Third-party-Hersteller sichern sich mit Allianzengeflecht ab (Teil 1) Die PDAs erfuellen noch nicht die hochgesteckten Erwartungen

14.01.1994

MUENCHEN - Von Apple ueber Compaq und IBM bis zu Siemens machen die DV-Konzerne auf einem Markt mobil, dem grosse Zukunftschancen eingeraeumt werden. Die PDA-Szene (Personal Digital Assistant) wurde allerdings 1993 mehr von Absichtserklaerungen und Allianzen gepraegt als von Geraeten, die die hochgesteckten Erwartungen erfuellen.

Fuer PDAs gibt es keine verbindliche Definition, doch lassen die angekuendigten und verfuegbaren Geraete einen Quasistandard erkennen: Im Format eines Taschenrechners, mit PCMCIA-Slot versehen, verfuegen die Winzlinge haeufig neben den von Organizern her bekannten Funktionen wie Termin- oder Adressverwaltung ueber die Moeglichkeit, Anwendungsprogramme zu laden.

Die am grafikfaehigen LC-Display mittels eines Stifts (Pen) handschriftlich eingegebenen Notizen werden von einer OCR-Software (Optical Character Recognition) verarbeitet. Die wichtigste Funktion duerfte aber die Kommunikationsfaehigkeit (vorerst via LAN oder Fax) darstellen: Fuer die Zukunft wird eine drahtlose Datenuebertragung im Weitverkehrsnetz angestrebt.

Sollten sich die Prognosen verschiedener Institute bewahrheiten, koennen die Anbieter solcher Geraete auf eine rosige Zukunft hoffen. Die Wachstumsrate werde, so die einmuetige Meinung der Marktforscher der BIS Strategic Decision Ltd. und der Link Resources Corp./International Data Corp. (IDC), in den naechsten Jahren 50 Prozent per annum betragen. Fuer das Jahr 1996 schaetzen die IDC-Forscher das Marktvolumen auf stattliche 3,8 Milliarden Dollar.

Kampf um Marktanteile ist bereits voll entfacht

Die Entscheidung, wer wieviel vom Markt abschoepfen kann, wird allerdings nicht erst in zwei bis drei Jahren fallen. Der Kampf um Anteile ist bereits voll entbrannt, und in der Szene tummeln sich einige finanzkraeftige Unternehmen mit den unterschiedlichsten, untereinander inkompatiblen Architekturen.

Um sich ein moeglichst grosses Stueck vom PDA-Kuchen zu sichern, versuchen die Hersteller fruehzeitig, ihre Systeme zu etablieren. Mit Lizenzvertraegen und Kooperationsabkommen scharen sie grosse Namen der DV-Branche und Third-party-Anbieter hinter sich. Vor allem Unternehmen, die den Einstieg zunaechst verschlafen haben, versuchen, sich durch Allianzen ins Spiel zu bringen.

Waehrend sich beispielsweise der Siemens-Bereich Private Kommunikationssysteme bescheiden darauf beschraenkt, bei der Entwicklung eines "Newton"-kompatiblen Telefonsystems mit Apple zu kooperieren, kaufte sich Olivetti gleich bei der Eo Inc., einem der ersten Produzenten von tastaturlosen Rechnern und Tochter des amerikanischen Kommunikationsgiganten AT&T, ein. AST ging einen Schritt weiter und schluckte fuer 175 Millionen US-Dollar den Computerbereich der Tandy Corp. samt deren Subdivision Grid Systems, die als innovatives Unternehmen im Bereich des Pen- Computings gilt.

Gewichtige Marktanteile koennen vermutlich nur diejenigen Unternehmen erlangen, die den Anwendern umfangreiche Hard- und Software-Erweiterungen fuer ihre Architekturen anbieten koennen. Aehnlich wie bei der Einfuehrung des PCs wird der Markt entscheiden - aber der akzeptiert nicht unbedingt die beste Loesung. Intensiv bemueht sich Apple um die Gunst der Kaeufer.

Der "Messagepad" oder Newton beherrschte 1993 die Medien- und Messelandschaft wie kein zweiter PDA - die Konkurrenz wurde oft nur am Rande wahrgenommen.

Die Marktpraesenz des Wunderdings liess sich das Unternehmen allerdings auch einiges kosten. So weiss das amerikanische Wirtschaftsmagazin "Fortune" zu berichten, dass die Apfel-Company "ueberzogene zehn Prozent des vierteljaehrlichen Newton-Umsatzes in Werbemassnahmen investiert".

"Newton ist da" skandieren die Marketing-Strategen der Company in grossformatigen Anzeigen und ruehmen die Kommunikationsfaehigkeiten und die Intelligenz des Zwergs. Obwohl sich der Informationsaustausch mit Hilfe des persoenlichen Assistenten auf das Senden von Faxen beschraenkt, trauen die Apfelmaennchen dem Newton zu, dass er die "Geschichte der Kommuniktion neu schreiben" werde.

Apples Newton zeigt noch einige Kinderkrankheiten

Nachdem bereits in der Fachpresse ausfuehrlich ueber Kinderkrankheiten des PDAs berichtet wurde, klappte auch das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" mit einer herben Kritik an dem seit Mitte Dezember in deutscher Version verfuegbaren Newton nach.

Unter der Headline "Haare in der Datensuppe" monierten die Hamburger Fehlfunktionen und technische Maengel besonders bei der Handschriftenerkennung. So ergeben die von der Software verarbeiteten handschriftlich eingetragenen Notizen zwar einen Sinn - doch nicht immer den richtigen. Zudem falle die Erkennungsrate, sobald die Energiezufuhr der Batterien nachlaesst.

Sollte Apple dieses Problem jemals loesen, duerfte der Newton den genannten Anforderungen an einen PDA zwar noch nicht entsprechen, ihnen jedoch recht nahe kommen: Basierend auf einem RISC-Prozessor von ARM (Advanced Risc Machines) bietet der Newton neben der noch fehlerhaften Handschriftenerkennung und den eingeschraenkten Faxmoeglichkeiten einen Terminplaner und eine Adressverwaltung. Zusaetzlich gibt es unter anderem einen integrierten Taschenrechner, einen Wecker und eine Weltzeituhr.

Die Liste der Unternehmen, die die Apple-Architektur unterstuetzen, ist lang. Aus dem deutschen Lager bekundeten neben dem Siemens- Bereich Private Kommunikationssysteme auch die Deutsche Bundespost Telekom und SEL Interesse.

Zu den Unternehmen, mit denen Apple zusammenarbeitet, gehoeren ferner so international klangvolle Namen wie Motorola, Toshiba, Bell-South, Travelling Software, Intel und Matsushita.

Sharp kommt mit zwei PDAs auf den Markt

Als Lizenznehmer offeriert Sharp einen PDA mit nahezu Newton- identischer Ausstattung unter der Bezeichnung "PI-7000 Expert Pad". Sollte sich die Apple-Technik nicht am Markt durchsetzen, so hat das Unternehmen mit dem "IQ-9000", der zusammen mit der Geoworks Inc. und der Palm Computing Inc. entwickelt wurde, noch ein weiteres Eisen im Feuer.