Tipps für die ERP-Einführung

05.05.2008
Wahl, Installation und Anwendung betriebswirtschaftlicher Software sind kein Kinderspiel. Doch mit einer guten Vorbereitung lassen sich häufige Fehler vermeiden.

Bei vielen Unternehmen kommt das große Erwachen erst nach der Einführung des ERP-Systems. Statt dass sich das Firmenkapital, die Betriebsmittel oder das Personal effizienter für den betrieblichen Ablauf einsetzen ließen, steht sich die Software selber im Weg. Oft wird nach funktionalen Kriterien ausgewählt. Viele Funktionen und hohe Flexibilität führen aber nicht automatisch zu besseren Prozessen. Mitunter fühlen sich die Nutzer vor den Kopf gestoßen: Praktische Funktionen, die sie aus der alten Softwareumgebung kannten, vermissen sie plötzlich. Statt produktiver zu arbeiten, sieht sich der Anwender zu vielen Fragen veranlasst. Oft wird bei der Auswahl auch nicht berücksichtigt, dass eine ERP-Software mit einer Fülle an Funktionen die Hardware belastet.

Viele Unternehmen finden sich nach der Softwareeinführung in einer solchen Situation wieder. Dabei wurde doch auf die Auswahl der Lösung viel Zeit verwendet. Und hier liegt das Problem.

Weder die Auswahl noch der Einsatz eines ERP-Systems ist zu vergleichen mit herkömmlichen Büroprogrammen. Die neue Software ersetzt die vorhandenen Systeme, verlangt von den Mitarbeitern, sich an neue Arbeitsweisen zu gewöhnen, und zwingt zu organisatorischen Veränderungen. Dazu müssen die Angestellten bereit sein. Das erfordert viel Einsatzbereitschaft und Selbstdisziplin sowie die volle Unterstützung durch die Geschäftsleitung. Diese muss zudem eine realistische Vorstellung über Budget und Dauer der Auswahl sowie des gesamten ERP-Projekts entwickeln.

Mit der Wahl des Projektleiters trifft das Unternehmen eine wichtige Entscheidung. Seine Aufgaben kann er nur dann gut erledigen, wenn er als gleichrangiger Gesprächspartner von Bereichsleitern angesehen wird und entsprechende Weisungsbefugnisse hat. Er kann dann Checklisten erstellen, die das unternehmenseigene Anforderungsprofil und das Investitionsbudget festlegen.

Unterscheidungsmerkmale

Erst wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, vermag das neue ERP-System zu helfen, Aufwand und Kosten zu reduzieren. Sonst dauern Auswahl- und Einführungsverfahren unter Umständen nicht mehrere Monate, sondern Jahre.

ERP-Systeme sind keinesfalls gleich, auch wenn manch einer behauptet, dass sich die Produkte höchstens in ihrer Architektur und weniger in den Features unterscheiden würden. Manche Applikationen verfügen über breite Funktionalität, doch die Funktionstiefe ist eher gering. Das trifft auf viele moderne ERP-Programme zu. Älteren Produkten, die sich im CIM-Zeitalter (Computer Integrated Manufacturing) etablieren konnten, fehlt es vielleicht an einigen Funktionen in der Breite, sie bieten aber Details, die dem Nutzer viel Zeit sparen. Wesentlich ist, dass sich die Prozesse, die dem Anwender wichtig sind, organisatorisch detailliert abbilden lassen.

Nicht nur Rangziffern beachten

Die ERP-Systemauswahl stützt sich nicht allein auf Rangziffern. Auf die Nachkommastelle genau den Erfüllungsgrad zu betrachten und bei Nichterreichen einer bestimmten Punktzahl Systeme auszuschließen ist ebenso wenig hilfreich. Der Besitz einer hoch bewerteten und für gut befundenen Software beruhigt zwar kurzzeitig das Gewissen. Das heißt jedoch nicht, dass sich diese Applikation auf lange Sicht leicht an eine gewünschte Arbeitsorganisation anpasst oder sich auf Arbeitsweisen umstellen lässt, die sich unmittelbar aus dem Kerngeschäft des Unternehmens ergeben. Die Arbeitsweise des Zielsystems sollte zu den Abläufen des jeweiligen Unternehmens passen. Andernfalls müssen die späteren Anwender intensiv geschult werden, weil sie sich mit den Vorgaben der neuen Applikation vertraut machen müssen. Fehlt dem ERP-Produkt die notwendige Flexibilität, ist dies ein Ausschlusskriterium.

Anforderungen klären

Vor der Wahl eines Systems sollten sich Firmen folgende Fragen stellen:

  • Soll das künftige Rechnungswesen nach dem Ein- oder Zweikreissystem organisiert sein?

  • Sollen sich die Kernfunktionen an den Controllern oder an der Arbeitsvorbereitung, der Auftragsleitstelle und der Logistik orientieren? Dies lässt sich besonders an den Möglichkeiten des Kalkulationsmoduls erkennen.

  • Zu berücksichtigen sind auch rechtliche und gesetzliche Vorgaben wie GoBS (Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführungssysteme) und GDPdU (Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen) sowie eine revisionssichere Archivierung.

Im Rahmen einer Betriebsanalyse lassen sich organisatorische Besonderheiten und funktionale Schwerpunkte eines Betriebs ermitteln. Sie bildet die Basis für das Pflichtenheft, das wiederum den Leitfaden für das Auswahlverfahren liefert. Je besser das Projekt vorbereitet wurde, desto einfacher lassen sich detaillierte Anforderungen formulieren und Regeln für den Projektablauf festlegen. Die Betriebsanalyse fördert oft zutage, dass Mitarbeiter Daten in Excel und Access gesammelt haben. Diese Datenbestände liegen in unterschiedlichen Ausprägungen und Zuständen vor und müssen vor der Übergabe in das ERP-System aufbereitet werden.

Nicht auf das Pflichtenheft verzichten

Oftmals glauben Unternehmen, ohne Pflichtenheft auszukommen. Das kann fatale Folgen haben. Auch wenn es aufwändig ist, solche Unterlagen zu erstellen, zahlt sich die Mühe aus. Die Erfahrung zeigt, dass es ohne ein brauchbares Pflichtenheft keine erfolgreiche Systemauswahl geben kann. Es beinhaltet Anforderungen, die die neue Lösung erfüllen soll, und legt somit den Funktionsumfang des Systems sowie die Projektplanung und den -verlauf fest. Für Mitarbeiter und Anbieter ist es bindend, da es die Basis für den Kompromiss zwischen Wunschdenken und Realisierbarkeit, zwischen Machbarkeit und Kosten bildet.

Ein umfangreicher Funktions- und Fragenkatalog sichert jedoch nicht die Erfüllung der gewünschten Funktionen. Hier gilt: Weniger ist mehr. So sind vor allem Kernprozesse detailliert herauszuarbeiten, gegebenenfalls aber auch solche, die das künftige ERP-Programm nicht abdecken soll.

Um festzustellen, welche Kernprozesse ein Unternehmen aufweist, eignet sich ein Datenmengengerüst. Auf diese Weise wird deutlich, welche Datenmengen innerhalb des Unternehmens bewegt werden. Das liefert Hinweise auf die Schwerpunkte, die das neue Programm setzen sollte. Dazu gehören nicht nur die Stammdaten wie Teilestamm oder Stücklisten, sondern auch Kunden- und Bestellvorgänge, Fertigungsaufträge und Bestände.

Datenqualität und Organisation

Nachdem die Daten aufbereitet und Ziele definiert sind, sollte das Unternehmen ein Parallelprojekt auflegen, das sich mit der Datenqualität, der Sollorganisation, den Solldatenquellen und der Qualifikation der Mitarbeiter befasst. Diese Aufgaben werden von Unternehmen häufig in die Vorbereitungen zur Inbetriebnahme des Systems verlagert - ein Fehler, der oft den Starttermin des ERP-Programms gefährdet oder dazu führt, dass die Firma nur Teilfunktionen in Betrieb nehmen kann.

Die ERP-Auswahl sollte sich in eine Vor- und eine Endauswahl untergliedern. In der Vorauswahl begutachtet der Anwender maximal zwölf Anbieter, in der Endauswahl bis zu drei Softwarehersteller.

Der Hersteller sollte seine Präsentation auf bestimmte Funktionsabläufe konzentrieren, die dem Unternehmen wichtig sind. Für die Softwarevorführung sollte das Projektteam hinreichend Zeit einplanen, denn erst dann werden Unterschiede zwischen den Systemen deutlich, und Fehler oder Lücken in funktionalen Abläufen lassen sich erkennen. Andernfalls fehlen wichtige Beurteilungs- und Bewertungskriterien, die notwendig sind, um den Abdeckungsgrad nach funktions-, abteilungs- und unternehmensbezogenen Lösungsansätzen einzuschätzen, die Automatisierbarkeit zu prüfen und die funktionale Tiefe auszuloten.

Ohne hinreichende Prüfung läuft die Firma Gefahr, sich für ein weniger geeignetes Produkt zu entscheiden. Es ist zwar hilfreich, vor einer Entscheidung die Software zu testen, doch sollten Unternehmen den Aufwand nicht unterschätzen. Eine Probeinstallation lohnt sich nur, wenn sie auch wirklich umfangreich genutzt wird. Hat das Unternehmen die Kapazitäten, ist es sinnvoll, qualifizierte Mitarbeiter für einen Workshop mit den Systemanbietern freizustellen, damit sie sich ausgiebig mit dem System Basis ihres Tagesgeschäftes beschäftigen.

Migration der Daten

Die Konvertierung (Datenmigration) beinhaltet die Übernahme der bisherigen Stamm- und Bewegungsdaten aus dem Altsystem in das neue ERP-Produkt. Alle nicht übernommenen Daten sind vor der Inbetriebnahme gegebenenfalls manuell nachzutragen. Die Datenbereitstellung ist ein besonders wichtiger Bestandteil der Inbetriebnahme! Aber die Konvertierung wird nicht nur benötigt, um aus dem Stand heraus nach einer Stichtagsumstellung sofort weiterarbeiten zu können: Wenn die Bewegungsdaten der Vergangenheit nicht übernommen werden und keine revisionssichere Archivierung dieser Geschäftsinformationen vorliegt, muss das Altsystem gemäß den Aufbewahrungspflichten (GDPdU) zehn Jahre lang abrufbar bleiben. Dies betrifft dann nicht nur die Buchhaltung, sondern auch Lohn und Gehalt sowie die Lager- und Auftragsbestände mit ihren Bewertungsgrundlagen.

Für eine Konvertierung müssen die Daten in hoher Qualität vorliegen. Wer glaubt, die Qualität lasse sich im Rahmen der Datenkonvertierung steigern, liegt falsch. Ergänzungen und Richtigstellungen sind bei unvollständigen oder nicht gepflegten Datensätzen nur in einem sehr begrenzten Ausmaß automatisierbar.

Datenstrukturen und Steuerrecht

Viele Anbieter übernehmen nur Stamm- und Grunddaten. Zu den Bewegungsdaten äußern sich viele Softwarehäuser nicht. Nicht selten versuchen sie, die Auftragsdaten dem einführenden Unternehmen zu überlassen. Nur wenige ERP-Hersteller verfügen über Befüll-Tools, die Altdaten für die Erfassung prüfen und dann automatisch einlesen. Verfahren, die offenen Bestellungen, Kunden- und Fertigungsaufträge, aber auch die Daten aus der Zeit vor der Inbetriebnahme zu konvertieren, sparen viel Zeit, Arbeit und Ärger. Besonders aufwändig sind Konvertierungen bei stark an den jeweiligen Anwender angepassten ERP-Systemen. Durch das Customizing, das im Regelfall bereits auf den Inbetriebnahmezeitpunkt ausgerichtet ist, können unvollständige Daten gar nicht in das neue System eingespielt werden. Datenkonsistenzbedingungen des neuen Systems verhindern dann die Übernahme, da die alten Datenstrukturen nicht zu denen der Zielsoftware passen.

Der Übergang zum neuen System ist steuerrechtlich genau zu dokumentieren. Zu einer derartigen Dokumentation sind Firmen verpflichtet. Wirtschaftsprüfer und Steuerbehörden interessieren sich besonders für die Korrektheit der Daten vor und nach der Umstellung.

Nicht an der Schulung sparen

Das beste ERP-System nutzt nichts, wenn Unternehmen es nicht richtig oder nur rudimentär verwenden. Ohne Schulung der Mitarbeiter wird sich die Investition kaum rechnen. Eine Schulung sollte aus drei Stufen bestehen:

  • Das ERP-Einführungskernteam wird vom Beraterteam des Anbieters geschult.

  • Das Kernteam bildet sich weiter aus, indem es mit dem Anbieterteam die Konzepte für die Einführung und Umstellung vorbereitet, testet und Konvertierungsmaßnahmen abspricht.

  • Das ERP-Einführungskernteam schult die Fachabteilungen.

Um den Unternehmen möglichst viel Sicherheit zu bieten, sollte die Inbetriebnahme vom Softwarelieferanten begleitet werden, gegebenenfalls auch von dem Beratungshaus, das an der Produktauswahl mitgewirkt hat. (fn)

Hier lesen Sie …

  • wie sich Firmen auf die ERP-Auswahl vorbereiten sollten;

  • dass ein Pflichtenheft zwar Arbeit bedeutet, aber unverzichtbar ist;

  • warum Firmen ein Mengengerüst für zu übernehmende Stammdaten erstellen sollten;

  • was Anwender bei der Datenkonvertierung beachten müssen;

  • weshalb eine Anwenderschulung zur ERP-Einführung dazugehört und wie sie sich gestalten lässt.

ERP-Matchmaker

Bei der Suche nach Ihrem CRM-System hilft Ihnen der ERP-Matchmaker (http://www.erp-matchmaker.de) von Trovarit und der COMPUTERWOCHE.

CW-Serie: ERP im Mittelstand, Teil 2

Mittelständische Firmen stehen in Sachen ERP unter Modernisierungsdruck, haben aber nicht die Ressourcen von Konzernen. Wie Firmen Softwareprojekte angehen und wie sie bei der Auswahl und bei Softwareverträgen Fehler vermeiden können, erläutert die fünfteilige Serie.

Mittelständische Firmen stehen in Sachen ERP unter Modernisierungsdruck, haben aber nicht die Ressourcen von Konzernen. Wie Firmen Softwareprojekte angehen und wie sie bei der Auswahl und bei Softwareverträgen Fehler vermeiden können, erläutert die fünfteilige Serie.