Tiger Carlo und die Qual der Wahl

14.02.1992

Olivetti-Chef Carlo De Benedetti hatte sich von seiner Rückkehr ins operative Geschehen vor einigen Monaten sicherlich mehr versprochen. Aber allein seine charismatische Persönlichkeit und sein sofortiges rigoroses Durchgreifen - keine Entscheidung ohne seine Zustimmung, neue Entlassungen - konnten keine Garanten dafür sein, seinem angeschlagenen Informatikzögling das finanzielle Debakel des abgelaufenen Geschäftsjahres zu ersparen. Doch Benedetti wäre nicht Benedetti, würde ersetzt in Panik verfallen. Immerhin schaffte der Architekt des größten europäischen Büromaschinenkonzerns schon einmal das Kunststück, Olivetti innerhalb eines Jahres umzustrukturieren und aus den roten Zahlen zu hieven, 1978/79 nämlich, als sich das Unternehmen mit der Spezialisierung auf Schreibmaschinen ins technologische Abseits manövriert hatte.

Doch das Überleben im hartumkämpften DV-Geschäft ist heute schwieriger denn je, deshalb wird der Ivrea-Konzern diesmal wohl kaum ohne fremde Hilfe den Weg aus der Talsohle finden. Dies weiß auch Benedetti. Um so mehr sorgte deshalb seine Abfuhr an die IBM für Schlagzeilen, sich nicht als trojanisches Pferd benutzen und als billigen Vertriebskanal abqualifizieren zu lassen, wie "Tiger Carlo" dies als Begründung seines Neins andeutete. Denn die potentiellen Partner werden immer weniger. DEC holte sich Philips Lind Kienzle ins Boot, die IBM den Erzrivalen Bull. Sicher - mit dem Workstation-Spezialisten Hewlett-Packard steht noch ein Unternehmen auf der Liste, das gerne einen europäischen Verbündeten hätte und für den eine Allianz mit Olivetti auch Sinn machen würde. Die Italiener nämlich könnten der US-Company die PC-Lücke schließen und ihr zu mehr europäischer Präsenz verhelfen. Hewlett-Packard wiederum dürfte sich als einer der wenigen amerikanischen Hersteller noch ein finanzielles Engagement leisten können.

Gegen eine schnelle Annäherung aber spricht, daß sich die Mannen in Palo Alto erst einmal von dem Schlag erholen müssen, durch einen, wie sie meinen, politischen Beschluß um die technologisch aussichtsreiche Verbindung mit Bull gebracht worden zu sein. Olivetti wiederum ist ein gebranntes Kind, was unfruchtbare Allianzen angeht - die AT&T-Pleite spukt sicher auch heute noch in den Köpfen der Azzuris herum. Zudem sind Schnellschüsse bei Entscheidungen derartiger Tragweite nicht angebracht. Nur, eines haben beide Unternehmen nicht: Zeit. Hewlett-Packard nicht, weil ein anderer den Europäer wegheiraten könnten Olivetti nicht, weil der Ivrea-Konzern nach den hohen Jahresverlusten seinen Kunden unbedingt eine Beruhigungsspritze verabreichen muß. Eine amerikanische Injektion wäre den Italienern dabei aber sicher angenehmer als eine japanische.