Thyssen Telecom fuer wirksame Zulassungsvoraussetzungen SPD-Opposition lehnt Boetschs Eckpunktepapier prinzipiell ab

26.05.1995

BONN/DUESSELDORF (gh) - Zwei Monate nach der Vorstellung des Eck- punktepapiers von Bundespostminister Wolfgang Boetsch zur Oeffnung des deutschen Telecom-Marktes laesst nun die Bonner Opposition die Muskeln spielen. Sowohl die SPD-Bundestagsfraktion als auch die SPD-gefuehrten Bundeslaender lehnen Boetschs Liberalisierungsplaene ab und drohen, ein entsprechendes Gesetz im Bundesrat scheitern zu lassen.

Angesichts der gegenwaertigen Mehrheitsverhaeltnisse duerfte Boetsch Bonner Insidern zufolge weder im Regulierungsrat noch im Bundesrat mit seinen ehrgeizigen Plaenen auf Zustimmung stossen. Waehrend die "Telekom-Herausforderer" RWE, Veba und Viag wegen einer vermeintlich drohenden Zersplitterung des Marktes Bedenken gegen die von Boetsch vorgesehene unbegrenzte Lizenzvergabe geaeussert haben, ist die SPD damit einverstanden. Inakzeptabel finden es die Sozialdemokraten jedoch, wie Niedersachsens Wirtschaftsminister Peter Fischer und der postpolitische Sprecher der SPD- Bundestagsfraktion, Martin Bury, in Bonn erklaerten, dass die Telekom als bis auf weiteres einziger markt-beherrschender Anbieter durch einseitige Infrastrukturauflagen kuenf-tig im Markt benachteiligt wird. Statt dessen sprechen sich die SPD-Experten fuer eine zeitlich abgestufte flaechendeckende Versorgung als prinzipielle Verpflichtung fuer alle Lizenznehmer aus.

Die Definition des sogenannten Universaldienstes sollte sich zudem nicht auf Mindestleistungen wie etwa den Telefondienst beschraenken, sondern nach Bedarf in Richtung "gesellschaftlich gewollter Dienste" erweitert werden.

Quersubventionierung soll unterbunden werden

Zudem gelte es sicherzustellen, dass die Energieversorger ihre Telecom-Aktivitaeten nicht aus dem Strommonopol subventionieren. Fuer den Fall, dass es in diesen Fragen nicht gelinge, einen politischen Grundkonsens herzustellen, drohten Fischer und Bury mit einer Blockade aller Initiativen sowohl im Regulierungs- als auch im Bundesrat.

Unterdessen hat sich auch die Thyssen Telecom AG in einer gemeinsam mit ihrem Partner Bell South veroeffentlichten Stellungnahme fuer eine unbegrenzte Anzahl von Netz- und Telefondienst-Lizenzen ausgespro-chen. Gleichzeitig haelt es die in Duesseldorf ansaessige Telecom-Holding der Thyssen Handelsunion AG jedoch fuer angebracht, bei der Lizenzierung des Angebots fuer den oeffentlichen Telefondienst "wirksa-me Zulassungsvoraussetzungen hinsichtlich der Zuverlaessigkeit, der Fachkunde und der Finanzkraft von Lizenznehmern zu beruecksichtigen".

Anders als etwa der fruehere Boetsch-Beamte und jetzige Mannesmann- Eurokom-Geschaeftsfuehrer Peter Bross, der sich laut "Handelsblatt" fuer eine Vielzahl kleiner und mittelstaendischer Anbieter im Telecom-Bereich ausgesprochen hat, wuerde man bei Thyssen Telecom wenige und dafuer starke Player im Markt bevorzugen - mit einem entsprechend langen Atem. "Was wir nicht wollen, sind Hasardeure, die nach wenigen Jahren wieder aus dem Geschaeft aussteigen", stellte Hans-Peter Kohlhammer, stellvertretender Vorstandschef von Thyssen Telecom, gegenueber der COMPUTERWOCHE klar.