PC und seine Alternativen/Java und Linux eröffnen neue Möglichkeiten

Thin Clients brechen auf zu neuen Ufern

09.07.1999
Thin Clients sind günstig, einfach zu verwalten und verbessern die Sicherheit des Datenbestandes. Beste Voraussetzungen eigentlich, um in der Unternehmens-DV erfolgreich Einzug zu halten. Doch trotz dieser Vorteile haben die schlanken Rechner Akzeptanzprobleme. Vielleicht können neue Browsing-Technologien, Java oder Linux den Weg in die Unternehmen ebnen. Mike Finckh* erläutert, wohin der Weg des Thin-Client-Modells führen könnte.

Generell müssen Thin Clients in der Lage sein, die unterschiedlichsten Datenformate eines Unternehmens einzubinden und zu verarbeiten. Neben den gängigen Geräten wie Windows-based Terminals oder NCs eröffnen Clients auf Linux-Basis Unternehmen zum Teil kostengünstigere Installationen. Das Freeware-Betriebssystem selbst und die jeweils erforderliche Emulations-Software (beispielsweise 3270-, 5250-, RDP-, und ICA-Clients) sind in der Regel kostenlos aus dem World Wide Web zu beziehen.

Bei der Auswahl eines Thin Clients ist besonders auf eine stabile Firmware und ein zuverlässiges Betriebssystem wie eben zum Beispiel Linux zu achten. Daneben sollten die Rechner offen sein für zukünftige Datenformate und zudem weitreichende LAN- und WAN-Anschlußmöglichkeiten (Token Ring/Ethernet, ISDN/ Modem und Frame Relay/xDSL) bieten.

Gerade durch die Implementierung der Java Virtual Machine (JVM) entstehen unzählige neue Einsatzmöglichkeiten eines Thin Clients. Unterstützt werden alle Anschlußarten (LAN, seriell, ISDN, Modem, Video/Audio und VGA) sowie alle gängigen Eingabemöglichkeiten (Infrarot, Tastatur, Maus, Touchscreen in Vorbereitung). Zukünftig sollen auch neue Technologien wie Kabel-TV-Modems, GSM/GPRS, DECT/UTMS und Bluetooth, ein neuer Standard, der die Spezifikationen drahtloser Datenübertragung festlegt, auf Thin-Client-Architekturen zugeschnitten werden. Betriebssystem und die gesamte Konfiguration des Geräts liegen sicher verwahrt auf einem Chip. Zudem ist ein Flash-ROM-Speicher für einen Thin Client deutlich günstiger als herkömmliche Festplatten.

Der Thin Client geht neue Wege

Im Wettstreit um Protokoll-Marktanteile stehen sich das ICA- und das RDP-Protokoll gegenüber. Mit dem ICA-Protokoll können Anwender auf Terminals lokale Druckerschnittstellen, Soundausgabe und die serielle COM-Schnittstelle zum Beispiel für Kassenterminals nutzen. Zudem sind Terminalanwender nicht mehr auf Windows-CE-Lizenzen angewiesen, sondern haben von fast jeder Plattform Zugriff auf NT-Terminal-Server.

Durch den Erfolg ermutigt, entschied sich auch Microsoft, im Thin-Client-Markt tätig zu werden und führte die Windows Terminal Server Edition (TSE) ein. Obwohl der Softwaregigant für sein Multiuser-NT-System Software-Komponenten von anderen Firmen lizenziert hat, wird anstelle von ICA ein eigenes proprietäres Übertragungsprotokoll verwendet. ICA wird nicht unterstützt. RDP (Remote Display Protocol) soll zwischen dem NT-Terminal-Server und den WBTs vermitteln. Das RDP-Protokoll unterstützt bislang nur Maus- und Tastatureingaben, nicht aber Sound-Ein- und -Ausgabe. Lo- kale Drucker und Laufwerke lassen sich bei RDP-Sitzungen ebenfalls nicht nutzen, eine Datenübergabe über die Zwischenablage ist nicht möglich und ferner benötigen Anwender eine erheblich größere Bandbreite.

Studien von Marktforschungsinstituten wie der International Data Corp. (IDC), der Gartner Group oder von Zona Research ermitteln ein Wachstum für Thin-Client-Rechner von etwa 100 Prozent pro Jahr. Das Verhältnis Thin Client zu PC wird sich von etwa 20:80 im Jahr 2002 auf 50:50 im Jahr 2005 steigern. Nicht zu unterschätzen sind auch die hohen Margen für die schlanken Rechner, die das Interesse der Hersteller und Distributoren weiter schüren dürften.

Auf Anwenderseite sind schon einige Softwarehersteller im Bereich Dokumenten- und Auftragsbearbeitung auf den Zug eines konsequenten Thin-Client-Modells aufgesprungen. Hier werden komplette Applikationsserver, meist Linux- oder Win- dows-NT-basierend bereitgestellt. Die Hersteller entwickeln Thin Clients, auf denen das reine Front-end, also die Darstellungskomponente, dieser Anwendung läuft. Die Anbindung des Rechners funktioniert auch hier über ein firmeninternes LAN oder vom Home-Office aus. Die zweite Variante läuft über eine externe Verbindung per ISDN oder Modem.

Des weiteren gibt es schon Thin-Clients mit reiner Browsing- und Java-Funktionalität, die speziell für ISPs (Internet Service Provider) oder in Internet-Cafés zum Einsatz kommen. Da diese Funktionalitäten kostengünstig und stabil auf einen Chip gebrannt werden können, sind zahlreiche weitere Einsatzmöglichkeiten denkbar.

Ein einfaches Konzept für Home-Office-User besitzt ebenfalls große Erfolgschancen. Das Programm, mit dem der Anwender im Büro auf seinem Thin- Client-Rechner gearbeitet hat, bleibt nach dem Ausschalten des Rechners im Server erhalten. Zu Hause angekommen, schaltet man den Thin Client, der via Modem oder ISDN mit dem Firmen-Server verbunden ist, wieder ein und arbeitet mit dem blinkenden Cursor genau an der gleichen Stelle weiter, an der man im Büro aufgehört hat.

Die Informations- und Kommunikationsplattform JNT (Java Network Technology) repräsentiert zum Beispiel den Typus einer neuartigen Surfstation. Das Ge- rät erlaubt über eine normale Telefonleitung und ein TV-Gerät E-Mail- und Internetfunktionalität ohne den Einsatz heutiger Rechner. Darüber hinaus ermöglicht die Surfstation Homebanking. Ferner haben verschiedene Hersteller Screenphones in der Entwicklung, die ebenfalls auf JNT basieren.

Viren und Thin Clients

Am 11. Juni dieses Jahres warnten zahlreiche Radio- und Fernsehsender vor dem "Worm.Explore"-Virus, der unter anderem auch das E-Mail-System von Microsoft weltweit lahmlegte. Bei klassischen PC-Strukturen müssen die System-Administratoren neben dem Server auch jeden einzelnen PC von dem Virenbefall säubern. Neben dem zusätzlichen Administrationsaufwand fallen auch hohe Kosten durch den Produktivitätsausfall der Mitarbeiter an. Abgesehen von der Tatsache, daß bei Thin-Client-Netzwerken der Virenbefall nahezu ausgeschlossen ist, wäre hier nur die Reinigung des Servers nötig.

Angeklickt

Die Schwierigkeit einer Thin- Client-Architektur besteht darin, alle Standards, Protokolle und Formate der Unternehmens-DV unter einen Hut zu bekommen. Neue Browsing-Technologien, Java und Linux erweitern den Funktionshorizont der Thin- Clients erheblich. Vielleicht wird gerade diese vielseitige Verwendbarkeit für den Durchbruch des Thin-Client-Modells in der Unternehmens-DV sorgen, der bereits seit vielen Jahren prophezeit wird, aber bis heute noch nicht eingetreten ist.

*Der Autor Mike Finckh ist Vice-President OEM-SAles & Marketing bei der IGEL GmbH in Augsburg.