Gerüchte um 4GL-Grabenkämpfe verdichten sich:

Thomson S.A. hat "Nomad" an der Angel

26.06.1987

MÜNCHEN (CW) - Die Rechte an dem 4GL-Tool "Nomad2" sollen schon bald in andere Hände übergehen: Nachdem die Dun & Brandstreel Co. aus Wilton, Connecticut, ein halbes Jahr nach geeigneten Käufern für ihre gesamte Produktlinie von Entwicklungswerkzeugen gesucht hat, erwies sich der französische Konzern Thomson S.A. jetzt als aussichtsreichster Kandidat.

Die erste deutsche Anwenderkonferenz für "Nomad2", eine Sprache der vierten Generation und Kernstück der Angebotspalette, fand Mitte Mai statt; dort war der Deal noch

kein - Thema. Für die Kunden werde sich auch nichts ändern, war vom deutschen "Nomad"-Anbieter, der PSO GmbH, Köln, zu erfahren. Einzelheiten über mögliche Konsequenzen für ihren Distributionsvertrag mit dem Entwickler der 4GL-Tools der ebenfalls in Wilton ansässigen D & B Computing Services, konnte PSO-Geschäftsführer Paul Schumann noch nicht mitteilen.

Wie die CW-Schwesterpublikation COMPUTERWORLD berichtet, wollen "gutunterrichtete Kreise" bereits von einem vorläufigen Abkommen zwischen Dun & Brandstreet und dem Thomson-Konzern wissen. Der Verkaufspreis wird auf 15 bis 20 Millionen Dollar geschätzt. Das sei etwa so viel, wie die laut Herstellerangaben annähernd 500 Installationen im vergangenen Jahr an Lizenz- und Maintenance-Gebühren einbrachten - und gleichzeitig die Hälfte dessen, was D & B Computing 1986 insgesamt umsetzte.

Das Entwicklerunternehmen soll nach Abschluß des "Nomad"-Verkaufs eine selbständige Geschäftseinheit bleiben und sich auf sein ursprüngliches Metier, nämlich Timesharing-Service und Wartungsdienstleistungen, konzentrieren. Einen Kommentar zu den kursierenden Gerüchten wollte D & B bislang nicht veröffentlichen.

Nach einer Studie des Marktforschungsunternehmens International Data Corp. aus Framingham, Massachusetts, vom Juni letzten Jahres liegt "Nomad" als Produkt im heiß umkämpften 4GL-Markt auf dem dritten Platz. Es rangiert damit hinter "Focus" von Infomation Builders und "Ramis", das bei der Mathematica Inc. entwickelt wurde und seit dem vergangenen Herbst mitsamt dem Herstellerunternehmen zur Martin Marietta Data Systems Inc. gehört.

Bereits damals war auch Thomson als Käufer von Mathematica im Gespräch; und seither sollen die Franzosen weiter versucht haben, auf dem US-Softwaremarkt Fuß zu fassen. Eine wichtige Rolle bei der Akquisition von "Nomad" spielt anscheinend das vor sieben Jahren in Princeton, New Jersey, gegründete Tochterunternehmen des französischen Konzerns, eine auf 4GLs spezialisierte Consulting-Firma namens U3S. Geleitet wird das Unternehmen von Frank Fish, einem ehemaligen Mitglied der Mathematica-Führung.