Thin Clients sind ein guter Beginn

31.03.2008
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Michael Hermann ist seit 2014 als Autor für IT- und TK-Themen bei Palmer Hargreaves tätig. Bereits seit 2000 schreibt er als Fachjournalist über Informations- und Kommunikationstechnologie. Zu seinen derzeitigen Schwerpunkten zählen Cloud Computing, Rechenzentren, Internet der Dinge (IoT) und künstliche Intelligenz. 
Manche Technologien brauchen ihre Reifezeit. So auch der Thin-Client-Ansatz. Derzeit stehen die Ampeln für die abgespeckten Rechner auf Grün. Und das nicht nur, weil sie Energie sparen.

Man nehme einen Computer, der an ein Netzwerk angeschlossen ist, über keine Festplatte verfügt und lediglich auf die Ein- und Ausgabe von Daten beschränkt ist - fertig ist der Thin Client. Ältere Leser wird diese Beschreibung sofort an die Terminals erinnern, die an riesigen Mainframes hingen und in den 1980er Jahren das Bild der Unternehmens-IT bestimmten. "Ganz neu ist das Thin-Client-Konzept in der Tat nicht", räumt Thomas Köhler unumwunden ein, "aber die Voraussetzungen, es mit bestmöglichem Nutzen umzusetzen, haben sich inzwischen stark verbessert." So beobachtet der IT-Berater und Autor von mehreren Fachbüchern ("Die leise Revolution des Outsourcing") einen Trend zur "Rezentralisierung" der IT, weg von voluminös ausgestatteten PC-Desktops - auch als Fat Clients bekannt - und hin zu ihren dünnen Verwandten.

Gleich mehrere Faktoren treffen zusammen, die sich günstig für das Thin-Client-Konzept auswirken. So arbeiten die Server, von denen die "dünnen Rechner" ihre Anwendungen beziehen, inzwischen aufgrund ausgereifter Virtualisierungstechniken wesentlich effizienter: Durch die Einrichtung mehrerer virtueller Server auf einem einzigen Gerät lässt sich dessen Auslastungsgrad deutlich verbessern und die gesamte benötigte Hardware im Umfang reduzieren. Hinzu kommt, dass Bandbreitenprobleme kaum noch eine Rolle spielen. Unternehmen müssen Anwendungen wie ERP oder Office-Programme nicht auf jedem einzelnen Arbeitsplatzrechner installieren, sondern können sie als Services über das Netz zur Verfügung stellen.

"Entscheidend ist die weit fortgeschrittene Standardisierung von Programmen und Prozessen", merkt Köhler an. "Netzbasierte Softwaredienste sind heutzutage in der benötigten Qualität und Sicherheit verfügbar." Dies macht sich auch in der gestiegenen Zahl von Software-as-a-Service-Angeboten (SaaS) bemerkbar, bei denen Anwender Software nicht mehr in Lizenz kaufen und selbst betreiben, sondern als Service aus einem Rechenzentrum beziehen.

Niedrigere IT-Gesamtkosten

Darüber hinaus sprechen auch die Preise für die abgespeckten Rechner. Zwar sind die Kostensätze für von externen Dienstleistern bereitgestellte und gewartete PC-Desktops - die so genannten "Desktop Services" - laut Köhler "inzwischen wettbewerbsbedingt auf einem historischen Tiefstand", doch schneide der Thin Client in der Betrachtung der Gesamtaufwendungen über den kompletten Geräte-Lebenszyklus (TCO = Total Cost of Ownership) deutlich günstiger ab. Bestätigt wird diese Einschätzung durch die Studie "PC vs. Thin Client", die das Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik (IUSE) erstellte. Danach entpuppen sich gerade die versteckten Kosten als Achillesferse des gängigen Desktop-Modells: Rund 43 Prozent der gesamten IT-Aufwendungen entfallen auf Betrieb und Support, und weitere 28 Prozent der Kosten sind durch die Endnutzer verursacht. Genau an dieser Stelle sind laut einer Gartner-Untersuchung die größten Einsparungen zu erzielen: Im Vergleich zum Desktop-PC fallen die durch Anwender entstehenden Kosten beim Thin Client den Marktforschern zufolge zwischen 22 und 50 Prozent geringer aus.

Green IT: Argument für schlanke Rechner

Last, but not least liefert der Green-IT-Trend Argumente für die schlanken Rechner: Während ein typischer Desktop-PC zwischen 75 und 150 Watt Leistung benötigt, sind bei Thin Clients Systeme ab zirka vier bis sechs Watt Energieverbrauch am Markt verfügbar. "Und die Strompreise werden weiter steigen", gibt Köhler zu bedenken, "auch die IT wird zukünftig einen Beitrag zum Klimaschutz leisten müssen." Neben geringerem Energieverbrauch und CO2-Ausstoß weisen die lüfter- und festplattenlosen Geräte zudem den Vorteil auf, nach Ende ihrer bis zu fünfjährigen Betriebstätigkeit weni-ger Entsorgungsmüll zu hinterlassen.

Als ausschlaggebend für die gestiegenen Chancen von Thin Clients betrachtet IT-Experte Köhler jedoch, dass in den Unternehmen ein Umdenken in Bezug auf Outsourcing stattgefunden habe: "Die Verantwortlichen haben erkannt, dass sie viele Standardanwendungen auch auslagern können, ohne damit ihre Wettbewerbsfähigkeit zu beeinträchtigen." Outsourcing sowie die Nutzung von Software als Dienstleistung seien mittlerweile akzeptiert. Und im Unterschied zu früheren Bestrebungen, Thin-Client-Lösungen zu etablieren, "ist die jetzige Welle nicht von den Herstellern, sondern von der Kundennachfrage getrieben". Rund 90 Prozent der Unternehmen, so schätzt Köhler aus seiner Beratungspraxis, beschäftigen sich derzeit mit netzbasierten Services und Thin-Client-Konzepten.

Lösung für standardisierte Arbeitsplätze

Entsprechend flexibel müssen sich Service-Provider und Dienstleister mit ihren Angeboten am Markt aufstellen. Auch Thorsten Zenker aus der Abteilung IT Operations bei dem ICT-Dienstleister T-Systems betont die Vorteile der "Technik ohne Technik": "Für hoch standardisierte Arbeitsplätze, wie sie etwa in Call-Centern, Großraumbüros oder in fertigungsnahen Umgebungen zu finden sind, eignen sich Thin Clients nach unseren Erfahrungen sehr gut." Sie könnten etwa als robuste Geräte ohne bewegliche Teile auch im Automotive-Bereich ihre Stärken ausspielen.

Die sichere Anbindung von Unternehmensstandorten, Filialnetzen, Vertriebsbüros, Außendienstmitarbeitern und Home-Office-Arbeitsplätzen sollte für einen Dienstleister mit ausreichend Rechenzentrums- und Netzkapazität kein großes Problem mehr darstellen, ebenso die Versorgung mit Software im Saas-Modell. "Zudem ist die Erweiterung um zusätzliche Thin-Client-Arbeitsplätze jederzeit möglich", erklärt Zenker.

Konsolidierung und Zentralisierung mit Thin Clients Dies war auch einer der Gründe, warum sich die Explorer Fernreisen GmbH mit Hauptsitz in Düsseldorf und acht weiteren Standorten in Deutschland für eine Thin-Client-Lösung entschied. Gemeinsam mit T-Systems stellte das Touristikunternehmen seine IT-Infrastruktur auf Server-based Computing um. Gilbert Maurer, technischer Leiter bei Explorer, schildert die Ausgangssituation: "Wir hatten rund 120 Arbeitsplatz-PCs und mehr als 20 Server in unserem Backoffice im Einsatz. Auf den PCs liefen sowohl lokale als auch Client-Server-Anwendungen, was für unsere kleine IT-Abteilung mit einem enormen Betreuungs- und Wartungsaufwand verbunden war."

So entschloss sich Explorer zu einer Konsolidierung und Zentralisierung mit Hilfe des Thin-Client-Ansatzes. Dadurch lassen sich die beim PC bestehenden Sicherheitslücken schließen, Server-Anwendungen zentral administrieren und nicht zuletzt das Gesamtsystem leichter skalieren: "Kommen neue Arbeitnehmer ins Unternehmen, werden einfach neue Thin Clients aufgestellt", erklärt der technische Leiter die Vorteile, welche die innerhalb eines Monats vollzogene Infrastruktur-Umstellung mit sich brachte, und empfiehlt ein solches Projekt anderen mittelständischen Unternehmen, "die einen Zoo von PCs und Anwendungen besitzen und diesen reduzieren wollen".

Was Thin Clients mit SaaS zu tun haben

Auch für Unternehmen, die statt eines IT-"Zoos" überhaupt keine eigenen IT-Ressourcen wie Fachabteilung oder Rechenzentrum haben, kann sich der Schritt zu Outsourcing und Thin Client lohnen. Der Polyethylen-Schaumstoffhersteller Trocellen nutzte nach dem Verkauf an zwei japanische Konzerne und dem Auslaufen der IT-Infrastruktur-Verträge mit dem bisherigen Mutterkonzern die Gelegenheit, künftig IT-Ressourcen im SaaS-Modell über Thin Clients zu beziehen.

Nach dem Übergang zum Mietsystem greifen die Mitarbeiter nun auf die im Rechenzentrum des ITK-Dienstleisters Pironet NDH vorgehaltenen Anwendungen zu. Die als Thin Clients ausgelegten Endgeräte sind mit einer SAP-Benutzerschnittstelle ausgestattet. Ein spezielles Softwarewerkzeug des ITK-Dienstleisters sorgt für ein vereinfachtes User-Management. Oliver Cordt, Leiter Corporate Finance & IT bei Trocellen, erklärt die Funktion: "Mit diesem Tool lassen sich Nutzer leicht hinzufügen, den notwendigen Applikationen wie SAP oder Office per Mausklick zuordnen oder wieder abmelden. Dadurch gewinnen wir deutlich an Flexibilität." Neben dem ERP-System und gängigen Microsoft-Anwendungen steht den 260 Mitarbeitern über die Terminalsoftware Citrix auch das Manufacturing Execution System (MES) zur Verfügung, mit dem Trocellen seine Produktionsanlagen an acht Standorten steuert.

Unter dem Strich bleibt festzuhalten: Je stärker standardisiert eine Software ist und je einheitlicher Arbeitsplätze in einem Unternehmen ausgestattet sind, desto besser sind die Voraussetzungen für Thin Clients und Outsourcing. T-Systems-Mann Zenker sieht im Thin-Client-Konzept einen branchenübergreifenden Lösungsansatz, der sich prinzipiell für Unternehmen jeder Größenordnung eigne. Betriebe oder wissenschaftliche Einrichtungen, die mit stark spezialisierter und sehr voluminöser Software arbeiten, kommen hingegen als Anwender weniger in Frage.

Anwender zweifeln am Nutzen

Letztendlich wird der Erfolg davon abhängen, ob es den Anbietern gelingt, in der Kostenfrage die Vorteile von Thin Clients schlüssig darzulegen. Denn ein Blick in Diskussionsforen zeigt, dass dort manche Teilnehmer angesichts der aktuellen PC-Tiefpreise noch nicht so recht vom Nutzen des Thin Client überzeugt sind. Köhler empfiehlt Anwendern immer, die Gesamtkosten (TCO) im Auge zu behalten, und rät den Anbietern zu einem ebenso transparenten wie flexiblen, "atmenden" Preismodell: "Mit dynamischen Abrechnungsverfahren, etwa per Port oder per Seat, dürften die Anbieter am besten fahren." (jm)

Hier lesen Sie …

  • welche Vorteile Thin Clients gegenüber Desktop-PCs aufweisen;

  • weshalb Thin Clients einen Beitrag zur Green IT leisten;

  • welche Erfahrungen Anwender mit Thin Clients gemacht haben.