Narrensichere Software gibt es nicht:

Timesharing-Dialog hilft Qualität sichern

14.09.1984

Die perfekte und fehlerfreie Software gibt es genausowenig wie den perfekten und fehlerfreien Anwender. Das folgt schon aus der Fülle an Programmierschritten und den damit verbundenen Kombinationen. Nicht jeder kann vorher getestet werden. Fehler sind und bleiben unvermeidlich. Das folgt aber auch aus dem recht unterschiedlichen Verhalten der Benutzer, die ihrem Terminal mehr oder minder konzentriert gegenüber sitzen, die mal mit Begeisterung eine Software austricksen wollen und am nächsten Tag unlustig jeden Tastendruck zuviel scheuen. Hinzu kommt die Gruppe der ungebetenen Anwender, die unvermutet zum Beispiel in Gestalt der Putzfrau den Stecker aus der Steckdose ziehen, die Diskette gründlich "abstauben" oder das Gerät mit ein paar Schlucken Kaffee zum Schweigen bringen.

Pflichtenhefte, simulierte Aufgabenstellungen, eine Testphase von mindestens einem Jahr und fünf bis zehn Beta-Testkunden sind unerläßlich zur Qualitätssicherung einer Software. Und trotzdem wird ein Anbieter in der Praxis immer wieder mit Situationen konfrontiert, die er sich vorher einfach nicht vorstellen und deshalb nicht ausschalten konnte.

Bei Durchsicht einer Fehlerdokumentation mag einem über soviel Banalität und auch wieder Kreativität das Schmunzeln kommen.

Das vergeht einem aber schnell, wenn man selbst mal Stunden damit zugebracht hat, eine dieser Meisterleistungen aus Zufallen und Unkenntnis aufzudecken. Wer ahnt schon, daß die Kinder des Kollegen, die ihren Vater abholen wollten, vorher erstmal klangvoll auf der Terminal-Tastatur Klavier gespielt haben; wer denkt sofort daran, daß durch die unterschiedlichen europäischen Schriftsprachen (Umlaute, Akzente) skurille Wortgebilde oder ganz ungeahnte Werte (Dollar und Pfund) entstehen können.

Dem Anwender gründlich auf die Finger schauen

Hinzu kommen laufende Änderungen an der Hardware, an die die Software immer wieder angepaßt werden muß.

Für den Softwareanbieter heißt das also nicht nur, immer ganz nah am Produkt zu bleiben und seine Qualität zu sichern, sondern er muß darüber hinaus auch dem Anwender und allen, die um ihn herum wirken gründlich auf die Finger schauen. Dies trifft besonders auf anwenderfreundliche Planungssprachen zu, wo Endbenutzer im Fehlermachen geradezu erfinderisch sind. Genau aus diesem Gemisch - hochentwickelte Planungssprache/EDV-unkundiger Benutzer - ergeben sich ganz besondere Anforderungen an die Qualitätssicherung der Software.

Antworten auf Endanwenderfragen sollten in benutzerfreundlicher Software bereits enthalten sein. Diese sehr unterschiedlichen Fragen kann aber nur der Software-Entwickler erkennen, der im tagtäglichen Dialog mit seinen Kunden steht.

Prozeß endet nie

Am Beispiel der Planungssprache System W/Wizard von Comshare, die für Endanwender der Stabsabteilung eines Unternehmens inkl. Vorstandsetage gedacht ist, wird hier aufgezeigt, welche Schritte zur Qualitätssicherung erforderlich sind und warum dieser Prozeß eigentlich nie endet.

Die erste Version von System W/Wizard wurde ab März 1980 intern für ein Jahr bei Comshare getestet. Danach war Comshare selbst ein erster Kunde und bereitete Entscheidungen, Analysen und Berichte im Unternehmen mit einer Software vor. Nach der Markteinführung wurden eine Reihe von Beta-Testkunden mit dem System ausgestattet. Seit 1981 und für den Zeitraum von mehr als einem Jahr wurde System W/Wizard weltweit nur im Timesharing angeboten. Heute wird diese Planungssprache für Endbenutzer modular oder als komplettes Paket verkauft und darüber hinaus weiterhin auf Zeitbasis zur Verfügung gestellt.

Timesharing-Kunden melden Fehler schnell

Zeit ist Geld. Und bevor ein Anmelder lange hinundherprobiert oder sich auf zeitraubende Fehlersuche einläßt, wird der Timesharing-Anbieter herbeizitiert. Für diesen ergibt sich also die Chance, Mängel an seiner Software, aber auch Schwierigkeiten auf der Anwenderseite schnell zu erkennen und sein Produkt dementsprechend zu verbessern. Es spricht aber noch anderes für eine Software, deren Qualität über Timesharing ständig kontrolliert und gesichert wird.

So bleibt das Produkt stets aktuell, weil immer wieder neue Anwender nach neuen Lösungen verlangen und neue Hardware auf den Markt kommt. Darüber hinaus wird es ständig auf sehr unterschiedlichem Leistungs- und Anwendungsniveau getestet. Der Anbieter selbst, ist an einer hervorragenden Qualität interessiert, weil er durch Timesharing den potentiellen Käufer seiner Software die Chance gibt, diese zu testen. Das Produkt ist nicht einseitig ein Nachteil hausgemachter Programme. Der ständige Kontakt der Berater zu sehr unterschiedlichen Kunden und die Erkenntnisse aus diesen Gesprächen fließen in die Entwicklung und Pflege des Softwarepakets ein und machen sie vielseitig.

Komplizierte Anwendungen nicht immer nachvollziehbar

Der zu einer guten Software gehörende Professional Service ist praxisnah und kundenorientiert, weil die Berater aus vielen Fällen ihre Erfahrung einbringen - von Kunden die gekauft haben und von Timesharing-Kunden der unterschiedlichsten Branchen.

Dem Timesharing-Anbieter werden zu guter Letzt auch all die Probleme bekannt, von denen er beim ausschließlichen Softwareverkauf nichts erfahren würde. Benutzerfreundliche Software, die im Timesharing angeboten wird, ist in der Regel leicht zu bedienen. Denn, wie die "zeitweise" Zusammenarbeit schon zeigt, setzen sich die Anwender seltener an das Terminal und könnten komplizierte Anwendungen in längeren Zeitabständen nicht immer nachvollziehen.

Auch wenn es wie eingangs erwähnt, eine völlig fehlerfreie Software nicht geben wird, sollte für die Softwareanbieter die Qualitätssicherung ihrer Produkte eine der wichtigsten Aufgaben sein. Denn je mehr die Software Entscheidungen beeinflußt und in die Geschicke des Unternehmens eingreift, um so gravierender können die Folgen für den Anwender sein. Ideal ist bei der Qualitätssicherung die Zusammenarbeit zwischen Anwender und Anbieter, so wie im Falle des Timesharing oben beschrieben. Ideal ist darüber hinaus ein Professional Service, dem nichts menschliches fremd ist, und der zu ungewöhnlichen Uhrzeiten detektivisch und mit Gespür auch mal den gestreßten Vorstandsassistenten fünf Minuten vor der Aufsichtsratssitzung auf einen Bindestrich an der falschen Stelle aufmerksam macht.

Rolf Spenkuch ist Geschäftsführer der Comshare AG Deutschland, Köln.