Führungskräfte am Scheideweg

Tipps zur Laufbahnplanung

02.05.2012
Von 


Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.

Bereichsdenken reduzieren:

Ein Problem vieler Unternehmen ist das Bereichsdenken. Eine Ursache hierfür ist das fehlende Verständnis für die Belange des Anderen. Dieses Manko kann nur behoben werden, indem der Managementnachwuchs sehr verschiedene Funktionen im Unternehmen wahrnimmt und keinen "Kaminaufstieg" vollzieht. Ein solche Laufbahn erleichtert es Jungmanagern auch, die richtigen Entscheidungen im Sinne des Gesamtunternehmens zu treffen.

Hinzu kommt eine veränderte Haltung, wenn ein Manager weiß: Morgen kann er aufgrund einer Rotation vielleicht schon auf dem Stuhl des anderen sitzen. Unternehmen, die Führungskräfte oft rotieren lassen, "entpersonifizieren" die Managementaufgabe. Der Chef muss seine Aufgaben so erledigen, dass er jederzeit wechseln kann und einen "sauberen Laden" hinterlässt.

Begrenzte Zeit, um die Hierarchiestufen zu durchlaufen:

Auch pragmatische Gründe erschweren oft ein längeres Verweilen in einer Funktion. Wenn ein Top-Manager alle Hierarchieebenen erlebt und sich in den verschiedensten Funktionen bewährt haben soll, dann darf er nicht länger als vier Jahre in einer Funktion bleiben. Sonst "rennt ihm die Zeit" davon. Deshalb muss der Personalbereich Potenzialträger regelmäßig aus ihren Funktionen herauslösen, um sie weiterzuentwickeln - selbst wenn sie dies anfangs nicht wollen.

Internationale Erfahrungen sammeln:

Jeder künftige Top-Manager sollte heute einige Jahre im Ausland verbringen. Doch diese Aufenthalte dürfen nicht zu lange sein. Sonst besteht die Gefahr, dass der Kandidat den "Anschluss" an die Entwicklung im Mutterkonzern verliert. Die internationale Erfahrung hilft ihm, Entscheidungen "über den Tellerrand hinweg" zu treffen und nicht nur die nationale Brille aufzuhaben.

Konsequenzen für die Personalentwicklung

Die Übersicht der Pros und Kontras zeigt: Es gibt kein Patentrezept. Eine gute Managemententwicklung erfordert ein Wechselspiel zwischen Kontinuität und Wechsel. Hier liegt eine bisher vernachlässigte Aufgabe der Personalentwicklung. Sie muss die Wechselprozesse begleiten und bei Führungswechseln neben den Kandidaten für die Top-Positionen auch deren (bisherige) Mitarbeiter stärken. Ganz gleich wie viel Wechsel ein Unternehmen jedoch im mittleren Management anstrebt: Es sollte darauf achten, dass an der Unternehmensspitze weitgehend Kontinuität besteht. (oe)

Der Autor Dr. Georg Kraus ist geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal. Der diplomierte Wirtschaftsingenieur ist u.a. Autor des "Change Management Handbuch". Seit 1994 ist er Lehrbeauftragter an der Universität Karlsruhe, der IAE in Aix-en-provence und der technischen Universität Clausthal.