Existenzgründer in der IT-Branche/Gründernetzwerke - Sprungbrett zum Erfolg

"Think global - act local": Ansatz für neue Wachstumsbranchen

22.05.1998

In Deutschland vollzieht sich ebenso wie in vielen anderen westlichen Industrienationen ein Wandel hin zur Informationsgesellschaft. Stagnation, Rezession und Arbeitslosigkeit sollen mit technologischem Vorsprung überwunden werden. Die marktorientierte Umsetzung von forschungs- und entwicklungsintensiven Technologien spielt hierbei eine zentrale Rolle. Ziel für Deutschland: Im europäischen und internationalen Wettbewerb ganz vorne dabei zu sein.

Die Zeichen dafür stehen gut. Laut des vom Bundesforschungsministerium (BMBF) in Auftrag gegebenen Berichts "Zur technologischen Leistungsfähigkeit Deutschlands 1997" hat Deutschland mit 190 Hochtechnologie-Weltmarktpatenten pro eine Million Beschäftigte Japan (180) und USA (140) auf die Plätze zwei und drei verwiesen. "In Europa ist die führende Position Deutschlands ohnehin unangefochten", so Bundesminister Jürgen Rüttgers.

Dieser Optimismus resultiert aber auch aus dem hierzulande festzustellenden Gründerklima. Denn auch die Politiker haben nun erkannt, was die Wirtschaft schon lange fordert: Für den wirtschaftlichen Aufschwung in Deutschland ist eine neue Unternehmergeneration und Gründerwelle notwendig. Gefragt sind wie in den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg Visionäre und Pioniere mit Unternehmergeist. Der Fokus liegt dabei auf Unternehmensgründungen aus verschiedenen High-Tech-Bereichen, die auf zukunftsträchtigen Produkt- und Dienstleistungsideen basieren. Insbesondere zählen hierzu Informations-, Bio- und Medizintechnologie, aber auch Maschinenbau, Elektronik und Chemie/Werkstoffe. Daraus könnten mittelfristig neue Arbeitsplätze entstehen, die die Standorte sichern.

Eine innovative Geschäftsidee ist zweifellos wichtig für ein erfolgreiches Unternehmen. Aber ohne das nötige Management-Know-how und ausreichende Finanzmittel nützt sie nicht viel. "Gute Kontakte sind wichtig", so Manfred Nerb, Vorsitzender der Geschäftsführung der NSE Software-Vertrieb. Als das heute im Bereich Finanzdienstleistungssoftware tätige Systemhaus in den 80er Jahren entstand, mußten sich die sechs Nerb-Geschwister die notwendigen Verbindungen Schritt für Schritt selbst aufbauen. Gründer-Netzwerke waren damals kaum vorhanden.

Heute ist dies anders: Durch zahlreiche Initiativen werden derzeit Unternehmens- und Existenzgründungen gefördert, wodurch der angestrebte Strukturwandel beschleunigt werden soll. Ziel dieser Aktivitäten ist es, marktorientierte Geschäftsideen zu mobilisieren, den Unternehmergeist an den Hochschulen und Forschungseinrichtungen sowie bei zahlreichen Berufspraktikern rechtzeitig zu wecken. Gleichzeitig gilt es, die strukturellen und gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen für Gründer und Investoren zu verbessern und nicht zuletzt attraktive Gründernetzwerke zu schaffen.

Wie das funktionieren kann, zeigt ein Blick nach den USA. Hier wurden allein 1995 eine Million neue Unternehmen, zumeist junge High-Tech-Firmen, gegründet. In den letzten sechs Jahren entstanden zwölf Millionen neue Arbeitsplätze. Mitverantwortlich für die starke Gründerwelle in der USA sind die zahlreich entstandenen lokalen Innovationszentren. High-Tech-Regionen wie das Silicon Valley oder die Boston Area stehen für die professionelle Vernetzung von Wissenschaft und Unternehmertum. Nach dem typisch amerikanischen "competitive sense" sind diese nahezu "institutionalisierten" Netzwerke bestrebt, ihre Region standortpolitisch so attraktiv und so wettbewerbsfähig wie möglich zu machen.

Auch die Region München mit den drei Hochschulen (Ludwig-Maximilians-Universität München, Technische Universität München, Fachhochschule München) und ihren zahlreichen F&E-Einrichtungen ist international angesehen und steht für deutsche Spitzentechnologie. Frühzeitig wurde erkannt, daß die Vernetzung von Politik, Wissenschaft und Wirtschaft für die Entwicklung der Region und für ihre Behauptung im internationalen Wettbewerb ausschlaggebend ist. An den drei Hochschulen und den meisten Forschungseinrichtungen, etwa dem Deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrttechnik (DLR), wurden nach amerikanischem Vorbild Technologie-Transferstellen eingerichtet, die den Kontakt von Naturwissenschaftlern und Ingenieuren mit dem Unternehmertum, also der Wirtschaft, fördern sollen.

Nur ein Anschauungsbeispiel: Die Max-Planck-Gesellschaft und die GSF - Gesellschaft für Umwelt und Gesundheit GmbH - gründeten mit der Garching Innovativ GmbH beziehungsweise der Innovativen Technologien Neuherberg (ITN) GmbH sogar eigene Technologietransfer-Firmen, die Existenzgründern schnell und flexibel gezielt Kontakte und Know-how vermitteln können. Zudem bringt sich im starken Maße das unternehmerische Umfeld der Region München in das entstehende Gründernetzwerk ein.

Generell entwickelt sich in Deutschland, das erst am Anfang einer neuen Gründerkultur steht, besagter Technologie- und Wachstumswettbewerb immer stärker zu einem Wettbewerb der Regionen. Denn das Innovationspotential neuer Technologien ist stark abhängig von der vorhandenen Kompetenz und Infrastruktur der jeweilligen Region, die unter anderem über die Attraktivität für Investoren entscheidet. Nach einer Studie des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung liegen die führenden Regionen Deutschlands vorwiegend im Süden beziehungsweise Südwesten (München, Nürnberg/Erlangen, Stuttgart, Untermain, Ludwigshafen, Mannheim/Heidelberg, Hamburg und Bremen).

Auch der in München ansässige Förderkreis Neue Technologien (FNT) e.V. setzt sich mit seinen rund 230 überwiegend aus der Privatwirtschaft stammenden Mitgliedern gezielt für die Schaffung einer neuen Entrepreneur-Kultur ein. Aus diesem Grund übernahm er 1997 das Projektmanagement des Münchener Businessplan-Wettbewerbs, der Gründerinitiative des Bayerischen Wirtschaftsministeriums, der Münchener Hochschulen und namhafter Sponsoren aus der Wirtschaft.

"Ohne den Wettbewerb hätten wir nie einen Businessplan ausgearbeitet und viele Probleme erst erkannt, wenn es zu spät gewesen wäre", kommentiert Michael Muth, Geschäftsführer der AeroLas GmbH. Zusammen mit seinem Partner Bernd Schulz hat er ein Verfahren zur Herstellung von Luftlagern entwickelt, die die AeroLas GmbH inzwischen weltweit vertreibt. Mit dem Geschäftsplan, den Muth und Schulz ursprünglich während des Münchener Businessplan-Wettbewerbs erstellt hatten, gingen die beiden Jungunternehmer jetzt als Bundessieger des ersten Start-Up- Wettbewerbs von Stern, McKinsey und den Sparkassen hervor. Für den Erfolg des Münchener Businessplan-Wettbewerbs stehen bis dato neben der AeroLas GmbH auch das Softwareunternehmen NxN Entertainment GmbH und die Wilex Biotechnology GmbH, sowie insgesamt sechs weitere in die Tat umgesetzte Unternehmensgründungen.

Doch zurück zur generellen Problematik: Junge wachstumsorientierte Unternehmen benötigen in der sogenannten Seed- und Start-up-Phase meist mehrere Millionen Mark an Kapital. Dieser Finanzbedarf kann nicht allein aus eigenen Mitteln und mit zinsgünstigen Bankkrediten aufgebracht werden - mittlerweile ein Allgemeinplatz in der Existenzgründer-Debatte, aber zugleich der nach wie vor entscheidende Faktor. Über besagte Gründer-Netzwerke können jedenfalls auch Kontakte zu Venture-Capital- und Beteiligungsgesellschaften hergestellt werden, die Finanzierungsmodelle maßgeschneidert für innovative Unternehmensgründungen erstellen.

Voraussetzungen müssen deutlich günstiger werden

Neben dem notwendigen Geld wird den Jungunternehmern dabei meist auch kaufmännisches und Marketing-Know-how zur Verfügung gestellt. Ende 1996 standen in Deutschland rund 6,6 Milliarden Mark an Venture Capital zur Verfügung. Im europäischen Vergleich bedeutet dies Rang drei hinter Großbritan- nien und Frankreich. Damit sich der Venture-Capital-Markt in Deutschland ähnlich wie in den USA (allein 1996 hatte dieser ein Volumen von mehr als 76 Milliarden Mark) entwickeln kann, müssen jedoch die institutionellen, regulatorischen und mentalen Voraussetzungen für Existenzgründer weiter verbessert werden.

Womit wir wieder beim eigentlichen Thema wären: Den volkswirtschaftlichen Nutzen aus der Vernetzung von Hochschulen, Wirtschaft beziehungsweise Unternehmen und (Risiko)Kapitalbranche hat jetzt auch die Bundesregierung erkannt. Bundesforschungsminister Rüttgers hat deshalb den zweistufigen BMBF-Wettbewerb "Exist" (Existenzgründer aus Hochschulen) ins Leben gerufen. Gemeinsam mit regionalen Partnern wie Unternehmen, Technologie- und Gründerzentren, Kammern oder Forschungseinrichtungen, waren die deutschen Hochschulen aufgerufen, einschlägige "Grob-Konzepte" für die Etablierung eines Gründer-Netzwerkes zu erarbeiten.

Unter den zwölf ausgewählten Regionen der ersten von zwei Stufen befinden sich unter anderem München, Karlsruhe, Hamburg, Berlin/Brandenburg und Dresden. Man darf gespannt sein, welche fünf Regionen sich im August mit ihrem Detail-Konzept als Gewinner durchsetzen. Die Preisträger sollen vom BMBF bis Ende 2001 mit je neun Millionen Mark gefördert werden.

Angeklickt

Gemeinsam sind sie stärker - gemeint ist die Verzahnung von Forschung, Wissenschaft, Wirtschaft, Banken und Risikokapitalgesellschaften bei Unternehmungsneugründungen. Auch in Deutschland etablieren sich immer mehr "Gründernetzwerke" nach US-amerikanischem Vorbild. Daß es dabei auch zu einem "Wettbewerb der Regionen" kommt, kann dem übergeordneten Zweck nur dienen.

Constantin Freiherr von Hodenberg ist Projektleiter des Münchner Businessplan-Wettbewerbs beim Förderkreis Neue Technologien (FNT) e.V. in München.