IBM, HP, CA und BMC, entwickelt wurde und im Lauf des Jahres als Standard eingereicht werden soll, wird in einer DB2-Datenbank implementiert. Optional lässt sich auch eine Oracle-RDBMS verwenden. Föderiert bedeutet, dass eine logische Configuration Management Database (CMDB) aus mehreren, auch heterogenen Datenbanken dieser Art aufgebaut werden kann.

Die Workflow-Engine basiert auf IBMs "Rational Method Composer" (RMC), die Browser-basierenden Workflows werden im IBM "Websphere Application Server" bereitgestellt. Die Inhalte der CCMDB können durch den "Tivoli Application Dependency Discovery Manager" (TADDM) in der Infrastruktur gescannt und laufend automatisch aktualisiert werden.

Manager für Prozesse

Von den angekündigten Process Manager sind die in der Abbildung gelb gekennzeichneten seit Ende Juni verfügbar, der "Capacity Management Process Manager" folgt im zweiten Halbjahr 2006. Die anderen Manager sind laut IBM für die spätere Zukunft geplant. Der "Change and Configuration Management Process Manager" ist in der ITSM-Plattform enthalten.

Die Process Manager basieren auf dem "IBM Tivoli Unified Process" (ITUP), welches ein von der IBM entwickeltes, eng an Itil angelehntes, komplettes ITSM-Prozessmodell darstellt. Dieses Tool kann von der Tivoli-Web-Seite kostenfrei heruntergeladen werden (http://www.ibm.com/ software/tivoli/features/it-serv-mgmt/itup/tool.html). Die ITUP-Prozesse sind in der mitgelieferten Bibliothek des IBM Rational Method Composers abgelegt und lassen sich vom Kunden an seine jeweiligen Anforderungen anpassen.

Die Process Manager sind ge- wissermaßen Workflow-Aufs- ätze zur Operationalisierung von ITSM-Prozessen mit Hilfe von Tivoli-Infrastruktur-Management-Werkzeugen. Die auf Web Services Distributed Management (WSDM) basierende Integration mit den IT-Operational-Management-Produkten von Tivoli ist, so weit sich das für die verfügbaren Process Manager derzeit beurteilen lässt, innovativ und nahtlos gelungen. Gerade bei der Umsetzung der eher operativen Prozesse wie dem Change-, Configuration- und Release-Management spielt ein Hersteller von Infrastruktur-Management-Produkten wie Tivoli seine Trümpfe aus. Interessant wird sein, wie der Anbieter in Zukunft die mehr taktischen Itil-Prozesse umsetzt.

Der "Availability Management Process Manager" hilft bei der Verfolgung und Diagnose von Incidents bei Infrastrukturelementen, indem er die betroffenen Configuration-Items in der CCMDB mit den Informationen verknüpft, die dazu beispielsweise im "Tivoli Monitoring", im "Management Data Warehouse" und anderen Tivoli-Produkten vorliegen. So werden bei der Bearbeitung eines Incident automatisch die Tivoli-Tools mit der Sicht auf die relevanten Informationen gestartet.

Dieser Process Manager ist beispielhaft für das Eingangsmotto vom "umsetzbaren Itil". Er ist allerdings auch ein Beispiel für eine sich immer wieder offenbarende und für den Itil-Puristen manchmal gewöhnungsbedürftige Tivoli-ITSM-Nomenklatur, die auf IBMs Process Reference Model for IT (PRM-IT) basiert. Unter dem Begriff Availability Management hätten viele wahrscheinlich etwas anderes erwartet als die Umsetzung eines Subprozesses für das operative Incident-Management und das Problem-Control im Problem-Management.

Die Konkurrenten warten schon

Die ITSM-Plattform mit ihren Funktionen ist im Wesentlichen eine Infrastrukturkomponente, deren operativer Nutzen durch die Process Manager aktiviert wird. Diese sind das Highlight der jetzigen ITSM-Ankündigung von IBM, weil hier eine konkrete Unterstützung für Service-Management geschaffen wird. Allerdings begibt sich Tivoli damit auch in einen Teich, in dem sich bereits eine Menge anderer Hechte tummeln.

Wer den Markt für Service-Desk-Software kennt, weiß, dass die dort angebotenen Produkte eben meist auch Change-, Configuration- oder Release-Management-Funktionen integriert anbieten. IBM möchte sich mit eigenen Produkten partout aus dem Thema Service-Desk und insbesondere dem Incident-Management heraushalten, weil dieser Markt schon besetzt ist und man glaubt, dass die installierten Techniken bei den Kunden gesetzt sind. Aber man stellt immer wieder fest, dass Unternehmen im Rahmen der Unterstützung der hoch integrierten ITSM-Prozesse nach einer ganzheitlichen Lösung suchen. Und dabei stellen sie durchaus (meist in veralteten Produktversionen) vorhandene Service-Desk-Produkte in Frage.

IBM bewegt den Markt

Tivoli muss es nun gelingen, sich hier mit seiner individuellen CCMDB-Strategie und den neuen Process Manager klar gegenüber diesem Wettbewerb zu positionieren. Gleichzeitig gilt es, offen zu sein, um diese Produkte für das Incident-Management und die anderen Prozesse zu integrieren, beispielsweise durch fertige Module für BMC Remedy und HP Service Center, die voraussichtlich im Herbst verfügbar sein werden. Ansonsten könnte sich die IBM entscheiden müssen, ob sie nicht doch mittels einer weiteren Akquisition das Portfolio mit einer veritablen Service-Desk-Technik komplettiert.

Wenn sich ein Hersteller mit dem Einfluss und dem Kundenkreis einer IBM des Themas ITSM mit einem derartigen Nachdruck annimmt, darf man davon ausgehen, dass damit wichtige organisatorische und technische Impulse in die IT-Organisationen gesendet werden.

Zum anderen macht IBM das Thema Itil mit ihrem jetzt vorgestellten, pragmatischen Tivoli-ITSM-Lösungsansatz auch für solche Käuferschichten interessant und vertrauenserweckend, die ITSM bislang vielleicht aufgrund ihrer Unternehmensgröße für nicht relevant hielten. Mit seiner Unterstützung von Itil und anderen ITSM-Standards adelt IBM quasi das Konzept des Service-Managements, und dies kann nur ein Vorteil für die Standardisierung der Prozesse in der IT sein. (ls)