Hiserv in neue Tochter Triaton integriert

Thyssen-Krupp will in die Topliga der IT-Dienstleister

06.10.2000
MÜNCHEN (gh) - Die Thyssen-Krupp Information Services GmbH (TKIS) dürfte künftig ein gewichtiges Wort im deutschen IT-Dienstleistungsmarkt mitreden. Wenige Monate nach der Übernahme der früheren Aventis-Tochter Hightech International Services GmbH (Hiserv) präsentiert sich das Unternehmen mit neuer Struktur und ambitionierter Zielsetzung. Schon im laufenden Jahr soll die Milliardengrenze beim Umsatz überschritten werden; mittelfristig will man sich als Global Player positionieren.

"Wir sind von unserer Historie her das 24-Stunden-an-sieben-Tagen-Denken gewohnt", warb TKIS-Geschäftsführer Peter Chylla vor Journalisten in München für die neue IT-Service-Company des Thyssen-Krupp-Konzerns. Was früher (nur) für die Wartung und Instandhaltung aufwändiger Industrieanlagen, Rolltreppen oder Aufzüge galt, soll sich nun auch auf Schlüsselbereiche der künftigen Internet-Economy erstrecken.

Die erst im März 1999 in Düsseldorf gegründete Gesellschaft tritt jedenfalls mit einem sehr ehrgeizigen Anspruch an: Bereits im gerade angelaufenen Geschäftsjahr 2000/01 (Ende: 30. September 2001) soll mit gut 3000 Mitarbeitern ein Umsatz von rund einer Milliarde Mark erzielt werden - 65 Prozent davon bei Kunden außerhalb des Thyssen-Krupp-Konzerns. Mit dieser "Performance" dürfte der IT-Dienstleister das Zeug zum Schwergewicht zumindest im deutschen Markt haben. Entscheidend für das Erreichen der kritischen Größe war im Mai der Kauf von Hiserv, der ausgegliederten IT-Tochter von Aventis beziehungsweise des früheren Hoechst-Konzerns. Allein aus diesen Aktivitäten fließen TKIS im laufenden Fiskaljahr Einnahmen in Höhe von rund 300 Millionen Mark zu, hieß es.

Hiserv wurde dabei, wie Chylla erläuterte, mit den einschlägigen IT-Service-Bereichen des Thyssen-Konzerns zur neuen Tochter Triaton GmbH mit Sitz in Krefeld verschmolzen. Deren Hauptaufgabe soll es künftig sein, als Systemhaus beziehungsweise Full-Service-Provider "Unternehmen der Old Economy bei ihrem Sprung ins Web-Zeitalter zu begleiten". Mit einem Planumsatz für das laufende Jahr von 800 Millionen Mark sowie mehr als 2500 Mitarbeitern trägt Triaton mit Abstand die Hauptlast der gesamten Gruppe, die im Zuge einer Neustrukturierung noch drei weitere (unterhalb der als Holding fungierenden TKIS angesiedelte) Tochtergesellschaften umfasst: Die Thyssen Health Care Services GmbH mit speziellen Mehrwertdiensten für Krankenhäuser (Facility Management, Betriebsorganisation, Netzservices etc.), die Krupp Timtec Telematik GmbH, ein Systemhaus für Telematik- und Logistiklösungen, sowie die Xtend AG, in der alle Aktivitäten im Bereich Neue Medien - unter anderem Beteiligungen an den Web-Agenturen Infomedia und Infoscreen - gebündelt sind.

Als ihr Kerngeschäft betrachtet die Düsseldorfer Holding jedoch das Systemgeschäft der Triaton GmbH mit industriellen Kunden - nicht nur wegen der geplanten Umsätze.

"Es gibt Unternehmensbereiche, da müssen Sie sehr viel falsch machen, wenn Sie nicht profitabel arbeiten, und es gibt Aktivitäten, die eine Investition in Zukunftsmärkte darstellen", deutete Chylla vielsagend die Rolle von Triaton als Cash-Cow der gesamten Gruppe an.

Um entsprechende Erträge zu generieren, definiert sich das Systemhaus deshalb nicht nur als Full-Service-Provider (Stichwort: One-Stop-Shopping) für nahezu alle klassischen IT-Belange, sondern nimmt vor allem die vermeintlichen Wachstumsmärkte im IT-Dienstleistungsgeschäft ins Visier. Dazu zählen Chylla zufolge die Überführung von Kerngeschäftsprozessen ins E-Business, also die Themen Supply-Chain-Management (SCM), Customer-Relationship-Management (CRM), B-to-B-Marktplätze und Online-Auktionen sowie das Outsourcing so genannter Sekundärfunktionen (ASP, Web-Hosting, RZ-Outsourcing, Archivierung etc.). Mit inzwischen mehr als 450 gehosteten R/3-Installationen sei man nicht nur einer der führenden SAP-Dienstleister in Europa, sondern wisse, "was auf die Anwender von Legacy-Systemen in Sachen New Economy zukommt", rührte der TKIS-Chef noch einmal die Werbetrommel für seine Company.

Ob dies auch für die TKIS-Verantwortlichen im Hinblick auf deren ambitionierte Wachstumspläne zutrifft, muss indes noch abgewartet werden. Die Meta Group wertete bereits im Mai beim Bekanntwerden der Hiserv-Übernahme den Deal weitgehend positiv. Beide Gesellschaften würden "kulturell sehr gut zusammenpassen", hieß es seinerzeit. Mit dem anvisierten Umsatz von rund einer Milliarde Mark reihe sich TKIS zudem vom Start weg unter die Top ten im deutschen IT-Service-Markt ein. Andererseits wurde jedoch bemängelt, dass die Fusion nur ein "Breitenwachstum" darstelle; der "neue" Dienstleister sei vorwiegend im Betreibergeschäft tätig und habe Lücken im Consulting und der klassischen Systemintegration.

Diese Defizite will Chylla auch gar nicht bestreiten. Auch nicht den Umstand, dass man aufgrund der eigenen Geschichte als Spinoff zweier ehemals klassischer IT-Abteilungen von Anwenderunternehmen unter Umständen noch einigen Nachholbedarf in puncto Marketing-Know-how hat. Man vertraue jedoch auf seine eigenen Stärken, vor allem auch auf den mit 39 Standorten in zehn Ländern (unter anderem Rechenzentren in New Jersey, Sao Paulo und Frankfurt am Main) bereits hohen Grad der Internationalisierung. Insgesamt wolle man stärker als der Markt zulegen, in Deutschland sei man aber angesichts des harten Wettbewerbs mit einem derzeit branchenüblichen Plus von rund zehn Prozent zufrieden.

Zusätzliche Akquistionen, insbesondere im Ausland, will der Geschäftsführer in diesem Zusammenhang nicht ausschließen. Immerhin sollen schon in fünf Jahren 50 Prozent des gesamten Umsatzes im Ausland erzielt werden, nannte der TKIS-Chef eine weitere Plankennziffer. Im Moment fehlt es den Düsseldorfern allerdings noch an der entsprechenden "Kriegskasse" - sprich: an eigenen Aktien. Deshalb könnte nolens, volens in absehbarer Zeit auch das Thema Börsengang, etwa von TKIS selbst oder einer der Tochtergesellschaften, auf der Tagesordnung stehen.

Abb: Portfolio: IT-Lösungen für Industriekunden, Telematik- und Health-Services sowie Neue Medien sind die Hoffnungsträger von Thyssen-Krupp Information Services. Quelle: Thyssen-Krupp Information Services